AfD-Parteitag wählt Weidel und Chrupalla: Zoff war gestern?
Analyse
Duo aus Chrupalla und Weidel:AfD-Parteitag: Zoff war gestern?
von Julia Klaus
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Die AfD hat sich auf ihrem Parteitag in Essen ungewohnt harmonisch gezeigt - und ihre Doppelspitze klar bestätigt. Doch wichtige Entscheidungen stehen noch an.
Neuer AfD-Bundesvorstand: Tino Chrupalla und Alice Weidel bleiben als Doppelspitze.
Quelle: dpa
Es waren blumige Worte der alten und neuen AfD-Vorsitzenden. Tino Chrupalla umschwärmte Alice Weidel als seine "geliebte Co-Sprecherin", Weidel sprach von ihrem "geliebten Tino Chrupalla". Das Führungsduo der AfD setzte beim Parteitag in Essen auf Harmonie und formulierte für sich und die Wahlen im Osten hohe Ziele: Weidel will "Brandmauern abreißen", Chrupalla mit starken Ergebnissen "die CDU zwingen, nach den Wahlen mit uns zu reden" und mit der AfD "irgendwann auch deutschlandweit stärkste Kraft" werden.
Die rund 600 Delegierten wählten am Samstag recht zügig einen neuen Bundesvorstand, in dem Weidel als einzige Frau sitzt. Danach sagte sie zunächst: "Wir sind als Partei gegen eine Quote, ich persönlich bin es auch." Im ZDF heute journal ergänzte sie am Sonntag: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, je höher der Frauenanteil ist, desto besser ist es auch für das Arbeits- und Betriebsklima in Gremien."
Trotz des Ausschlusses der AfD aus der ID-Fraktion im EU-Parlament drücke Weidel "dem Rassemblement in Frankreich die Daumen", so die Parteivorsitzende über die Wahl in Frankreich.30.06.2024 | 8:13 min
Der neue Vorstand ist in Teilen der alte und setzt sich aus unterschiedlichen Strömungen zusammen. Auch drei Mitglieder des vor dem Parteitag besonders aktiven Netzwerks um Sebastian Münzenmaier sind dabei.
Posten des Generalsekretärs - vielleicht beim nächsten Mal
Die Gruppe um den stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion besteht aus Männern in ihren 30ern, die Karriere machen und die Partei deshalb professioneller aufstellen wollen, wie sie betonen. Endlosdebatten und Personalquerelen passen nicht dazu, finden sie. Am Samstag gelang es ihnen, dass die vorab festgelegte Personalliste weitgehend durchging. Am Sonntag hingegen fuhren sie eine Niederlage ein.
Die AfD-Doppelspitze wurde trotz des skandalreichen Europawahlkampfs klar wiedergewählt. Zu den Hintergründen ZDF-Reporterin Nicole Diekmann.29.06.2024 | 1:13 min
Ein im Vorfeld vieldiskutierter Antrag über den neu zu schaffenden Posten eines Generalsekretärs wurde an einen Ausschuss überwiesen und somit nicht behandelt. Antragsteller Damian Lohr, der Teil des Münzenmaier-Netzwerks ist, begründete das gegenüber ZDF frontal so:
Er werde die Zeit bis zum nächsten Parteitag nutzen, um für die Strukturreform zu werben.
Auf dem Bundesparteitag der AfD wurde das Spitzenduo Weidel/Chrupalla bestätigt. Bereits im Vorfeld gab es in Essen massive Proteste gegen die rechtsradikale Partei. 29.06.2024 | 1:36 min
Wird die AfD Teil einer neuen Rechtsaußenfraktion mit Orban?
Eine Entscheidung traf der neue Vorstand dagegen zum Thema Europa:
Der Schritt war erwartet worden. Die AfD war bereits aus ihrer ID-Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen worden. Ihr Spitzenkandidat Maximilian Krah hatte die SS verharmlost, was selbst dem französischen Rassemblement National zu radikal war. Die AfD war seitdem nicht mehr in der ID-Fraktion, aber noch in der Partei. Die Frage steht nun an, ob und welcher Gruppe sie sich anschließt.
Am Sonntagnachmittag hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban die Gründung einer neuen Rechtsaußen-Fraktion im Parlament angekündigt. Innerhalb der AfD sei man über diesen Schritt zwar informiert gewesen, wie es aus Parteikreisen heißt. Doch die AfD hält sich erst einmal offen, ob sie den "Patrioten für Europa" beitritt. Der AfD-Delegationsleiter René Aust sagte ZDF frontal dazu: "Es ist alles im Fluss. Es werden spannende zwei Wochen." Am 16. Juli konstituiert sich das EU-Parlament, bis dahin sollten die Fraktionen gebildet sein.
Auf dem Parteitag in Essen zeichnet AfD-Chefin Alice Weidel ein düsteres Deutschland-Bild. Doch den "Kontrollverlust", den Weidel beschwört, gibt es so nicht. Ein Faktencheck.
von Kevin Schubert
Faktencheck
Krah ließ sich nicht blicken, Höcke blieb im Hintergrund
Ein Antrag, der zu einem Scherbengericht über Krah und den AfD-Europawahlkampf hätte werden können, wurde zurückgezogen. Krah, der aus der AfD-Delegation ausgeschlossen bleibt, ließ sich in Essen auch nicht blicken.
Ebenfalls kaum sichtbar in der Grugahalle war der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke, der kürzlich wegen einer verbotenen SA-Parole zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Hatte Höcke Parteitage in der Vergangenheit oft mit Absprachen dominiert, scheint er sich derzeit auf die Landtagswahl in seinem Bundesland zu konzentrieren.
Aktivisten blockieren Straßen, die Polizei sichert die AfD-Veranstaltung in Essen ab.29.06.2024 | 1:46 min
Resolutionen zu Russland und zur Außenpolitik
Eine von Höcke unterstützte Resolution über das Verhältnis zu Russland ging am Sonntag aber durch. Darin heißt es, in einer multipolaren Welt biete man "allen Ländern Partnerschaft auf der Basis gegenseitigen Respekts" an. "Pseudomoralisch begründeten Moralismus" lehne man ab. Kurzum: Reden solle man mit allen.
Gestrichen wurde ein Satz, der wohl doch zu sehr nach Russland-Sprech klang. "Die Anerkennung von berechtigten Sicherheitsbedürfnissen ist dabei erkennbar in deutschem Interesse." Präsident Wladimir Putin betont immer wieder, der Westen müsse russische Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigen.
Eine weitere Resolution zur Außenpolitik, die unter anderem Weidel unterstützte, verurteilt zwar den russischen Angriff auf die Ukraine. Doch weiter heißt es, die "Außenpolitik verschiedener westlicher Staaten der vergangenen Jahre" habe "die Eskalation in der Ukraine begünstigt".
In Essen demonstrieren zehntausende Menschen gegen den AfD-Parteitag. Während die Demos meist friedlich blieben, kam es auch zu Gewalt zwischen Polizei und Demonstranten. Dabei wurden 28 Beamten verletzt, einer davon schwer.
Die AfD erlebte in Essen keine Chaostage, sondern wählte Personal weitgehend nach Vorabsprachen und verschob schwierige Punkte in Ausschüsse. Die einen nennen es Professionalisierung - andere könnten kritisieren, dass die AfD damit mehr wie jene "Altparteien" wird, die sie so harsch kritisiert.