Baerbock zu Trumps "Diktator"-Vorwurf: "Völlig absurd"
Interview
US-Präsident attackiert Selenskyj:Baerbock zu Trump-Vorwurf: "Völlig absurd"
von Antje Klingbeil und Daniel Pontzen
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US-Präsident Trump bezeichnet Selenskyj als "Diktator". Die deutsche Außenministerin reagiert scharf. Und warnt die USA vor dem neuen Kurs - auch im eigenen Interesse.
Außenministerin Annalena Baerbock hat die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, der ukrainische Präsident sei ein Diktator, scharf zurückgewiesen.19.02.2025 | 2:36 min
Das ist vollkommen absurd. Wenn man nicht nur schnell twittert, sondern die wirkliche Welt sieht, dann weiß man, wer in Europa leider unter diktatorischen Verhältnissen leben muss: die Menschen in Russland, die Menschen in Belarus.
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Annalena Baerbock (Grüne), Außenministerin
"Die Menschen in der Ukraine mit ihrer Regierung kämpfen jeden Tag für ihre freie Demokratie", sagte die Grünen-Politikerin am Abend gegenüber ZDFheute. Sie ergänzte: "Und wir unterstützen sie dabei als Europäerinnen und Europäer auf ihrem Weg in die Europäische Union. Damit wir unsere Demokratien in Europa gemeinsam sichern."
US-Präsident Trump hat den ukrainischen Präsidenten Selenskyj faktisch für den Ukraine-Krieg verantwortlich gemacht. Mit Kremlchef Putin möchte er sich bald treffen.19.02.2025 | 2:05 min
Trump hatte zuvor dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorgeworfen, Wahlen abzulehnen und damit ein Diktator zu sein ("a dictator without elections"). "Ich liebe die Ukraine, aber Selenskyj hat einen fürchterlichen Job gemacht, sein Land ist zerstört und Millionen sind sinnlos gestorben", schrieb Trump auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social weiter.
Er ergänzte die Aufforderung, Selenskyj müsse schnell handeln, "sonst wird er kein Land mehr übrig haben". In der Zwischenzeit seien die USA dabei, mit Russland erfolgreich ein Ende des Kriegs zu verhandeln.
Baerbock: Gemeinsam für Werte und Interessen einstehen
Auf die Frage, ob es sich bei den derzeit vollziehenden Entwicklungen um einen Epochenbruch handele, antwortete Baerbock: "Offensichtlich führt die neue US-Administration eine andere Außenpolitik und auch eine andere Arbeit mit allen internationalen Partnern als bisher. Deswegen ist es so wichtig, dass wir als Europäer deutlich machen, dass wir für unsere eigenen Werte und Interessen selbstbewusst einstehen."
Europa sucht weiter nach einer gemeinsamen Haltung. Wie will Europa mit Trump und dem neuen Kurs der USA umgehen? Ein Blick nach Frankreich, Großbritannien und Polen.19.02.2025 | 3:17 min
Bisher sei es so, dass es unglaublich viele unterschiedliche Äußerungen von der amerikanischen Administration gibt. Es gebe mehrfache Sonderbeauftragte für die Ukraine. "Wir haben als Europäer in München, in Paris deutlich gemacht, wir werden unseren Frieden in Europa sichern, und es wird einen dauerhaften Frieden auf diesem Kontinent nur mit uns als Europäern geben."
Das Wichtige ist, dass wir in diesen schwierigen Zeiten einen kühlen Kopf als Europäer bewahren und geschlossen für unseren Frieden einstehen. Und das tun wir - ohne Wenn und Aber.
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Annalena Baerbock (Grüne), Außenministerin
Das über sieben Jahrzehnte gewachsene transatlantische Verhältnis befindet sich in seiner wohl schwersten Belastungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg.
Baerbock: Stärke durch Verlässlichkeit
Auf die Frage, ob man von einem transatlantischen Verhältnis überhaupt noch sprechen könne, beziehungsweise was ihr mit Blick darauf derzeit noch Hoffnung bereite, antwortete die Außenministerin:
"Die Zeiten sind stürmisch, insbesondere seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges. Damals vor drei Jahren hat keiner Europa wirklich zugetraut, dass wir eine Geschlossenheit zeigen, wie wir das in den letzten drei Jahren getan haben - und diese Geschlossenheit gilt es jetzt umso deutlicher zu zeigen."
Auch im amerikanischen Interesse könne es eigentlich nur einen dauerhaften Frieden in Europa geben: "Wir als Europäer stehen dafür ein und haben gemeinsam auch gegenüber der neuen US-Administration deutlich gemacht: Was würde es denn für sie in der Welt bedeuten, wenn andere spüren: Es ist auf die USA kein Verlass mehr."
Trump habe sich auf die "Seite der autoritären Herrscher geschlagen", was "schmerzhafteste Folgen für uns alle" haben werde, sagt Michael Roth, SPD, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss‘.20.02.2025 | 6:00 min
"Stärke entwickelt sich daraus, dass andere Länder sich auf einen verlassen können. Dafür steht die Europäische Union", so Baerbock gegenüber ZDFheute, "und es wäre ein Zeichen der Stärke, wenn wir das weiterhin transatlantisch in der Welt tun können."
Mit Material von Reuters
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.