Klimawandel: Wattenmeer verändert sich im Rekordtempo

    Klimawandel:Wattenmeer verändert sich im Rekordtempo

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    Das Wattenmeer erwärmt sich schneller als viele andere Küstengebiete, heißt es in einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts - mit deutlichen Folgen für Küste und Tierwelt.

    Ein Schild mit der Aufschrift ·Vorsicht Jadebusen· steht im Wattboden am Strand von Dangast
    Forscher warnen: Das Wattenmeer erwärmt sich schneller als viele andere Küstengebiete.
    Quelle: dpa

    Das Wattenmeer verändert sich wegen des Klimawandels im Rekordtempo - zu diesem Ergebnis kommt ein umfassender Bericht von rund 30 Forscherinnen und Forschern des Alfred-Wegener-Instituts. Der Klimawandel verändere einen Lebensraum in Gänze in bisher nicht dagewesener Geschwindigkeit, erläutern die Mitautoren Christian Buschbaum und Lisa Shama, die an der AWI-Wattenmeerstation List auf Sylt arbeiten.
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    Auswirkungen auf allen Ebenen

    "Der Klimawandel wirkt auf alle Ebenen des Wattenmeeres ein", so Buschbaum. Temperaturerhöhung und Meeresspiegelanstieg veränderten die Gestalt der Küste und den Transport von Sedimenten. "Das Wattenmeer in der südöstlichen Nordsee erwärmt sich schneller als viele andere gemäßigte Küstengebiete", heißt es im Bericht der Forscher in der Fachzeitschrift "Marine Biodiversity". Die Oberflächentemperatur des Meerwassers sei in den letzten 60 Jahren um fast zwei Grad gestiegen, "was fast dem Doppelten des durchschnittlichen globalen Anstiegs der Ozeane entspricht".

    Das Wattenmeer ist aufgrund seines hohen ökologischen Werts seit 2009 als Unesco-Weltnaturerbe eingestuft. Seit 2014 umfasst das Weltnaturerbe das gesamte Wattenmeer der Nordsee und erstreckt sich fünfhundert Kilometer entlang der niederländischen, deutschen und dänischen Nordseeküste.

    Seiner grenzüberschreitenden Ausdehnung entsprechend unterliegt sein Schutz der Trilateralen Zusammenarbeit (TWSC, Trilateral Wadden Sea Cooperation), in der die Niederlande, Deutschland und Dänemark - vom Gemeinsamen Wattenmeersekretariat (CWSS, Common Wadden Sea Secretariat) unterstützt und koordiniert - zusammenarbeiten.

    Dabei haben laut AWI vorrangig milde Winter und sehr warme Sommertemperaturen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Insbesondere Hitzewellen mit Temperaturen von drei bis fünf Grad über dem Durchschnitt werden demnach häufiger und dauern länger an. Diese physikalischen Änderungen beeinflussten das Vorkommen einzelner Arten im Wasser und am Meeresboden.

    Tierwelt versucht, sich anzupassen

    Manche Spezies wie der Kabeljau seien von den Veränderungen besonders betroffen und litten neben der Erwärmung auch unter Übernutzung. Buschbaum betonte: "Wir beobachten außerdem einen deutlichen Anstieg an eingeschleppten, wärmeliebenden Arten." Diese bedrohten bisher zwar keine heimischen Organismen, führten aber zu einer Veränderung des Lebensraumes.

    Riesige Riffe pazifischer Austern und hektargroße Unterwasserwälder, gebildet von Algen aus Fernost, sind unmittelbar von jedem Wattwanderer zu erkennen.

    Christian Buschbaum, AWI-Forscher

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    Ein Stück weit könnten Wattenmeer-Organismen ihr Verhalten und ihr Erscheinungsbild als Reaktion auf direkte Umweltreize anpassen, erklärte Evolutionsbiologin Shama. Sie seien zum Beispiel zu anderen Zeiten aktiv oder ihre Wachstumsrate ändere sich. Möglich sei auch eine angepasste Fortpflanzung mit mehr Nachwuchs, um mögliche Verluste durch Hitze auszugleichen.
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    Folgen auch für den Menschen

    Das Wattenmeer sei für viele Fisch- und Vogelarten, wie Hering, Austernfischer und Knutt von großer ökologischer Bedeutung, betonte das AWI. Sie nutzten dieses Gebiet mindestens für eine Phase ihres Lebenszyklus, etwa als Kinderstube und Futterplatz und biete jungen Fischen Schutz vor Räubern. Im Zuge des Klimawandels wandern allerdings bestimmte Fischarten polwärts, bodenbewohnende Arten ziehen sich in tieferes und kälteres Wasser zurück.
    Auch für den Menschen hat der Wandel Konsequenzen, wie Buschbaum und Shama erklären. Küstenschutzmaßnahmen und Tourismuskonzepte müssten an sich ändernde Bedingungen angepasst werden. 

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    Quelle: dpa

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