Harris greift Trump wegen strenger US-Abtreibungsgesetze an

    Nach Tod von zwei Schwangeren:Harris greift Trump beim Thema Abtreibung frontal an

    Anna-Kleiser vor dem US-Kapitol
    von Anna Kleiser, Athens (Georgia)
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    Im US-Bundesstaat Georgia sind laut einem Bericht zwei Frauen an "vermeidbaren" Folgen einer Abtreibung gestorben. Kamala Harris macht dafür offensiv Donald Trump verantwortlich.

    Kamala Harris bei Wahlkampfveranstaltung in Atlanta, Georgia
    Harris macht nach dem Tod von zwei Schwangeren Trump für eine "Gesundheitskrise" in den USA verantwortlich.
    Quelle: AFP

    Als das US-Medium "ProPublica" erstmals über den Tod zweier Frauen im Zusammenhang mit ihrer Abtreibung berichtet, dauert es nicht lange, bis sich Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris dazu äußert.
    Das hat mindestens zwei Gründe: Erstens ist der Kampf für Abtreibungsrechte ihr Thema und zweitens starben die Frauen in Georgia, einem umkämpften Swing State bei der Präsidentschaftswahl.
    Zwei Frauen liegen sich lachend in den Armen
    Das Oberste Gericht der USA hat das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. ZDFheute live spricht mit Reporterin Alexandra Hawlin in Washington und Frauenrechtlerin Anne Wizorek.24.06.2022 | 27:24 min

    Demokraten machen Trump verantwortlich

    Es sei "genau das eingetroffen", was man befürchtet habe, als das landesweite Recht auf Abtreibung in den USA abgeschafft wurde, so Harris. Sie und einige Demokraten benennen dafür einen Schuldigen: Donald Trump.

    Frauen sitzen blutend auf Parkplätzen, werden von Notaufnahmen abgewiesen, verlieren die Fähigkeit, jemals wieder Kinder zu bekommen. […] Und jetzt sterben Frauen. Das sind die Folgen von Donald Trumps Handlungen.

    Kamala Harris, Vizepräsidentin USA

    Im Wahlkampf spricht sie immer wieder von "Trumps Abtreibungsverbot", da er den Supreme Court so besetzt habe, dass 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung abschafft wurde. Seither haben 21 Bundesstaaten den Zugang eingeschränkt oder Abtreibung verboten.
    Abtreibungsrecht in den USA (Karte)
    ZDFheute Infografik
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    Trump selbst hat sich nicht direkt zu den Berichten geäußert. Sein Team macht das Krankenhaus für den Tod einer Frau verantwortlich. Es sei demnach nicht klar, warum nicht schnell gehandelt wurde, um ihr Leben zu retten.

    Bericht: Erstmals Todesfälle in Zusammenhang mit Abtreibung

    Laut den Recherchen von "ProPublica" stufte ein staatliches Gremium in Georgia den Tod der zwei Frauen im Zusammenhang mit ihrer Abtreibung als "vermeidbar" ein. Die Fachleute geben den herrschenden Gesetzen Mitschuld.

    Der erste öffentlich gewordene Fall ist der von Amber Nicole Thurman. Bei der 28-jährigen Mutter kam es demnach nach der Einnahme von Abtreibungspillen zu seltenen Komplikationen, da sich nicht das gesamte Gewebe aus dem Uterus gelöst hatte. Die Medikamente hatte sie in einem Nachbarstaat bekommen, zurück in Georgia kam es zu den Komplikationen.

    Thurman sei mit einer Sepsis ins Krankenhaus gegangen, die notwendige Behandlung (Abschabung) wurde erst 20 Stunden später durchgeführt. Sie starb bei der Not-OP. Nach den Recherchen von "ProPublica" kam das staatliche Gremium für Müttergesundheit zu dem Ergebnis, dass ihr Tod "vermeidbar" gewesen sei. Das Krankenhaus äußert sich nicht öffentlich.

    Im zweiten Fall starb demnach die 41-jährige Mutter Candi Miller, weil sie aus Sorge vor dem Abtreibungsverbot keine ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Die Mutter von drei Kindern hatte Lupus, Diabetes und Bluthochdruck und wusste, dass eine Schwangerschaft für sie tödlich enden könnte.

    Auch bei ihr kam es nach der Einnahme von Abtreibungspillen zu Komplikationen. Miller sei nicht in die Klinik gegangen und habe zu Hause eine tödliche Kombination von Schmerzmitteln eingenommen. Die genaue Todesursache ist unklar, doch auch ihren Tod halten Fachleute im staatlichen Gremium laut "ProPublica" für "vermeidbar" und gaben dem Abtreibungsverbot des Staates die Schuld.

