Atomkraftwerk in England: Kosten für den AKW-Bau steigen

    Kosten explodieren:Atomkraftwerk in England bleibt Baustelle

    von Yacin Hehrlein, London
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    Der französische Energiekonzern EDF baut ein Kernkraftwerk in England. Die Fertigstellung aber zögert sich weiter hinaus, die Kosten explodieren. Die Zweifel am Projekt wachsen.

    Hinkley Point construction
    Eigentlich sollte das Atomkraftwerk Hinkley Point C 2025 ans Netz gehen, ab dann Kernenergie liefern. Stattdessen sorgt das Projekt für Kostenexplosionen. Die Fertigstellung verzögert sich.30.01.2024 | 2:02 min
    Es ist fast schon zu einem Ritual geworden: Alle paar Jahre wird die Fertigstellung des Kernkraftwerks Hinkley Point C im englischen Somerset weiter nach hinten verschoben. Auch die Kosten steigen immer weiter an. Die Abstände zwischen den Hiobsbotschaften werden inzwischen immer kleiner und die Summen immer schwindelerregender.

    Milliardenkosten für neues Atomkraftwerk

    Hinter dem Projekt steckt der französische Energiekonzern EDF. Während sich die geschätzten Kosten des Kraftwerks bei Baubeginn 2016 auf rund 21 Milliarden Euro beliefen, muss mittlerweile von weit über 30 Milliarden ausgegangen werden - gemäß dem damaligen Pfundwert. Nach heutigem Geldwert wären es eher um die 50 Milliarden Euro. Und statt 2025 wird der erste von zwei Reaktoren nun frühestens 2031 ans Netz gehen.
    Als Gründe für die Verzögerung und explodierenden Kosten nennt EDF, das dem französischen Staat gehört, die spezifischen Auflagen der britischen Aufsichtsbehörden. Dazu kämen Faktoren wie der Brexit, Covid und die hohe Inflationsrate im vergangenen Jahr.
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    Welche Zukunft hat Atomenergie?

    Zum Erreichen eines verlässlichen kohlendioxidfreien Strommixes bis zum Jahr 2050 sei die Kernenergie und damit das neue Kraftwerk unverzichtbar, meint Tom Greatrex, Geschäftsführer der britischen Nuklearindustrievereinigung. In zahlreichen europäischen Ländern habe ein Umdenken hin zu mehr Kernenergie stattgefunden, um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Dies sei auch auf der Klimakonferenz in Dubai im Dezember 2023 deutlich geworden, so Greatrex.
    Professor Stephen Thomas, Energiewirtschaftswissenschaftler von der Greenwich Universität in London, sieht das anders und verweist auf zahlreiche Bauprojekte in Finnland, Frankreich und Tschechien, die ebenfalls mit nur sehr großer Verzögerung vorangingen oder -gehen. Neben den bekannten Bedenken in Sachen Sicherheit und Umweltverträglichkeit sei gerade das wirtschaftliche Argument pro Kernenergie sehr schwach.

    Chinesische Beteiligung am Projekt

    Die Kostenexplosion in Hinkley Point C scheint dies zu bestätigen. Zudem hat die Finanzierung des Projekts eine komplizierte Vorgeschichte. Anfang der 2010er Jahre lockte die Regierung unter Premierminister David Cameron China als Geldgeber für das britische Atomprogramm. Die Hoffnung der Chinesen war, dass ihr Engagement in Hinkley Point C weitere Projekte mit ihrer eigenen Technologie nach sich ziehen würde.
    Nach der Verschlechterung der politischen Beziehungen hat sich dies allerdings zerschlagen. Der chinesische Atomkonzern CGN ist mittlerweile nur noch Minderheitsteilhaber an Hinkley Point C und wird darüber hinaus mit Sicherheit keine weiteren Löcher im Budget stopfen.

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    Interview
    Die finanzielle Hauptlast trägt also EDF. Damals lockte eine Vereinbarung in das Projekt: Die Franzosen bauen das Kraftwerk auf eigene Kosten, bekommen aber im Anschluss ihren Strom für 35 Jahre zu einem - hohen - Fixpreis abgenommen. Lange Zeit erschien dies wie ein schlechter Deal für Großbritannien und ein Schnäppchen für den Betreiber.

    Atomkonzern EDF mit Milliardenschulden

    Mittlerweile aber hängt Hinkley Point C dem Unternehmen wie ein Klotz am Bein. Denn EDF hat Milliardenschulden und einige weitere Kostenpunkte: die Instandhaltung von 56 französischen Reaktoren, von denen die meisten bereits das Ende ihrer Lebensspanne erreicht haben. Dazu kommt der Bau sechs neuer Reaktoren, ebenfalls in Frankreich.
    Es erscheint auf den ersten Blick ökonomisch nicht sinnvoll, ein vorangeschrittenes Projekt wie Hinkley Point C abzubrechen. Doch sollte EDF aufgrund finanzieller Überlastung irgendwo den Stecker ziehen müssen, wird der Staatskonzern dies kaum im eigenen Lande tun. Bis 2031 ist es noch ein langer Weg für Hinkley Point C.

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