Wikileaks-Gründer: Warum Assange gerade jetzt freikommt

    Wikileaks-Gründer:Warum Julian Assange gerade jetzt freikommt

    Bastian Hartig
    von Bastian Hartig
    |

    Julian Assange hat es geschafft. 14 Jahre lang hatte der Wikileaks-Gründer versucht, der Auslieferung an die USA zu entgehen. Jetzt ist er frei. Warum?

    Assange am Flughafen zeigt zwei Mail Daumen nach oben.
    Assange ist ein freier Mann – auch wenn er sich in einem Anklagepunkt für schuldig bekannt hat. Der Australier entgeht einer Auslieferung an die USA und einer dortigen Haftstrafe. 26.06.2024 | 1:43 min
    In der Nacht zum Mittwoch war es soweit: Julian Assange verließ ein US-Gericht auf der Pazifikinsel Saipan als freier Mann. Zuvor bekannte sich der Wikileaks-Gründer im Rahmen einer Vereinbarung mit dem US-Justizministerium der Verschwörung zum Geheimnisverrat schuldig. Das Urteil, fünf Jahre Haft, gilt als bereits verbüßt, weil der 52-Jährige seit April 2019 in einem Hochsicherheitsgefängnis in London einsaß.
    Was bewegte die US-Behörden gerade jetzt zum Einlenken? Immerhin versuchten sie seit fast eineinhalb Jahrzehnten seiner habhaft zu werden. Die genauen Hintergründe, wie es zu dem Deal kam, sind unklar. Bekannt ist aber: Schon seit Monaten gab es Anzeichen, dass Bewegung in den Fall gekommen war.

    Assange bekommt eine neue Ausweisnummer.
    Quelle: Frank Augstein/AP/dpa

    Julian Assange wurde 1971 in Australien geboren. Er ist Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks. Assange bezeichnet sich selbst als Journalist und beansprucht deshalb die für Medien üblichen Schutzklauseln, wenn es um die Geheimhaltung von Quellen und die Veröffentlichung vertraulicher Informationen geht.

    Kritiker werfen ihm vor, er sei ein Selbstdarsteller, der Menschenleben gefährdet habe. Seine Anhänger sehen in ihm dagegen einen Journalisten, der wegen der Aufdeckung von mutmaßlichen US-Kriegsverbrechen ins Visier der Justiz in Washington geraten ist.

    Auch Geopolitik könnte eine Rolle gespielt haben

    Im März berichtete das "Wall Street Journal", dass das US-Justizministerium eine Vereinbarung im Fall Assange in Erwägung ziehe. Die US-Regierung stand unter zunehmendem Druck. Vor allem Australien setzte sich seit Jahren dafür ein, dass der australische Staatsbürger Assange in sein Heimatland zurückkehren konnte.
    Erst im Februar verabschiedete das australische Parlament einen entsprechenden Antrag mit einer Zweidrittelmehrheit. Im April sagte US-Präsident Joe Biden auf Nachfrage, man prüfe die Forderung.
    Washington-Korrespondentin Heike Slansky bei ZDFheute live.
    Die Enthüllungen des Wikileaks-Gründers Julian Assange seien im Rahmen der Pressefreiheit im höchsten Maße peinlich für die Weltmacht USA, so ZDF-Korrespondentin Heike Slansky. 25.06.2024 | 6:11 min
    Vielleicht half Assange auch, dass Australien für die USA ein zunehmend wichtiger Partner im Pazifik ist. Dort soll das Land helfen, einem immer forscher auftretenden China die Stirn zu bieten.
    Ausdruck dieser gesteigerten Bedeutung ist das trilaterale Sicherheitsbündnis Aukus, das die USA, Australien und Großbritannien 2021 ins Leben riefen, um die Sicherheit und militärische Abschreckung in der Indopazifikregion zu stärken.
    Claudia Bates
    "Julian Assange muss sich schuldig bekennen und hat sich dazu offenbar bereit erklärt. Das ist die Grundlage dieses Deals", berichtet ZDF-Korrespondentin Claudia Bates.25.06.2024 | 3:00 min

    Auslieferung stand auf wackligen Beinen

    Auch die politische Lage in Großbritannien könnte das US-Justizministerium zu einem Deal mit Assange bewogen haben. Denn nicht nur die britische Justiz, auch die Regierung in London hätte einer Auslieferung zustimmen müssen. Kommende Woche finden im Königreich jedoch Parlamentswahlen statt.
    Laut Umfragen, steuert die konservative Regierung unter Premierminister Rishi Sunak auf eine herbe Niederlage zu. Abgeordnete der sozialdemokratischen Labour-Partei, die in der Wählergunst weit vorne liegt, sprachen sich in der Vergangenheit jedoch immer wieder gegen eine Auslieferung von Assange aus.
    Für viele zivilgesellschaftliche Akteure war die Freilassung Assanges ohnehin längst überfällig. Erst im Mai forderte eine Koalition aus mehr als einem Dutzend Bürger- und Menschenrechtsorganisationen US-Justizminister Merrick Garland in einem offenen Brief dazu auf, die Vorwürfe gegen Assange fallen zu lassen.
    Die Anklage untergrübe die Pressefreiheit und eröffne juristische Wege, um gegen Journalisten vorzugehen.
    Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck bei ZDFheute live.
    Der Deal zwischen Assange und den USA sei ein Kompromiss, den beide Seiten faul finden können, so Menschenrechtsanwalt Kaleck. Assange habe Freiheit, die USA Ansehen verloren. 25.06.2024 | 20:37 min

    Schuldbekenntnis schwächt Position von Journalisten

    Die Tatsache, dass Assange sich nun als Bedingung für seine Freilassung schuldig bekennen musste, werten viele als bedenklich. Die US-Behörden hätten sich dazu entschieden, die Kriminalisierung routinemäßiger journalistischer Arbeit zu legitimieren, schrieb die US-Nichtregierungsorganisation "Freedom of the Press Foundation" in einer Stellungnahme.
    Julian Assange (Archivbild vom 19.05.2017)
    2010 veröffentlichte Wikileaks brisantes Material zu US-Militäreinsätzen in Irak und Afghanistan. Seitdem gilt Julian Assange als Staatsfeind - nun gibt es einen Deal mit den USA.25.06.2024 | 1:13 min
    Vor allem im Hinblick auf die bevorstehende US-Wahl könnte das bedenklich sein. Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist bekannt für seine Feindseligkeit gegenüber Journalisten. Während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident bezeichnete er die Medien immer wieder als "Feinde des Volks". Im Wahlkampf drohte er Fernsehsendern, die kritisch über ihn berichten, im Falle seines Sieges mit dem Entzug ihrer Lizenzen.
    Andere wurden noch deutlicher: "Wir werden die Verschwörer finden, nicht nur in der Regierung, sondern auch in den Medien", sagte der ehemalige Berater und enge Verbündete Trumps Kash Patel im Dezember und fügte hinzu: "Wir kriegen euch."
    Bastian Hartig berichtet aus dem ZDF-Studio in Washington D.C.

    Mehr zu Julian Assange