    Quelle: ProPublica

    Sängerin Taylor Swift und Camilla Harris
    Taylor Swift spricht sich im US-Wahlkampf eindeutig für Kamala Harris aus.11.09.2024 | 2:01 min
    Beide Fälle ereigneten sich 2022. Dem Jahr, in dem Georgia ein Gesetz verabschiedet wurde, das Abtreibung nach der 6. Schwangerschaftswoche mit wenigen Ausnahmen verbietet. Das Gesetz stellt zudem die Ausschabung der Gebärmutter für medizinisches Personal unter Strafe - und sieht dabei nur wenige Ausnahmen vor. Fachleute warnten, dass die Vorgaben vage und schwer zu interpretieren seien.
    Frauen, die dennoch einen Abbruch vornehmen wollen, sind seither gezwungen, entweder den Bundesstaat dafür zu verlassen, oder sie beschaffen sich selbst die Medikamente, um den Abbruch einzuleiten.
    Amerikanische Flagge vor einem Gebäude und das gelbe aj-a
    Die USA sind so polarisiert wie selten zuvor. Entzweit in politische Lager. In 40 US-Staaten kann eine Partei kompromisslos durchregieren. Die Republikaner oder die Demokraten. 18.07.2024 | 29:14 min

    Harris: Trump ist Architekt der Gesundheitskrise

    Am Freitag flog Harris nach Atlanta und beschuldigte in einer leidenschaftlichen Rede die Republikaner, mit den Verboten unnötiges, vermeidbares und vorhersehbares Leid zu verursachen. Sie kritisierte, dass Frauen dann nur medizinisch versorgt würden, wenn akut Gefahr um ihr Leben bestünde.

    Es ist eine Krise im Gesundheitssystem und Donald Trump ist der Architekt dieser Krise.

    Kamala Harris

    Vor Harris berichtete eine Gynäkologin davon, wie sich die Verbote auf ihre Arbeit auswirken. Viele Kolleginnen würden in andere Bundesstaaten abwandern, in denen ihnen nicht Gefängnis drohe. Die Versorgung leide darunter.

    Ich sehe die Angst in den Augen meiner Patientinnen. Ich sehe Frauen, die den Staat verlassen, um die nötige Behandlung zu bekommen, und solche, die dazu nicht in der Lage sind.

    Keisha Reddick, Gynäkologin aus Savannah, Georgia

    Donald Trump während einer Super Tuesday election night watch party im Mar-a-Lago Club in Palm Beach, Florida.
    Donald Trump fordert die amerikanische Demokratie heraus und macht keinen Hehl aus seinen Plänen.12.09.2024 | 44:33 min
    Harris ist mit ihrer Beschreibung einer Krise für Frauengesundheit nicht allein. Professorin Sara Rosenbaum von der George Washington Universität sagte ZDFheute, dass schwangere Patientinnen für Notaufnahmen in restriktiven Bundesstaaten zu "radioaktivem Material" geworden seien.

    Die Angst vor einer strafrechtlichen Verfolgung wiegt eindeutig schwerer als die Sorge vor einer Geldstrafe wegen Unterversorgung.

    Professor Sara Rosenbaum, George Washington Universität

    Rosenbaum sagt, sie habe schon 2022 ihrer Tochter geraten, im Falle einer ungewollten Schwangerschaft einen Bundesstaat mit Abtreibungsverboten sofort zu verlassen.
    Zwei Frauen liegen sich lachend in den Armen
    Das Oberste Gericht der USA hat das landesweite Recht auf Abtreibung gekippt. ZDFheute live spricht mit Reporterin Alexandra Hawlin in Washington und Frauenrechtlerin Anne Wizorek.24.06.2022 | 27:24 min

    Wahlkampfthema im entscheidenden Swing State

    In Georgia ist Abtreibung zu einem der wichtigsten Themen für die Wählerinnen und Wähler geworden. Laut einer aktuellen Umfrage ist in dem Bundesstaat eine breite Mehrheit dagegen, Abtreibung zu kriminalisieren, bevor der Fötus lebensfähig ist - das sagen 62 Prozent der Republikaner und 83 Prozent der Demokraten.
    Daher reagieren viele Frauen, mit denen wir in Georgia sprechen, empört auf die Nachricht der zwei Todesfälle. Für einige von ihnen ist der Zugang zu Abtreibung wahlentscheidend. Sie wollen Harris wählen.

    Es ist absolut verwerflich, dass Gesetze erlassen wurden, die den Frauen und ihren Ärzten die Möglichkeit nehmen, medizinisch notwendige Eingriffe vorzunehmen.

    Cathrine Evans, 45, Anwaltsgehilfin in Athens

    Es ist so frustrierend. Frauen sollten selbst über ihren Körper bestimmen können.

    Jakayia, 20, Studentin in Fort Valley

    Auch in Georgia steht für die meisten Wähler fest, wen sie wählen wollen. Im Kampf um die wenigen Unentschlossenen wird kommende Woche der republikanische Vizekandidat JD Vance in Georgia Wahlkampf machen. Sein Thema ist ein anderes: die Wirtschaft.
    Anna Kleiser ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington D.C.

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