Ukrainischer Armee-Chef: "Krieg tritt in neue Phase ein"
Exklusiv
Syrskyj zum Kriegsverlauf:Interview: Was Kiews neuer Armeechef erwartet
von Katrin Eigendorf und Jenifer Girke
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Der Mangel an Munition sei eine seiner Hauptsorgen, sagt der neue Armeechef Syrskyj dem ZDF exklusiv. Technologie und die Einstellung seiner Armee seien für den Sieg entscheidend.
Er sei Realist, sagt der neue Armeechef der Ukraine, Oleksandr Syrskyj. Ein Realist mit einer großen Aufgabe.31.01.2024 | 15:03 min
Er ist der neue - Oleksandr Syrskyj, verheiratet, Vater von zwei Söhnen, 58 Jahre alt, geboren in der ehemaligen Sowjetunion. Und seit gestern: Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte.
Monatelang bemühte sich das ZDF um ein Gespräch mit Syrskyj, lange bevor seine neue Position publik wurde. Die Chancen waren ungewiss bis gering. Plötzlich kam spätabends ein Anruf, er wäre am nächsten Tag für ein Gespräch bereit, der genaue Ort müsse unbedingt geheim bleiben. Irgendwo im Osten der Ukraine hat ihn ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf getroffen, wenige Tage, bevor Präsident Selenskyj ihn als neuen Oberbefehlshaber offiziell vorstellte. Er spricht stolz über militärische Erfolge im Kampf gegen Russland, gibt aber auch zu: Momentan ist die Situation sehr angespannt.
Seit vier Monaten führe Russland eine "Offensive von hoher Intensität" - für die Ukraine hieße das eine Änderung der Strategie: "Die Situation zu diesem Zeitpunkt kann als schwierig eingestuft werden. Das heißt, der Feind rückt jetzt praktisch an der gesamten Front vor, und wir sind von offensiven Aktionen zur Verteidigung übergegangen", sagt Syrskyj. Besonders intensive Kämpfe fänden in Richtung Kupjansk statt:
"Aber in vier Monaten ist er in dieser Richtung nicht deutlich vorgerückt, auf etwa einen Kilometer. Gleichzeitig erlitt er wahnsinnige Personalverluste."
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Verteidigen und den Feind zurückdrängen, so die Strategie: "Der Zweck unserer Verteidigungsoperation besteht darin, die Streitkräfte des Feindes zu erschöpfen, ihm maximale Verluste zuzufügen und dabei unsere Befestigungsanlagen zu nutzen, unsere technischen Vorteile in Bezug auf die Verwendung der unbemannten Luftfahrzeuge, die Aufrechterhaltung der Verteidigungsgrenzen."
Verteidigung Kiews - ein Erfolgsmodell
Nicht weiter vordringen - das war auch das Ziel ganz zu Beginn des russischen Angriffs. Als Generaloberst führte Syrskyj 2022 die ukrainischen Truppen sowohl bei der Verteidigung von Kiew als auch bei der Gegenoffensive in der Region Charkiw an.
Ausführlich und detailliert erzählt der Militär, wie seine Armee sich gegen Russland verteidigt hat und eine Einnahme der Hauptstadt verhindern konnte: "Die Strategie bestand darin, unsere Bemühungen effizient zu verteilen, die Richtung des Hauptschlags des Feindes zu bestimmen, mit unseren Reserven den Durchbruch zu verhindern, so weit wie möglich den äußeren Verteidigungsring zu verteidigen, um zu verhindern, dass die Hauptstadt zerstört wird und sich in etwas wie Bachmut verwandelt."
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Für Syrskyj ein wichtiger Erfolg: "Der Feind hat mit einem solchen Verlauf der Ereignisse nicht gerechnet, hat damit nicht gerechnet, dass er solche Verluste hat. Dementsprechend waren alle seine Handlungen praktisch erfolglos."
Syrskyj: Neue Phase des Kriegs durch neuere Waffen
Syrskyj setzt vor allem auf die Qualität des Kampfes und der Waffen: "Wir haben hervorragende westliche Waffen, die beispielsweise russische Modelle übertreffen. Da haben wir unsere Vorteile. Wir bauen eine starke Verteidigung auf und nutzen dabei Befestigungsanlagen, Gebäude, besondere Merkmale der Landschaft und des Territoriums, wir kombinieren verschiedene Waffentypen."
Vor allem technologisch neuere Waffentypen, darunter Drohnen - ihr Einsatz nehme von Tag zu Tag zu. Und: "Der Einsatz von bodengestützten Roboterplattformen, der Einsatz von Modulen, die ferngesteuert werden, ermöglichen es nicht nur, das Leben unserer Mitarbeiter zu retten.
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Syrskyj: Ein Realist mit einer großen Aufgabe
Ob die Ukraine gewinnen wird oder nicht - für den Oberbefehlshaber auch eine Frage der Motivation: "In erster Linie hängt es von der Geistesstärke und Belastbarkeit unserer Mitarbeiter ab. Sie haben es mehrmals gezeigt, nicht nur einmal."
Damit sie das schaffen, lautet sein Appell: Waffen liefern und Waffen produzieren: "Es ist nicht nur ein Krieg von Menschen, sondern von allen unseren Volkswirtschaften. Und hier sollte uns auch die westliche Wirtschaft helfen, denn wir, wir kämpfen und nutzen das Wertvollste, was es gibt - unsere Menschen. Sie ist die Blume unserer Nation. Was könnte wertvoller sein? Deshalb brauchen wir natürlich Hilfe, denn wenn nicht wir, dann wird es ein anderes Land sein. Dieser Vorgang kann nicht gestoppt werden. Ich denke, unsere Partner verstehen das."
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2022 wurde Syrskyj als "Held der Ukraine" ausgezeichnet, die höchste Auszeichnung des Landes. Als Held würde er sich nicht bezeichnen, er sei Realist. Ein Realist mit einer großen Aufgabe. Und einer schwierigen: Die Absetzung seines Vorgängers Saluschnyj trifft nicht nur auf Zustimmung in der Gesellschaft. Walerij Saluschnyj ist sehr beliebt und gilt als wichtiger Motivator für die Soldaten. Deren Bereitschaft und damit die Siegeschancen der Ukraine liegen nun auch in den Händen von Oleksander Syrskyj.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.