Milorad Dodik verurteilt: Neuer Konflikt auf dem Balkan?
Politische Krise auf dem Balkan:Haftstrafe für bosnischen Serbenführer Dodik
von Benedikt Karl, Wien
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Milorad Dodik wurde verurteilt. Für diesen Fall hatte er mit der Abspaltung des serbischen Landesteils von Bosnien und Herzegowina gedroht. Droht ein neuer Konflikt auf dem Balkan?
Milorad Dodik: Der bosnische Serbenführer.
Quelle: epa
Es ist ein Schuldspruch mit hoher Signalkraft: Ein Jahr Haft und sechs Jahre politisches Betätigungsverbot - so lautet das Urteil gegen Milorad Dodik, den bosnischen Serbenführer. Dodik wollte durchsetzen, dass Urteile des bosnischen Verfassungsgerichts im von ihm regierten serbisch dominierten Landesteil, der Republika Srpska, keine Gültigkeit haben. Gleiches sollte für Dekrete des Hohen Repräsentanten der UN gelten. Für dessen Missachtung wurde Dodik nun erstinstanzlich verurteilt.
Bei den Wahlen im Vielvölkerstaat Bosnien-Herzegowina hat der Nationalist Dodik den für die Serben reservierten Sitz im dreiköpfigen Staatspräsidium gewonnen.08.10.2018 | 0:24 min
Strafmaß unter Forderung der Anklage
Bei seinem Strafmaß blieb das Gericht in Sarajevo unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft: Die hatte fünf Jahre Haft und zehn Jahre Politikverbot gefordert. Dennoch sei die Verurteilung eindeutig, sagt Florian Bieber. Der Historiker leitet das Zentrum für Südosteuropastudien an der Universität Graz. Für ihn ist der Schuldspruch ein klarer Beleg, "dass es in Bosnien Institutionen gibt, die funktionieren und die derartige Entscheidungen ahnden".
Gliedert sich als Konsequenz des Bosnienkrieges in zwei Landesteile: Die Föderation Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska.
Quelle: ZDF
Bosnien und Herzegowina gliedert sich als Konsequenz des Bosnienkrieges in zwei Landesteile: Die Föderation Bosnien und Herzegowina (Hauptstadt Sarajevo), in der mehrheitlich muslimische Bosniaken und kroatische Bosnier leben, und in eine zweite Entität namens Republika Srpska (Hauptstadt Banja Luka), in der vor allem serbische Bosnier zu Hause sind.
Das komplexe Staatsgebilde geht auf das Dayton-Agreement von 1995 zurück, das den jahrelangen Bosnienkrieg beendete. Der Hohe Repräsentant der Vereinten Nationen wacht über die Einhaltung des Friedensabkommens und ist mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet. Seit 2021 hat der ehemalige deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt das Amt inne.
In Bosnien spitzt sich die Krise zwischen dem Serbenführer Dodik und dem deutschen Bosnien-Beauftragten Schmidt zu.03.08.2023 | 2:05 min
Dodik nicht bei Verurteilung anwesend
Möglicherweise kommt es zu einer Berufung, das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dass Dodik wirklich in Haft kommt, daran glaubt Bosnien-Experte Florian Bieber jedoch nicht. Die Haftstrafe könnte in eine Geldstrafe umgewandelt werden, und seinen politischen Einfluss könnte Dodik auch ohne Amt ausüben.
Das gesamte Machtsystem der Republika Srpska hängt von ihm ab
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Florian Bieber, Leiter des Zentrum für Südosteuropastudien an der Universität Graz
Bei der Urteilsverkündung in Sarajevo war Dodik jedenfalls nicht zugegen: Er hatte seine Anhänger schon am Vortag zu Protesten in Banja Luka versammelt. "Sie konnten euch nicht alle ins Gefängnis stecken, also haben sie mich stattdessen gewählt", sagte er während der Kundgebung am Dienstag.
Mit dem ersten internationalen Gedenktag erinnern Bosnien und die UN an den Völkermord von Srebrenica. Bei dem Massaker waren 1995 mehr als 8.000 Muslime ermordet worden.11.07.2024 | 0:24 min
Unterstützung aus Ungarn und den USA
Bereits in der Vergangenheit drohte Dodik immer wieder mit der Abspaltung des serbischen Landesteils vom bosnischen Gesamtstaat. Für den Fall seiner Verurteilung kündigte Dodik an, weitere Maßnahmen forcieren zu wollen, die die Republika Srpska auf Kosten des bosnischen Gesamtstaats stärken sollen. "Das ist letztlich die Politik, die er in den letzten 20 Jahren verfolgt", sagt Florian Bieber.
…dass er systematisch den bosnischen Staat untergräbt und zwar immer wieder die Unabhängigkeit androht, aber nicht durchführt
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Florian Bieber, Leiter des Zentrum für Südosteuropastudien an der Universität Graz
Doch die Rhetorik des nationalistischen Serbenführers verunsichert viele. Denn die Erinnerung an den Krieg vor 30 Jahren ist in dem kleinen Balkanland noch sehr präsent. Und Dodiks Abspaltungsphantasien wecken Ängste vor einem Neuaufflammen des Konflikts.
Auf einer Kundgebung am Vorabend des Gerichtsurteils: Milorad Dodik mit dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani.
Quelle: dpa
Wie weit Dodik tatsächlich in Richtung Unabhängigkeit gehen würde, ist unklar, aber: "Der globale geopolitische Kontext könnte ihn zu einem riskanteren Schritt ermutigen", so Florian Bieber. Die EU ist uneins, Ungarn etwa steht klar auf Seiten Dodiks.
Der Sprecher der EU-Kommission, Anouar El Anouni, mahnte am Donnerstag, alle Seiten müssten die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Justiz achten. Er appellierte an alle Akteure, auf "provokative, spaltende Rhetorik und Handlungen" zu verzichten und die Einheit des Landes nicht in Frage zu stellen.
Und ob sich die USA auch unter Donald Trump der Umsetzung des Dayton-Abkommens verpflichtet fühlen, ist fraglich. Zur Kundgebung von Dodik und seinen Anhängern einen Tag vor dem Urteil kam auch ein Gast aus Amerika: Rudy Giuliani, Ex-Anwalt Donald Trumps. Giuliani trug eine rote Kappe mit der Aufschrift "Make Srpska Great Again".
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Quelle: dpa
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