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Analyse
Partei in Europa isoliert:AfD: Der französischen Rechten zu radikal?
von Luis Jachmann
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Kurz vor der Europawahl beenden die französischen Rechtspopulisten die Zusammenarbeit mit der AfD. Auch ein Schritt, um in Frankreich gemäßigter zu erscheinen?
Auf dem Landesparteitag in Sachsen hätte AfD-Chef Chrupalla „erklärt, dass man praktisch nichts falsch gemacht habe“ und dann den Zusammenhalt beschworen, so Shakuntala Banerjee.24.05.2024 | 3:30 min
30 Kilometer westlich von Saarbrücken steht eines von zwei französischen Kohlekraftwerken, die zeitweise Energie produzieren. Noch, denn wie es im Moseltal für die rund einhundert Beschäftigten weitergeht, ist offen. Ein Projekt der französischen Regierung, dort bald Wasserstoff herzustellen, ist ins Stocken geraten.
Jordan Bardella, der EU-Spitzenkandidat des Rassemblement National (RN), weiß um diese Brisanz. Im Europawahlkampf besucht der französische Politiker die Beschäftigten, macht fleißig Selfies mit ihnen. Und er wettert gegen die Energiepolitik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron: "Der französische Präsident hat seine Versprechen nicht eingehalten. Er schließt Kohlekraftwerke, um klimaneutral zu werden. Wenn es dann ein nachhaltiges Projekt gibt, setzt er es nicht um."
Rassemblement National in Umfragen vorn
In allen französischen Umfragen liegt Bardellas Partei weit vor der Spitzenkandidatin des Regierungslagers. Fünf Jahre saß der 28-Jährige mit der AfD in der Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) im EU-Parlament zusammen. Jetzt, kurz vor der Europawahl, hat die Fraktion alle neun AfD-Europaabgeordneten ausgeschlossen.
"Die AFD steht alleine rechts außen in der Ecke und keiner will etwas mit ihr zu tun haben", so Ulf Roeller zum Ausschluss der AfD-Mitglieder aus der ID-Fraktion im EU-Parlament.24.05.2024 | 1:40 min
Dabei teilen die AfD und der RN inhaltlich viele Positionen - bis heute: etwa eine Abkehr vom europäischen Energiemarkt, mehr Atomenergie und eine strikte Einwanderungspolitik in der Europäische Union. Beim Wahlkampfauftritt im Moseltal fordert Bardella ein "Ende des erschreckenden Vormarsches des Islamismus und von Parallelgesellschaften".
AfD und RN: Politologin sieht viele Überschneidungen
Die deutsche Politologin Jeanette Süß sagt: "In der großen Erzählung über Europa gibt es weiterhin sehr viele Überlappungen. Insbesondere die Vorstellung eines Europas der Nationen als loser Bund souveräner Staaten".
Warum also geht der RN medienwirksam auf maximalen Abstand zur AfD? Schon seit Monaten rumorte es zwischen beiden Parteien. Die französischen Rechtspopulisten reagierten fassungslos auf das Potsdamer Geheimtreffen, bei der AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer auch über die Abschiebung von Deutschen mit Migrationshintergrund diskutierten.
Europa kurz vor der Wahl: Die EU-Spitzenkandidaten treffen sich zum letzten TV-Duell. Gleichzeitig werden die AfD-Abgeordneten aus der ID-Fraktion ausgeschlossen.23.05.2024 | 2:48 min
RN forderte von AfD Distanzierung
Im Februar traf Marine Le Pen die AfD-Spitze zum Krisentreffen in Paris: von völkischen Gedanken solle sich der deutsche Partner distanzieren. Weitere Skandale folgten: erst Spionagevorwürfe gegen einen Mitarbeiter von Maximilian Krah; dann verharmloste der EU-Spitzenkandidat der AfD in einer italienischen Zeitung Verbrechen der SS im Zweiten Weltkrieg.
Nach dem Ausschluss aus der EU-Fraktion hat die AfD mit dem RN nicht nur einen wichtigen Partner verloren:
Die rechte ID-Fraktion hat den Ausschluss aller Europa-Abgeordneten der AfD beschlossen. ZDF-Korrespondent Ulf Röller und ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee berichten.23.05.2024 | 2:53 min
RN: Abgrenzung von AfD alternativlos?
Sichtlich genervt hatte RN-Politiker Jordan Bardella auf ZDF-Nachfrage noch Mitte Mai alle Fragen zur AfD abgeblockt. Der Bruch mit dem langjährigen deutschen Partner ist der Partei von Marine Le Pen schwergefallen. Am Ende erscheint er aus machttaktischen Gründen alternativlos.
Es scheint, als sei die Rhetorik der AfD dem RN zu radikal geworden. Denn seit ein paar Jahren arbeiten Le Pen und Bardella in Frankreich an einem gemäßigteren Image. Das Ziel: neue Wählergruppen rechts der Mitte erschließen. Menschen, die mit Macrons Politik unzufrieden sind. Der französische Politikwissenschaftler Benjamin Morel analysiert:
Wenn man sich im Moseltal unter den RN-Anhängern umhört, dominieren zwei Themen: Sicherheit und Migration. Bardellas Europakampagne trifft damit ihren Nerv. Der deutsche Ballast ist indes abgeworfen.
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