Russland hat mit Erfolg den Flughafen Mirgorod angegriffen. Ein Rückschlag für die Ukraine. Sie muss vor der Ankunft der F-16 für Verbesserungen auf den Militärflugplätzen sorgen.
Der ukrainische Militärflugplatz Mirgorod ist von Russland angegriffen worden.
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Russland hat am Wochenende den ukrainischen Militärflugplatz Mirgorod erfolgreich angegriffen. Nach den vorliegenden Bildern wurde mindestens eine ukrainische Sukhoi Su-27 zerstört, vier bis fünf weitere Flugzeuge wurden unterschiedlich stark beschädigt. Bestimmte Verluste wurden auch in der offiziellen Mitteilung der Ukraine eingeräumt, wenngleich die Zahlen nicht genannt wurden.
Somit ist klar, dass es sich bei den getroffenen Flugzeugen nicht um Täuschkörper handelte, zumindest nicht bei allen. Russland gelang es, den Flughafen mit einer Langstreckendrohne zu überfliegen, die die Ziele identifizieren konnte und höchstwahrscheinlich auch das Ziel für die kurz darauf eintreffende Rakete markierte.
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... leitet das Programm "Europas Zukunft" für die Bertelsmann Stiftung in Berlin. Er forscht und publiziert seit über 20 Jahren zu den Themenkomplexen Sicherheit und Verteidigung, Rüstung und Technologie, Stabilisierung und Krisenmanagement. Für ZDFheute analysiert er regelmäßig die militärischen Entwicklungen im Ukraine-Konflikt.
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... ist Associate Fellow im Programm Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Er forscht und publiziert zu Streitkräften in Osteuropa und Russland und hybrider Kriegsführung.
Lehren vor der Ankunft westlicher Flugzeugmuster
Zum Einsatz kam eine Iskander-Rakete, die mit einem Streumunitionssprengkopf ausgestattet war. Die Rakete traf genau den Teil des Flughafens, in dem die Sukhoi Su-27 geparkt waren.
Aus dem Angriff lassen sich eine Reihe von Lehren ziehen, sowohl für die Ukraine als auch für den Westen.
Ukraine muss Luftverteidigung ausbauen
Erstens darf man Russlands Fähigkeiten und Fertigkeiten beim Einsatz von Langstrecken-Aufklärungsdrohnen nicht unterschätzen. Der Flughafen befindet sich im südöstlichen Teil der Stadt Mirgorod in der Region Poltawa. Der nächstgelegene Punkt der russischen Grenze ist fast 160 Kilometer entfernt.
Dennoch war eine russische Langstrecken-Aufklärungsdrohne in der Lage, diese Entfernung zu überwinden und die auf dem Flughafen geparkten ukrainischen Sukhoi-Flugzeuge zu finden. Die Lehre daraus ist, dass die ukrainische Luftverteidigung viel stärker ausgebaut werden muss, wenn Kiew russische Langstrecken-Aufklärungsdrohnen aus seinem Luftraum fernhalten will.
"Jetzt geht es den Russen eher darum, solange die Angriffe noch relativ einfach sind, weil die amerikanische Hilfe noch nicht da ist, soviel Boden wie möglich gut zu machen", sagt Sicherheitsexperte Christian Mölling zur Lage in der Ukraine.14.05.2024 | 5:26 min
Frontnahe Flughäfen fallen aus
Zweitens war dies nicht der erste gezielte russische Angriff tief in die Ukraine. Moskau hat bereits einige Male bewiesen, dass es in der Lage ist, Ziele weit jenseits der ukrainischen Frontlinie zu finden und zu treffen.
Daher ist es schwer zu verstehen, warum die ukrainische Militärführung beschlossen hat, ihre wertvollen Sukhoi Su-27 so nah Frontlinie zu stationieren. Auf jeden Fall muss die Ukraine nach diesem Angriff die Nutzung des Flughafens Mirgorod einschränken, wahrscheinlich für immer.
Laut Experten mehren sich Anzeichen, dass ein F-16-Einsatz in der Ukraine bevorsteht. Der Jet sei verlässlich. Er fordere aber einen hohen Ressourcenaufwand, so Oberst Reisner. 13.06.2024 | 15:56 min
Tarnung und Schutz von hoher Wichtigkeit
Die dritte und wahrscheinlich wichtigste Lektion ist, dass die Flugzeuge in Mirgorod unter freiem Himmel stationiert waren: nicht in gehärteten Bunkern, nicht in unterirdischen Lagern, es wurden nicht einmal Erdwälle um ihre Abstellplätze errichtet. Die Flugzeuge waren nicht einmal mit einem Tarnnetz versehen.
