Brief an Assad: AfD wollte Syrer mit Moskaus Hilfe abschieben
Brief an Diktator Assad:AfD wollte Syrer mit Moskaus Hilfe abschieben
von A. Bühler, D. Gebhard, F. Klauser, U. Stoll
|
Bereits 2018 hatten AfD-Politiker konkrete Pläne, syrische Flüchtlinge zurück ins Bürgerkriegsland abzuschieben. Interne Dokumente zeigen, wie Russland dabei helfen sollte.
Bereits 2018 hatte eine AfD-Delegation dem syrischen Diktator Bashar al-Assad vorgeschlagen, nach Deutschland geflohene Syrer in das Bürgerkriegsland "zurückzuführen".23.01.2024 | 6:50 min
Der Brief an den syrischen Diktator stammt vom 11. Oktober 2018. Fünf AfD-Abgeordnete bitten Baschar al-Assad um eine persönliche Audienz, um die "geordnete Rückführung von Syrern" zu besprechen. Die AfD wolle "gegenseitig nützliche Beziehungen mit Russland und seinen Verbündeten", heißt es in dem Schreiben, das ZDF frontal vorliegt. Die Geflüchteten sollten zunächst nach Russland gebracht werden, um dort "für bestimmte Gewerbe qualifiziert zu werden, die in Syrien gebraucht würden", heißt es weiter im Brief der AfD-Politiker.
Syrien ist 2018 "ein Staat, in dem reihenweise Leute weiterhin verschwunden sind", sagt Bente Scheller, Nahost-Expertin der Heinrich-Böll-Stiftung: "Das Regime hatte 2018 schon weite Teile des Landes wieder unter seine Kontrolle gebracht. Es war weiterhin ein Regime, das mit harter Hand Staatsbürgerinnen und Staatsbürger verfolgt und verhaftet hat, nur um Geld von Familien erpressen zu können", betont die Syrien-Expertin gegenüber dem ZDF.
Im nordrhein-westfälischen Eitorf wurde gegen die AfD protestiert. Gleichzeitig ging es bei einem Bürgertreff der AfD unter anderem um das Thema "Remigration".23.01.2024 | 2:25 min
AfD-Brief an Diktator Assad
Der damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Waldemar Herdt war Anfang Oktober 2018 nach Moskau gereist, um mit Duma-Abgeordneten und Vertretern des Assad-Regimes zu sprechen. Das belegen Dokumente seiner russischen Gesprächspartner, die ZDF frontal vorliegen. Herdt soll demnach angeboten haben, eine russisch-deutsche Organisation zu gründen, um über die Menschenrechtslage auf der russisch besetzten Krim im Sinne Russlands zu berichten.
Diese Organisation sollte ein Gegenpol zur ukrainischen "Krim-Menschenrechtsgruppe" sein. Herdt soll der syrischen Regierung eine Kooperation mit der AfD angeboten haben, um einen Durchbruch beim Abbau der westlichen Sanktionen gegen Syrien und Russland zu erreichen.
In ganz Deutschland gehen hunderttausende Menschen auf die Straßen, um gegen die AfD zu protestieren. Rückt ein Parteiverbotsverfahren näher?21.01.2024 | 3:58 min
Expertin nennt AfD-Aussagen "ignorant"
Harald Weyel war einer der Unterzeichner des Briefes an Assad. "Es ging immer nur um die freiwillige Rückkehr und darum, das attraktiv und sinnvoll zu machen", sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete heute gegenüber ZDF frontal: "Nämlich dass die Leute zurückkehren mit Fähigkeiten und im Rahmen eines Programms, was Ausbildung und Migration verbindet."
"Eine absolut ignorante Aussage" nennt das Syrien-Kennerin Bente Scheller.
