Verbände am Welttheatertag: Kunstfreiheit akut bedroht

    Mahnung am Welttheatertag:Verbände: Künstlerische Freiheit akut bedroht

    von Michael Kniess
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    Die Kunstfreiheit ist akut bedroht, wird anlässlich des Welttheatertags gewarnt. Ein Blick auf Herausforderungen, Gefahren und neue Ideen für die Zukunft des Theaters.

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    Was bedeutet es, wenn der Stellenwert von Kultur in Frage steht?31.01.2025 | 39:11 min
    Das SOS-Signal ist eindringlich, deutlich und nicht zu überhören. Gemeinsam mit dem Internationalen Theaterinstitut (ITI) hat der Deutsche Bühnenverein zum diesjährigen Welttheatertag am 27. März die Kampagne #Kunstistfrei gestartet. Beide sehen die künstlerische Freiheit in akuter Gefahr. Auch Künstler aus ganz Europa warnen davor in einem Brandbrief an das Europäische Parlament.

    Budgetkürzungen und inhaltliche Zensur

    Genauso wie PEARLE*, die europäische Dachorganisation der Arbeitgeberverbände der Darstellenden Künste. Diese hat zu Beginn des Jahres ebenfalls darauf hingewiesen, dass europaweit die Freiheit der Kunst aktuell durch gezielte Budgetkürzungen, Entlassungen von künstlerischen Leitern sowie durch inhaltliche Zensur massiv eingeschränkt werde. Auch hierzulande ist die Kunstfreiheit in Gefahr, mahnt der Deutschen Bühnenverein.

    Wir betrachten mit Sorge, dass in Verlautbarungen und Parteiprogrammen zunehmend der Versuch unternommen wird, der Kunst einen Auftrag zu geben und ihr zuschreiben, identitätsbildend sein oder im Sinne einer Leitkultur wirken zu müssen.

    Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin Deutscher Bühnenverein

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    "Natürlich kann Kunst Identität stiften, aber nicht, weil es ihr Auftrag ist, für den sie instrumentalisiert wird, sondern weil es einfach als Wirkung ihrer kreativen Freiheit und Kraft passiert", gibt Schmitz zu bedenken.

    Künstler zunehmend Zielscheibe rechter Gesinnung

    Gerade in Bundesländern, in denen die AfD dominiert, würden sich Anfragen an Theater zu Auslastung oder Inhaltlichem häufen, die darauf zielten, die finanzielle Förderung infrage zu stellen.
    Hinzu kommt, dass das Theater selbst und dessen Akteure immer wieder zur Zielscheibe von rechter Gesinnung werden und tätliche Angriffe erleben. Eine Entwicklung, die für die Theaterlandschaft bedrohlich ist, wie auch Budgeteinsparungen. Claudia Schmitz mahnt:

    Wenn die öffentliche Hand nicht mehr anerkennt, dass sie Verantwortung für das Vorhalten von Kultur im öffentlichen Raum trägt, wird es schwierig.

    Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin Deutscher Bühnenverein

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    Das Kulturprojekt "Urbanatix" im Ruhrgebiet bringt neue Moves auf alte Bühnen. Jugendliche können einfach mittrainieren. Mittlerweile kommen jeden Tag Hunderte.04.06.2024 | 2:32 min
    Sie plädiert dafür, nicht an den Bühnen vorbei, sondern mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie in Zeiten klammer finanzieller Haushalte agiert werden kann, ohne Substanz zu gefährden.

    Kulturauftrag trotz Spardurck: Theater neu denken

    Die Lage ist vielerorts ernst. Einer, der das täglich erlebt, ist Jonas Knecht. Der Regisseur, zuvor Schauspieldirektor in St. Gallen, ist seit der Spielzeit 2024/2025 neuer Intendant des schauspiels erlangen.
    Die Stadt steht aufgrund eines Einbruchs der Gewerbesteuereinnahmen vor einer der größten finanziellen Herausforderungen ihrer jüngeren Geschichte.
    Zwei Frauen stehen vor einem Wahlplakat der Partei "AfD" (Alternative für Deutschland). Das Plakat trägt den Slogan "Fast schon verboten gut!" und zeigt einen Mann (Björn Höcke) mit Sonnenbrille, der selbstbewusst posiert. Im Hintergrund ist das Reichstagsgebäude zu sehen. Zudem steht auf dem Plakat "Der Osten macht's". Im Hintergrund des Bildes sind leere rote Theatersitze und eine Straße mit einem schwarzen Van zu sehen.
    Wie reagiert das Theater auf die aktuellen politischen Veränderungen? Wenn sich Krise an Krise reiht, können Theater ihrer Aufgabe als Orte des Diskurses und der Meinungsbildung besonders gut gerecht werden.23.11.2024 | 37:50 min

    Der Spardruck und die Budgetkürzungen machen den Spagat noch schwieriger: Auf der einen Seite einen Kulturauftrag zu erfüllen, um weiterhin öffentliche Fördermittel bekommen und auf der anderen Seite den verschiedenen Interessen des Publikums gerecht werden.

    Jonas Knecht, Regisseur

    Dem Theater ein neues Gesicht geben, um es mit frischem Wind zukunftssicher zu machen: ein schwieriges Unterfangen in Zeiten leerer Kassen. Dennoch sieht der Theatermacher in der Situation auch Chancen.

    Kunstfreiheit: Grundlage einer freien Gesellschaft

    Die Idee, Theater aus mehreren Ecken zu denken, habe durch die finanzielle Lage nochmal eine ganz neue Dringlichkeit bekommen.
    Die Konzepte für die Zukunft beschäftigen sich mit häuserübergreifenden Ensembles in benachbarten Theatern, um diese beispielsweise mit Puppenspielern, Sängern oder Tänzern breiter aufstellen und damit attraktiver machen zu können. Und um Überlegungen, gleichzeitig Kosten zu sparen sowie den Blick über den Tellerrand - was Orte betrifft, an denen Theater stattfinden kann.
    Kunst zwischen Politik und Gesellschaft
    Die Neue Nationalgalerie in Berlin hat unter dem Titel "Zerreißprobe" Kunst zwischen 1945 und 2000 präsentiert. Im Fokus: DDR-Kunst, Politik und Feminismus in der Kunst.14.11.2023 | 2:47 min
    "Es gilt, vereint die Kunst hochzuhalten", sagt Knecht. "Wir können nicht nur mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit einem sinnlichen Erlebnis niedrigschwellig gesellschaftlich relevante Themen aufgreifen und produktive Diskussionen in Gang setzen." Das SOS-Signal ist für Schmitz deshalb auch ein Appell:

    Die Freiheit der Kunst ist die Grundlage einer freien und vielfältigen Gesellschaft, daher müssen wir für dieses Grundrecht einstehen.

    Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin Deutscher Bühnenverein

    Nicht nur am Welttheatertag. Dafür sei die Lage zu ernst.

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    Quelle: dpa

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