mit Video
Folgen der Politik Milei:Argentinien: Zwischen Armut und Aufbruch
von Tobias Käufer, Buenos Aires
|
Die ökonomischen Kennziffern deuten in dem südamerikanischen Land auf eine wirtschaftliche Erholung. Doch der radikale Sparkurs des Präsidenten produziert auch Verlierer.
In Argentinien versprach Präsident Javier Milei eine Verbesserung der Wirtschaft. Doch vor allem Rentner sind noch immer von Armut betroffen, weshalb es bereits zu Protesten im Land kam.
Quelle: ddp
Die Armenpriester haben gerufen und mehr als 4.000 Bedürftige sind gekommen: Vor dem Kongressgebäude in der argentinischen Hauptstadt versammeln sich nun seit acht Jahren jedes Jahr um Weihnachten Arme, Bedürftige und Obdachlose. Eine Aktion der an der linken Befreiungstheologie orientierten katholischen Geistlichen in Buenos Aires.
Sie wollen den Blick auf jene richten, die bereits seit Jahren oder auch erst seit kurzem in die Armut abgerutscht sind. Für diese Bedürftigen ist die Kirche und deren Armenspeisungen ein Rettungsanker:
Mit seinem radikalen Ansatz konnte Präsident Javier Milei die Inflation von 25,5% auf 2,7% senken. Zugleich ist die Armut in der argentinischen Bevölkerung groß. 10.12.2024 | 1:30 min
Hilfseinrichtungen spüren die sozialen Erschütterungen
Eine der sozialen Einrichtungen, die sich um Senioren kümmert, ist das Zentrum "Cura Brochero" in der Armensiedlung "Ciudad Oscura". Hier spüren die Ordensschwestern jede soziale Erschütterung sofort. In dem nach einem prominenten Armenpriester aus dem 19. Jahrhundert benannten Sozialküche werden täglich Gemüse geputzt, Kartoffeln geschält und Hähnchenfleisch gekocht.
Armenküche als Rettungsanker
Abnehmer der Mahlzeiten sind Senioren, die in das Zentrum zum Mittagessen kommen oder die ihr Haus selbst nicht mehr verlassen können. Ihnen bringen die katholischen Ordensschwestern das Essen persönlich vorbei.
Der Vorsitzende der Argentinischen Bischofskonferenz, Erzbischof Marcelo Daniel Colombo (63) aus Mendoza, sagte jüngst der Katholischen Nachrichtenagentur, dass die Sparmaßnahmen der Regierung vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten treffe:
Seit einem Jahr ist der argentinische Präsident Javier Milei im Amt. Mit seinem Sparkurs konnte er die Inflation senken, aber vor allem viele Rentner haben es schwer.10.12.2024 | 2:00 min
Seit gut einem Jahr ist der libertäre Präsident Javier Milei im Amt. Seine Strategie: Armutsbekämpfung nicht durch vom Steuerzahler finanzierte Sozialprogramme, sondern durch Wachstum der Privatwirtschaft, die dann über benötigte Arbeitskräfte die Menschen aus der Armut holt.
Kollateralschäden der Reformen
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit setzte Milei Reformen um: Die Zahl der Ministerien wurde fast halbiert, Zeitverträge in staatlichen Behörden und Institutionen nicht verlängert, Angestellte entlassen. Subventionen zum Beispiel für den Nahverkehr abgebaut. "Es gibt kein Geld", begründete Milei das mit Blick auf die leere Staatskasse. Die sozialen Folgen waren sofort auf der Straße zu spüren. Die Armutsrate wuchs innerhalb von wenigen Monaten spürbar und übersprang sogar die Grenze von 50 Prozent deutlich.
Armut auch bei Rentnern gestiegen
"Es sind mehr Leute gekommen. Wir haben den Anstieg der Armut gespürt", sagt eine der Helferinnen des Zentrums. Eindrücke, die auch eine Studie der Universität von Buenos Aires (UBA) bestätigt. Die Armutsquote bei Rentnern sei von 13,2 Prozent im ersten Halbjahr 2023 auf 30,8 Prozent im gleichen Zeitraum 2024 gestiegen:
Die rechtsextreme Regierung von Präsident Milei hat die finanzielle Unterstützung für Medikamente drastisch eingeschränkt. Dagegen protestieren viele Rentner und Pensionäre.05.12.2024 | 0:19 min
Wirtschaftswachstum - wie wirkt sich das auf die Armen aus?
Inzwischen gibt es aber einen gegenläufigen Trend: Es gibt erstmals wieder ein Wirtschaftswachstum von 3,9 Prozent - und auch die Armutsquote begann nun, im dritten Quartal von 2024, wieder zurückzugehen. Die monatliche Inflation ist von 25 Prozent auf knapp drei Prozent gesunken. Argentinien produziert erstmals wieder Haushaltsüberschüsse.
Das Problem sind allerdings Preissteigerungen bei den Lebensmitteln. Die Armenpriester haben errechnet: Umgerechnet etwa 950 Euro braucht ein Rentner, um über den Monat zu kommen, die Mindestrente liegt aber bei rund 250 Euro. Bei diesem Einkommen bleibt nur der Gang in die Armenküche.
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.
Thema
Mehr Nachrichten aus Argentinien
mit Video
Balkonsturz im Drogenrausch:Drei Anklagen nach Tod von Liam Payne
Analyse
Argentinischer Präsident:Was hat Mileis radikaler Sparkurs gebracht?
von Valerie Hayer
mit Video