Argentinien: Javier Milei unterbindet öffentlichen Rundfunk
Öffentlicher Rundfunk:Argentinien: Wie die Pressefreiheit schrumpft
von Atash Aghamoradi
|
Die Regierung in Argentinien dampft den öffentlichen Rundfunk ein. Viele fürchten um die Pressefreiheit - auch, weil Präsident Milei regelmäßig Journalisten online angreift.
In Argentinien werden bereits landesweit regen die radikalen Sparmaßnahmen unter der Regierung von Javier Milei protestiert. Trotzdem unterbindet der Präsident nun den argentinischen Rundfunk.
Quelle: epa
Mit seinen exzentrischen Auftritten, vor allem in den sozialen Medien, wurde Argentiniens Präsident Javier Milei im ganzen Land bekannt. Ob durch seine wild abstehenden Haare, die er laut eigener Aussage nicht kämme, weil er dies dem freien Markt überlasse oder Auftritte im Superheldenkostüm - Milei weiß, wie er Aufmerksamkeit erregt. Sein selbst erschaffenes Image ist sein Kapital - und hat schon vor seiner Wahl zu Konflikten mit der Presse geführt. Jetzt, mit Milei im Amt, spitzt sich die Lage für Medien im Land zu.
Immer wieder greift Milei unliebsame Journalistinnen und Journalisten über die sozialen Netzwerke an. Zwei Tage vor seinem Amtsantritt im Dezember 2023 hatte die Organisation "Reporter ohne Grenzen" erklärt, dass Mileis Aggressivität gegenüber der Presse ein Warnzeichen sei und sie ihn genau beobachten würden.
Seit Dezember ist der Rechtspopulist Milei im Amt. Mit ersten Reformen schockte er das Land. Ersparnisse sind nur noch halb so viel wert, Lebensmittel und Sprit umso teurer.14.02.2024 | 6:26 min
Argentinische Regierung kürzt öffentlichen Rundfunk ein
Als Präsident schafft er nun Fakten: Mitte Mai schloss die Regierung alle Websites und Social-Media-Kanäle des öffentlichen Rundfunks. Zahlreiche Livesendungen und alle TV-Nachrichten am Wochenende wurden ausgesetzt.
Agustín Lecchi macht das Ausmaß klar: "Das öffentliche Radio ist der einzige Sender, der das ganze Land erreicht. Auch Gebiete in Patagonien, in der es nicht mal ein Internetsignal gibt."
Auch Nachrichtenagentur Télam geschlossen
Auf den Websites wird angezeigt, dass es sich um eine Restrukturierung des öffentlichen Angebots handelt, doch eindeutige Informationen fehlen. Einige Regierungsvertreter sprechen von einer Schließung, gleichzeitig liegt dem Senat ein Gesetz vor, das eine Privatisierung vorsieht.
Argentiniens Präsident Javier Milei hatte einen radikalen Umbau des Staates versprochen, um das Land aus der Dauerkrise zu führen. Was hat er in den ersten fünf Monaten erreicht?
von Christoph Röckerath
Bereits im März ließ Milei kurzfristig die größte Nachrichtenagentur Lateinamerikas Télam schließen. Die bereits 1945 gegründete Organisation berichtete auch aus den ländlichen Gebieten in Argentinien. "Er zerstört den Pluralismus der Kommunikation. Die Kommunikation liegt nun in den Händen einiger weniger und das Programm ist vollständig in der Stadt Buenos Aires verankert", so Gewerkschaftler Lecchi.
Offiziell sollen die Maßnahmen Teil der sogenannten "Schocktherapie" sein, die Milei angekündigt hat, um die andauernde Wirtschaftskrise und Inflation zu bekämpfen. Kurz: Es soll Geld gespart werden. Doch Experten bezweifeln das. "Der öffentliche Rundfunk und die Nachrichtenagentur Télam kosten den Staat lediglich 0,017 Prozent des BIP. Wirklich sparen kann er dadurch nicht", sagt Medienwissenschaftler Martín Becerra.
Seit Jahrzehnten leidet Argentinien unter einer Wirtschaftskrise. Der neue Präsident Javier Milei stutzt nun die Staatsausgaben. Die Folge: Steigende Armut und tiefe Rezession.11.05.2024 | 2:42 min
Stattdessen scheinen die Maßnahmen zum Kulturkampf zu passen, den Milei seit seinem Amtsantritt führt - gegen das bisherige Establishment und den "Postmarxismus", zu dem für ihn Konzepte wie die der sozialen Gerechtigkeit gehören. Auch Universitäten sind besonders stark von den Kürzungen betroffen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezeichnet Milei als faul. Journalistinnen und Journalisten hätten, so Milei, das Land in eine Kloake verwandelt.
Javier Milei beleidigt Journalisten auf Social Media
Javier Milei kommuniziert am liebsten direkt über X, ehemals Twitter. An manchen Tagen verbringt der Präsident über vier Stunden auf der Plattform, belegen Messungen. Für Milei sind die meisten Journalistinnen und Journalisten Lügner. Auf X beleidigt er einzelne namentlich. Allein in diesem Jahr wurden in Argentinien schon 60 Journalistinnen und Journalisten körperlich oder verbal angegriffen. Knapp 20 davon wurden direkt vom Präsidenten beleidigt, hat der Journalistenverband FOPEA gezählt.
Javier Gerardo Milei hat einen Plan, um Argentinien aus der Krise zu holen. Doch viele befürchten, der ultralibertäre Präsident stürzt sein Land weiter in die Krise.22.04.2024 | 14:09 min
Die Organisation befürchtet in Folge die Selbstzensur jüngerer Kolleginnen und Kollegen, also dass sie sich bei der Berichterstattung zurückhalten - aus Angst. "Es ist anders als in früheren Jahren. Die meisten Aggressionen, die wir inzwischen in Bezug auf die Meinungsfreiheit in Argentinien erleben, sind mit dem Präsidenten verbunden. Die Selbstzensur ist das Schlimmste, was uns in der journalistischen Praxis passieren kann", sagt Paula Moreno Román vom Journalistenverband FOPEA.
Pressefreiheit: Argentinien im Ranking abgestürzt
Bei Mileis Amtsantritt vor sechs Monaten befand sich Argentinien im weltweiten Pressefreiheitsindex auf Platz 40. Inzwischen ist das Land - im aktualisierten Ranking für 2024 - um 26 Plätze gefallen. Ein Bericht von "Reporter ohne Grenzen" stellte fest, dass Reporter vermehrt "Zielscheibe von Einschüchterung" sind. Und genau das spüren Journalistinnen und Journalisten im ganzen Land.
Atash Aghamoradi berichtet für das ZDF-Südamerika-Studio in Rio de Janeiro über Argentinien.
Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Präsident Milei will mit radikalen Reformen die Konjunktur ankurbeln - auch gegen das Parlament. Er sei "zum Konflikt" bereit.