800.000 Schuss für Kiew:Wie Tschechien weltweit Munition sammelt
von Nils Metzger, Oliver Klein, Jan Schneider
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Kann Tschechien die Ukraine aus der Munitions-Not retten? Das kleine Land zapft Geheimkontakte an, um Granaten für Kiew zu beschaffen. Das Geld dafür kommt auch aus Deutschland.
Das ukrainische Militär braucht dringend Munition. Auf Initiative Tschechiens werden jetzt weltweit Munition und Ausrüstung gekauft, um sie der Ukraine zur Verfügung zu stellen.28.02.2024 | 1:33 min
Sammeln für Kiew: Tschechien hat die Initiative ergriffen und will der Ukraine aus der Munitionsnot im Abwehrkampf gegen die russische Invasion helfen. Bereits im Juni sollen die ersten Rüstungsgüter geliefert werden.
800.000 Stück Munition habe man bereits organisiert, hieß es, das soll aber erst der Anfang sein. Die tschechische Regierung will ein langfristiges System zur Versorgung der Ukraine mit Munition und schweren Waffen etablieren. Dafür verhandelt Prag mit Verbündeten, um möglichst viel Geld für die Anschaffung einzutreiben. Welche Länder beteiligen sich? Welche liefern die Munition? Und was kostet das alles? ZDFheute liefert die wichtigsten Antworten.
Welche Länder geben Geld für Munitionsbeschaffung?
Tschechien erhält inzwischen finanzielle Unterstützung unter anderem von Frankreich, Belgien, Kanada, den Niederlanden, Großbritannien, Dänemark, Litauen, Norwegen und Schweden. Deutschland hatte zuletzt eine "dreistellige Millionensumme" versprochen. Vom tschechischen Verteidigungsministerium hieß es am Freitag, dass manche Staaten es zur Bedingung gemacht hätten, dass sie nicht erwähnt werden.
Laut dem tschechischen Medienportal "Aktuálně" beteiligen sich inzwischen 18 Länder an der Initiative. Bis auf Kanada seien allen anderen Länder europäische Staaten.
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Woher soll die Munition kommen?
Viele der Rüstungsgüter sollen offenbar zum einen von privaten Rüstungsunternehmen in Tschechien gestellt werden. Zum anderen sucht die tschechische Regierung auch weltweit nach Munition, insbesondere Geschosse für Artillerie und Flugabwehrsysteme sowie Drohnen. Doch welche Länder genau Material liefern, ist geheim: Nicht jedes Land will andere wissen lassen, dass es die Munition liefert, erklärte bereits Ende Februar Mark Rutte, der Premierminister der Niederlande.
Die tschechische Wochenzeitschrift "Respekt" konnte mit einem der Männer sprechen, die für Prag auf Waffensuche sind - dem Ukraine-Sonderbeauftragen der Regierung, Tomáš Kopečný. Er erklärte, dass die 800.000 Granaten von Ländern "außerhalb der EU" stammen. Genauere Informationen dürfe er nicht preisgeben, das könne das ganze Vorhaben zunichtemachen, wie er sagt:
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Spekulationen zufolge könnte es sich um Länder wie die Türkei handeln, die im Ukraine-Krieg bisher neutral geblieben waren. Auch Südafrika ist im Gespräch. Südkorea hatte der Ukraine über Umwege bereits in der Vergangenheit Hunderttausende Schuss Artilleriemunition zur Verfügung gestellt, auch bei den Tschechien-Deals könnte das Land erneut eingebunden sein. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es aber nicht.
Wieso ist gerade Tschechien in dieser Angelegenheit so aktiv?
Für viele Menschen in Tschechien ist die Erinnerung an den Prager Frühling 1968 und der Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts noch lebendig. Hilfe für die Ukraine, die sich gegen russische Invasoren zur Wehr setzt, ist offenbar für viele eine Möglichkeit, dieses Trauma zu überwinden.
In den letzten Wochen hat Russland immer mehr Gebiete in der Ukraine einnehmen können. Militärökonom Marcus Keupp analysiert bei ZDFheute live die aktuelle Lage an der Front.07.03.2024 | 42:04 min
Strippenzieher hinter einem der größten Munitionsprojekte für die Ukraine zu sein, ist für Tschechien vermutlich auch in anderer Hinsicht eine gewisse Genugtuung. 2014 explodierte in der Ortschaft Vrbětice nahe der slowakischen Grenze das Munitionsdepot eines Waffenhändlers, zwei Menschen starben. Die dort gelagerte Munition hätte wohl in die Ukraine verkauft werden sollen.
Tschechische Behörden verdächtigen russische Geheimdienste, hinter den zwei Explosionen zu stecken und wiesen nach dem Vorfall 18 russische Diplomaten aus. Auch Recherchen der Investigativplattform Bellingcat deuten auf eine Täterschaft Moskaus hin.
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Was kostet die Munition?
General Rob Bauer, Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, gab den Preis pro 155mm-Artilleriegranate im Oktober 2023 mit bis zu 8.000 Euro an. Eine riesige Preissteigerung: Vor dem Ukrainekrieg lag der Preis bei rund 2.000 Euro. Gelenkte oder anderweitig spezialisierte Munition kann noch deutlich teurer sein.
Die größten Preisschocks könnten jedoch langsam überwunden sein: Tschechien kalkuliert nun mit knapp 2,8 Milliarden Euro für insgesamt 1,5 Millionen Granaten - macht im Schnitt etwa 1.800 Euro pro Schuss. Das umfasst unterschiedliche Kaliber westlicher und sowjetischer Bauart.
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Munition unklarer Herkunft bereits regelmäßig im Einsatz
Es ist nicht das erste Mal, dass westliche Unterstützer für die Ukraine in sogenannten Drittstaaten außerhalb der Nato auf Einkaufstour gehen. In den Händen der ukrainischen Streitkräfte tauchte immer wieder Munition aus verschiedensten Ländern auf - aus Pakistan oder sogar dem Iran. ZDFheute konnte etwa Schiffe verfolgen, wie sie mit verdächtiger Gefahrgut-Ladung vom pakistanischen Karachi aus bis in deutsche oder polnische Häfen fuhren.
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.