Unterernährtes Mädchen stirbt: Eltern stehen nun vor Gericht
"Skelett mit Haut und Knochen":Abgemagertes Mädchen stirbt: Eltern angeklagt
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Vor zwei Jahren stirbt ein unterernährtes Mädchen daheim in der Obhut ihrer Eltern. Sie wiegt noch 19 Kilo. Nun hat in Schweinfurt der Prozess gegen Mutter und Vater begonnen.
Der 51 Jahre alter Vater und seine 48 Jahre alte Frau müssen sich vor Gericht für den Tod ihrer Tochter verantworten.
Quelle: dpa
Vor dem Landgericht Schweinfurt beginnt der Prozess gegen ein Paar, dessen Tochter vor zwei Jahren an den Folgen einer Unterernährung gestorbe ist.
Zum Prozessauftakt übernehmen Mutter und Vater die Verantwortung für das Geschehen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Eltern vor, keine ärztliche Hilfe geholt haben, obwohl beide annehmen konnten, dass ihre Tochter in Lebensgefahr war.
Beide sind daher wegen versuchten Totschlags, Aussetzung und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Für den Prozess sind insgesamt drei Verhandlungstage angesetzt.
Mutter: Bewerte mein Verhalten im Nachhinein "völlig anders"
"Wir haben uns bis zuletzt nicht vorstellen können, dass Pauline stirbt", sagt der Anwalt des Vaters im Auftrag seines Mandanten am ersten Verhandlungstag. "Ich hatte bis zuletzt gedacht, dass alles wieder gut wird. (...)."
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Auch die Mutter der 16-Jährigen lässt von ihrem Verteidiger zu Prozessauftakt eine Erklärung verlesen. Sie habe die Gefährlichkeit der Situation nicht wahrgenommen. "Natürlich bewerte ich mein Verhalten im Nachhinein völlig anders."
Als Polizei und Notarzt in den frühen Morgenstunden des 19. Dezember 2022 zum Haus der Angeklagten in Unterfranken gerufen werden, finden sie das leblose Mädchen. Der damals eingesetzte Notarzt berichtet:
Von um die 19 Kilogramm bei der rechtsmedizinischen Untersuchung der Leiche ist die Rede.
Die Zahl psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen - und dadurch auch die Nachfrage nach Therapieplätzen - ist durch die Corona-Pandemie deutlich gestiegen.18.07.2023 | 9:12 min
"Ein Skelett mit Haut und Knochen", erzählt ein Kommissar vor Gericht. "Verstörend. (...) Der Körper war komplett ausgezehrt." Der Polizist vermutet, dass die Eltern mit der Situation überfordert waren, sich dem Willen ihres Kindes wohl beugten, nicht in ein Krankenhaus zu wollen.
Wissenschaftlern zufolge ist die Zahl der Jugendlichen mit Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie bundesweit gestiegen - besonders in der Corona-Pandemie.
Vor allem bei 12- bis 17-jährigen Mädchen und Frauen gab es einer Studie der KKH Kaufmännische Krankenkasse zufolge zwischen 2020 und 2021 einen massiven Anstieg um mehr als 30 Prozent.
Einer der Gründe - neben der Pandemie: Sogenannte Fake-Ideale und die Flut von Bildern vermeintlich makelloser Menschen auf Social-Media-Plattformen.
Oberstaatsanwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen Eltern
Nach Worten von Oberstaatsanwalt Markus Küstner war die Jugendliche essgestört und mangelernährt, hatte sich kurz vor ihrem Tod im Dezember 2022 mit dem Coronavirus infiziert und litt an einer Magen-Darm-Infektion.
Besonders Kinder und Jugendliche haben die Isolation in der Pandemie als große Belastung empfunden, wie ein Regierungsbericht im vergangenen Jahr verriet.08.02.2023 | 1:43 min
Der 51 Jahre alte Vater und seine 48 Jahre alte Frau aus Unterfranken sollen trotzdem keinen Arzt verständigt haben. Das psychisch labile Mädchen stirbt im elterlichen Bett - vermutlich an den Folgen der Unterernährung.
Familie lebt während Corona-Pandemie zurückgezogen
Die Mutter weist am ersten Verhandlungstag allerdings zurück, den Tod ihrer Tochter billigend in Kauf genommen zu haben. "Sie hat selbstständig getrunken und auch immer wieder Salzstängchen gegessen", sagt der Verteidiger der Frau.
Die Familie, zu der noch zwei Kinder gehören, habe in der Corona-Pandemie sehr zurückgezogen gelebt. Die 16-Jährige sei damals viel in sozialen Netzwerken unterwegs gewesen und habe ihre Häkelarbeiten präsentiert. Auch habe das Mädchen eine Angststörung gehabt und sich deswegen gegen einen Krankenhausaufenthalt gewehrt, erklärt der Anwalt der Mutter.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt Informationen für Betroffene, Angehörige und Freunde bereit. Unter der Nummer 0221 892031 ist das Beratungstelefon montags bis donnerstags von 10:00 bis 22:00 Uhr sowie freitags bis sonntags von 10:00 bis 18:00 Uhr besetzt.
Auch bei der Nummer gegen Kummer können sich Jugendliche unter der 116 111 montags bis samstags von 14:00 bis 20:00 Uhr melden. Das Elterntelefon ist montags bis freitags von 9:00 bis 17:00 Uhr sowie dienstags und donnerstags bis 19:00 Uhr unter der 0800 111 0 550 erreichbar.