Argentinien: Mit Kochtöpfen gegen die radikalen Sparpläne

    Proteste in Argentinien:Mit Kochtöpfen gegen die radikalen Sparpläne

    von Tobias Käufer
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    Argentiniens neuer Präsident Javier Milei hatte harte Monate für sein Land angekündig. Gegen Mileis selbsternannte "Schocktherapie" ziehen nun Tausende auf die Straßen.

    Während einer Demonstration gegen die neue Regierung des argentinischen Präsidenten Javier Milei vor dem Nationalkongress in Buenos Aires am 20. 12. 2023 schlagen Menschen mit Pfannen und Töpfen.
    Mit Töpfen und Pfannen äußerten die Menschen ihren Unmut in Buenos Aires.
    Quelle: AFP

    Kaum hatte Argentiniens neuer Präsident Javier Milei seine TV-Ansprache beendet, begannen die ersten Proteste gegen den ultraliberalen Politiker. Die sogenannten "Cacerolazos" sind eine besondere südamerikanische Art, Missfallen gegenüber der Politik auszudrücken. Mit Kochtöpfen gehen die Menschen auf die Straße.
    Anschließend marschierten Tausende Menschen zum Kongress in Buenos Aires, um gegen Mitternacht und weit danach ihren Protest kundzutun. Die linksgerichtete Opposition in Argentinien ist zehn Tage nach dem Amtsantritt des libertären Ökonomen aus ihrer Schockstarre erwacht.

    30 (umstrittene) Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln sollen

    Grund dafür war ein ebenso umfangreiches wie radikales Programm, mit dem Milei die Wirtschaft des krisengeschüttelten Landes wieder in die Spur bringen will. Das Maßnahmenpaket hat es in sich.
    Von einer "Flexibilisierung des Arbeitsrechts" mit einer verlängerten Probezeit, der Reduzierung von Abfindungen und Beschränkungen des Streikrechts über die Ankündigung von Privatisierungen reicht der 30 Maßnahmen umfassende Katalog.
    Insgesamt sollen 300 Gesetze überarbeitet oder abgeschafft werden. Milei hebelt das aktuelle Mietrecht aus und will Fußballvereinen die Möglichkeiten einräumen, sich in Aktiengesellschaften zu verwandeln. Jede einzelne der 30 Maßnahmen für sich hat das Potential, die Massen zu mobilisieren - dafür oder dagegen.

    Wir tun unser Möglichstes, um die vielleicht schlimmste Krise in unserer Geschichte zu vermeiden. Das Problem ist nicht der Koch, sondern das Rezept.

    Javier Milei, Präsident Argentiniens

    Einkäufer kaufen an einem Gemüsestand in Buenos Aires ein.
    Um aus der Wirtschaftskrise zu kommen, hatte die neue argentinische Regierung einen radikalen Sparkurs eingeschlagen.13.12.2023 | 0:26 min

    Milei: Politik der letzten Jahre muss korrigiert werden

    In seiner rund 15-minütigen Rede widmete Milei Großteil seiner Zeit der Beschreibung des aktuellen Zustandes des Landes. "Sechs von zehn Kindern leben in Armut", sagte Milei. Dass sei das Ergebnis eines verfehlten Politikansatzes der letzten Jahre, die es nun zu korrigieren gelte.
    Er spricht von einer "Doktrin, die von der Vorstellung ausgeht, dass eine Gruppe von Bürokraten, die in einem Büro sitzen, das Leben von Millionen von Menschen unter Berücksichtigung ihrer Wünsche, Fähigkeiten, Vorlieben und Umstände planen kann".

    Es ist eine Doktrin, die Politiker folglich für allgegenwärtig, allwissend und allmächtig hält, dass heißt im Wesentlichen ist es eine Doktrin, die Politiker für Gott hält.

    Javier Milei, Präsident Argentiniens

    Präsident der Ukriane, Präsident Armeniens, Präsident Chiles und König von Spanien sitzen nebeneinander bei der Vereidigung Mileis in Argentinien.
    Bei der Zeremonie zur Mileis Amtseinführung war auch der ukrainische Präsident Selensky dabei.11.12.2023 | 0:26 min

    Gewerkschaften erwägen Verfassungsklage

    Milei wiederum will gemäß seiner libertären Überzeugung die Freiheit des Einzelnen und des Marktes sowie den Schutz des Privateigentums künftig absolute Priorität einräumen. Über die verfassungsrechtliche Gültigkeit des Dekrets entbrannte noch am Abend eine Debatte unter den Juristen.
    Auch, weil dem Kongress bei der Annahme oder der Verweigerung eine zentrale Bedeutung zukommt, strömten die Milei-Kritiker noch in der Nacht zum Kongressgebäude. Einige Demonstranten kletterten auf die Gitter des Parlaments. Die Gewerkschaften erwägen eine Verfassungsklage.

    Milei geht Wahlkampfankündigungen an - und warnt vor harten Monaten

    Unklar ist, wie groß die Zustimmung oder Ablehnung der Milei-Maßnahmen tatsächlich ist. Der libertäre Ökonom hatte im Wahlkampf erklärt, eine von ihm geführte Präsidentschaft werde den Markt deregulieren und entbürokratisieren sowie Privatisierungen von Staatsbetrieben vorantreiben.
    Die argentinischen Wähler hatten das mit einem Vorsprung von elf Prozent goutiert. Nun setzt Milei seine Wahlkampfversprechen in Taten um und kündigt harte Monate an. Die Folge sind allerdings erst einmal höhere Preise und Lebenshaltungskosten.
    Wie sehr die Meinungen auseinandergehen, zeigten die Reaktionen aus der Politik: "Einer der glücklichsten Tage meines Lebens", kommentierte Ramiro Marra von der Milei-Partei "La Libertad Avanca". Linkspolitikerin Myriam Bregman kommentierte mit Blick auf Mileis "Kräfte des Himmels", die er stets auf seine Seite wähnt: "Ich denke, bei all den Sektoren, die Milei auf einmal angreift, wird er die Kräfte des Himmels auf seiner Seite auch brauchen."

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