Es ist sowohl überraschend als auch entmutigend, dass nach zwei Jahren Krieg viele der verbliebenen ukrainischen Kampfflugzeuge immer noch ohne jede Schutzmaßnahme abgestellt waren.
Ob dies eine Folge von Nachlässigkeit, Unachtsamkeit oder schierer Unkenntnis war, muss die bevorstehende Untersuchung klären.
Dringende Umsetzung der Lehren nötig
Die daraus gezogenen Lehren müssen jedoch unbedingt umgesetzt werden, bevor die ersten F-16 in die Ukraine entsandt werden. Die F-16 werden für Russland sowohl aus militärischen als auch aus politischen Gründen ein wichtiges Ziel sein.
... gehört zu den leistungsfähigsten Militärjets weltweit und kommt in mehr als zwei Dutzend Ländern zum Einsatz. Die Maschinen der US-Firma Lockheed können sowohl in der Luftverteidigung als auch gegen Ziele am Boden eingesetzt werden, also zum Zurückdrängen feindlicher Verbände. Die F-16 ist in der Lage, auch in extrem niedriger Höhe und bei jedem Wetter zu fliegen. Der erste Prototyp stieg 1974 in die Luft, 1979 ging die F-16 bei der US-Luftwaffe in Dienst. Aktuell werden mehr als 2.800 Exemplare eingesetzt. Die USA sind als Herstellerland in einer zentralen Rolle, sie müssen jeder Lieferung oder Weitergabe in die Ukraine zustimmen.
Bei den US-Streitkräften sind nach Zählung des Fluginformationsportals Flight Global aktuell 936 F-16-Maschinen im Einsatz, davon fast ein Fünftel zu Trainingszwecken.
Beim Bau der Militärjets setzten die USA auch auf Kooperationen mit europäischen Partnern - anfänglich waren das Belgien (heute 52 F-16 im Einsatz), die Niederlande (29), Dänemark (43) und Norwegen. Letztere haben ihre Maschinen inzwischen ausgemustert und zum Teil nach Rumänien weiterverkauft (17). Unter den vormaligen Ostblockstaaten setzen auch Polen (48) und Bulgarien (16 Bestellungen) auf die Flieger aus US-Produktion. Unter den Nato-Partnern haben die Türkei (243) und Griechenland (153) die größten F-16-Bestände. Portugals Luftwaffe verfügt über 25 dieser Jets.
Unter den US-Verbündeten in Nahost verfügt Israel mit aktuell 224 F-16 über den größten Bestand, gefolgt von Ägypten (218). Weitere Nutzer sind die Vereinigten Arabischen Emirate (76), Oman (23), Jordanien (59), Irak (34) und Bahrain (21). Als einziges afrikanisches Land ist Marokko mit 23 F-16-Maschinen ausgerüstet.
In Asien verfügt Südkorea über 167 F-16-Militärjets, Taiwan über 136. Die Streitkräfte in Pakistan (75), Singapur (60), Thailand (50) und Indonesien (32) nutzen die Maschinen ebenso wie in Südamerika die Länder Chile (46) und Venezuela (20). Quelle: dpa, Flight Global
Sollten einige oder mehrere F-16 auf die gleiche Weise wie die Sukhoi Su-27 am Boden zerstört werden, würde dies einen schweren Schlag für die Glaubwürdigkeit der Ukraine bedeuten. Es würde das Vertrauen erschüttern, dass die Ukraine tatsächlich in der Lage ist, diese Flugzeuge effektiv zu betreiben.
Wenn dieses Vertrauen erst einmal verloren ist, lässt es sich nur sehr schwer wiederherstellen.
Belgien hat der Ukraine die Lieferung von 30 F-16-Kampfjets bis 2028 zugesichert. 28.05.2024 | 0:23 min
Alles in allem kann es sich die Ukraine kaum leisten, jemals wieder ein Kampfflugzeug so leichtfertig zu verlieren. Man kann nur hoffen, dass die erforderlichen Befestigungsarbeiten auf den Luftwaffenstützpunkten, die die F-16 beherbergen werden, bereits abgeschlossen sind.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.