Interne Lageberichte des Auswärtigen Amtes beschreiben die Lage ähnlich - bis heute:
"Der Frust in der Bevölkerung ist groß", so Manuela Schwesig, SPD-Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern. Das sei trotzdem kein Grund dafür, die AfD zu wählen.22.01.2024 | 5:56 min
Doppelbotschaft zur "Remigration"
AfD-Vertreter sinnieren seit langem über Abschiebungen von Millionen Migranten aus Deutschland. Jüngst wurde durch Recherche von Correctiv das Treffen des "Düsseldorfer Kreises" in Potsdam bekannt, bei dem AfD-Politiker und Rechtsextremisten zusammenkamen, um über einen Plan zur millionenfachen "Remigration" auch von deutschen Staatsbürgern zu diskutieren. Die AfD-Führung bezeichnete daraufhin das Treffen als private Veranstaltung und ging auf Distanz zu einem Referenten von Parteichefin Weidel, der in Potsdam dabei war. Alice Weidel betonte, Ziel der AfD sei lediglich "die Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel" bei der Zurückdrängung der Migration.
In Eitorf wollen AfD-Politiker über die sogenannte Remigration reden. Das Thema hatte zuletzt große Proteste gegen die AfD ausgelöst. ZDF-Korrespondent Heiko Rahms berichtet. 23.01.2024 | 0:54 min
"Die AfD kommuniziert nach solchen Skandalen regelmäßig mit einer Doppelbotschaft und mit verteilten Rollen", erklärt der Rechtspopulismus-Experte Johannes Hillje. "Die einen relativieren und beschwichtigen, die anderen bestätigen und bekräftigen. Und mit dieser strategischen Ambivalenz will man einerseits an die gesellschaftliche Mitte anschlussfähig bleiben, andererseits das radikale Klientel halten."
Auch Chrupalla bei Treffen des "Düsseldorfer Kreises"
Auch Weidels Co-Parteichef Tino Chrupalla war bei einem Treffen des "Düsseldorfer Kreises" 2021 dabei. Der Veranstalter des Treffens, Gernot Mörig, der in seiner Jugend Leiter des rechtsextremen "Bundes Heimattreuer Jugend" war, schrieb dazu: "Dass sich - unmittelbar nach einem anstrengenden Bundestagswahlkampf - der Bundessprecher der AfD, Tino Chrupalla selbst ins Auto setzt, um vor einem kleinen privaten Kreis völlig unkompliziert und glaubwürdig 'Rede und Antwort’ zu stehen, (...) ist wahrlich nicht selbstverständlich gewesen."
Chrupalla will zum Treffen keine Auskunft geben. Er sei dort privat gewesen.
Das antwortete Chrupalla wörtlich auf Nachfragen von Journalisten.
Eine Petition zum Entzug der Grundrechte des AfD-Politikers Björn Höcke hat über eine Million Unterschriften gesammelt. Ihm wird Verfassungsfeindlichkeit vorgeworfen.16.01.2024 | 2:06 min
Kubitschek: Berliner AfD-Chefin war nicht geschockt
Auch die Berliner AfD-Chefin Kristin Brinker nahm im Juli 2023 an einem Treffen mit dem Rechtsradikalen Martin Sellner teil. Brinkers Parteifreund, der AfD-Spitzenkandidat für die anstehende Europawahl Maximilian Krah sprach auch dort. Brinker ging nach Bekanntwerden ihrer Teilnahme auf Distanz. "Ich war überrascht über die Gesellschaft, die dort war", erklärte Brinker gegenüber dem rbb. Sie sei früh gegangen, "weil ich geschockt war über das Publikum".
Der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek, der auch dabei war, widerspricht Brinker. Sein Schreiben liegt dem ZDF vor: "Sie waren nicht geschockt, sind nicht früh gegangen und haben sich zufrieden und beeindruckt über die Veranstaltung geäußert", schreibt Kubitschek.
Am Wochenende demonstrierten deutschlandweit rund 900 000 Menschen gegen Rechtsextremismus, heute gehen die Proteste weiter. Wie reagiert das politische Berlin auf die Ereignisse?22.01.2024 | 1:30 min
Landesverbände sprechen offen über Abschiebepläne
Brinkers Verhalten sei "der Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen, den eigenen Extremismus, die Verbindungen zum Extremismus zu relativieren, zu leugnen", sagt Rechtsextremismusforscher Johannes Hillje gegenüber dem ZDF.
Während die AfD-Führung immer wieder betont, sie wolle Geflüchtete nur im Rahmen der Gesetze abschieben, sprechen vor allem die östlichen AfD-Landesverbände offen von millionenfacher "Remigration". "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen, millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen", schreibt der Brandenburger Bundestagsabgeordnete René Springer in sozialen Medien.