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Bundesverfassungsgericht prüft:Zwangsbehandlungen auch außerhalb von Klinik?
von Samuel Kirsch
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Ärztliche Zwangsmaßnahmen dürfen nur im Krankenhaus stattfinden. Einige Betroffene empfinden es als belastend, immer wieder in die Klinik zu müssen. Braucht es Ausnahmen?
Die Hürden für medizinische Zwangsmaßnahmen sind sehr hoch. Das Bundesverfassungsgericht prüft nun, ob die Patienten dafür immer in eine Klinik gebracht werden müssen.16.07.2024 | 2:34 min
Ulrike Dengel hat sie gleich mehrfach gemacht: die Erfahrung, gegen ihren Willen medizinisch behandelt zu werden. Die 46-Jährige ist manisch depressiv. In manischen Phasen wurden ihr unter Zwang Medikamente gegen die Krankheit verabreicht.
"Es kam zur Fixierung, weil ich mich strikt dagegen gewehrt habe. Ich wurde dann fixiert. Im Nachhinein musste es sein, bin ich der festen Überzeugung, aber es hat auch Folgeschäden für mich gehabt", erzählt sie.
Zwangsbehandlungen müssen stationär erfolgen
Ärztliche Zwangsbehandlungen von Personen, die wegen einer Krankheit oder einer Behinderung betreut werden, sind rechtlich unter strengen Voraussetzungen möglich. Der Betreuer kann sie beantragen, ein Gericht entscheidet auf Grundlage von Gutachten, ob trotz des entgegenstehenden Willens des Patienten die Behandlung durchgeführt wird, notfalls unter Zwang.
Es geht beispielsweise um Menschen mit einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung, die die Einnahme von dringend benötigten Medikamenten verweigern. Oder um Demenzkranke, die eine Dialyse brauchen, das aber ablehnen.
Für solche ärztlichen Zwangsbehandlungen gilt strikt: Sie dürfen ausschließlich im Krankenhaus, im Rahmen eines stationären Aufenthalts stattfinden, nicht zuhause und auch nicht in Pflegeheimen oder anderen Einrichtungen.
Zwang nur in kontrollierter Umgebung?
Wenn schon Zwang, dann soll die Behandlung in einer professionellen, kontrollierten Umgebung stattfinden, in der auch die Nachsorge sichergestellt ist, so die Überlegung des Gesetzgebers.
sagt Angie Schneider, Expertin für Betreuungsrecht an der Universität Bremen.
Einige Betroffene empfinden es allerdings umgekehrt gerade als zusätzliche Belastung, immer wieder ins Krankenhaus zu müssen, etwa weil sie über längere Zeit Medikamente einnehmen müssen. Sie möchten, wenn schon gegen ihren Willen, dann zumindest lieber ambulant behandelt werden.
Bestehende Regelung ist umstritten
Die ausnahmslose Klinik-Pflicht ist deswegen umstritten, sowohl unter Betreuern, als auch unter Ärzten und Betroffenen. Auch der Bundesgerichtshof hält die Gesetzesvorschrift für zu eng. Die Richterinnen und Richter haben die Frage, ob die Klinik-Pflicht in ihrer jetzigen Form gegen das Grundgesetz verstößt, ihren Kolleginnen und Kollegen des Bundesverfassungsgerichts vorgelegt.
Das verhandelt am heutigen Montag, befragt Expertinnen und Experten und Vertreter von Fachverbänden wie Professor Thomas Pollmächer, Chefarzt am Klinikum Ingolstadt. Er kann sich eine Öffnung für den ambulanten Bereich vorstellen, wenn eine perfekte medizinische Versorgung sichergestellt ist und Patienten nach dem Gerichtsbeschluss die Behandlung doch akzeptieren:
"Das können vor allem Patienten sein, die über längere Zeit Medikamente einnehmen und die zwar grundsätzlich sich dahingehend geäußert haben, dass sie die Medikation nicht wünschen, sie dann aber letztlich doch akzeptieren, wenn sie wissen, sie wird auch gegen meinen Willen notfalls durchgesetzt", betont er.
Hohe Dunkelziffer bei Behandlungen Zuhause?
Der Psychiater Wassili Hinüber von der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie hingegen fürchtet eine Ausweitung von Zwangsbehandlungen, wenn Ausnahmen von der Krankenhaus-Pflicht zugelassen werden.
Betreuungsrechtsexpertin Schneider kann sich einen Mittelweg vorstellen:
Das Bundesverfassungsgericht wird entscheiden, ob der Gesetzgeber tätig werden und Ausnahmen zulassen muss, um einzelnen Betroffenen besser gerecht zu werden. Das Urteil dürfte in einigen Monaten fallen.
Quelle: ZDF
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