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Türkei: Unglück in Konya:Vierstöckiges Haus stürzt ein
von Carsten Rüger, Istanbul
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Erst ein brennendes Ski-Hotel mit krassen Brandschutzmängeln und vielen Toten, jetzt erschüttert das nächste Bauunglück die Türkei: In Konya stürzt ein mehrstöckiges Haus ein.
Zwei Tote, drei Verletzte: In der türkischen Metropole Konya stürzt ein Wohnhaus ein.
Quelle: ddp
Jetzt besteht traurige Gewissheit: Der Einsturz eines vierstöckigen Wohnhauses in der Metropole Konya in der Türkei hat mindestens zwei Menschenleben gekostet. In der Nacht ist die Freude noch groß, als Feuerwehrleute einen Verschütteten lebend retten können. Die Suchmannschaften hören ein Geräusch aus den Trümmern des Hauses in der Beyşehir Straße 82. Fieberhaft graben sich die Retter durch die Trümmer voran und erreichen nach Stunden den Verschütteten. Der begrüßt den Feuerwehrmann mit den Worten: "Willkommen Bruder! Danke, Bruder, Danke!" Der Freude über diesen Moments folgt die Trauer: Zwei Tote werden aus den Resten des Hauses geborgen.
Was war passiert im zentralen Stadtteil Selçuklu in der Zwei-Millionen-Stadt in Zentralanatolien? Am Abend stürzt das vierstöckige Wohnhaus wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Zwei Menschen können offenbar noch rechtzeitig aus dem Gebäude rennen, nach Stunden können drei weitere verletzt aus dem Schutt gerettet werden. Die Rettungsaktion geht die ganze Nacht über weiter. Am Samstag schließlich bestätigt Innenminister Ali Yerlikaya den Tod der beiden noch Verschütteten. Es handele sich um ein junges Ehepaar.
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Wände und Säule entfernt?
Konya ist eigentlich keine Erdbebenregion, auch über eine Explosion ist bislang nichts bekannt. In Sozialen Medien macht die Vermutung die Runde, dass bei einem Umbau des Gebäudes womöglich die Statik missachtet wurde. Tragende Wände und eine Säule sollen entfernt worden und aus mehreren Räumen einer gemacht worden sein, heißt es.
Konya 2004: Damals stürzt ein 12-stöckiges Apartmentgebäude im gleichen Staddteil Selçuklu ein. 92 Menschen kommen ums Leben.
Quelle: dpa
Was unfassbar erscheint: Genau im gleichen Stadtteil hatte es bereits eine ähnliche Katastrophe gegeben. Viele Menschen in Konya erinnern sich an die Tragödie des Zümrüt-Apartmentgebäudes im Stadtteil Selçuklu: Das zwölfstöckige Gebäude aus dem Jahr 1997 war 2004 aufgrund von Baumängeln eingestürzt. Unter den Trümmern kamen 92 Menschen ums Leben. Die Zümrüt-Katastrophe ging als eine der größten Baukatastrophen der Türkei in die Geschichte ein. Offenbar wurde beim Bau die Qualität des Stahlbetons gemindert und die Anzahl der Stockwerke überschritt die zulässige Anzahl.
Vier Festnahmen
Innenminister Ali Yerlikaya eilte noch am Abend nach Konya und erklärte: Der Grund für das Unglück sei noch unbekannt. Die Rettungskräfte seien jedoch bereits zehn Minuten nach dem Einsturz vor Ort gewesen und hätten die Sucharbeiten begonnen. Die Generalstaatsanwaltschaft von Konya habe eine Untersuchung eingeleitet. Es wird noch dauern, bis konkrete Ergebnisse vorliegen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete von vier Festnahmen, darunter seien die Eigentümer.
Bei einem Brand in einem türkischen Skihotel sind dutzende Menschen gestorben. Drohnenaufnahmen in diesem unkommentierten Video machen die Ausmaße der Zerstörung deutlich.24.01.2025 | 6:56 min
Die Unglücke von Konya stehen zwar in keinem direkten Zusammenhang mit der jüngsten Brandkatastrophe in einem 4-Sterne-Hotel im Skigebiet Kartalkaya mit 78 Toten - dort wurden unzählige Baumängel und Verstöße gegen den Brandschutz aufgedeckt. Aber sie werfen erneut Fragen zur Gebäudesicherheit auf.
Der türkische Experte für Arbeitssicherheit, Afşin Ahmet Kaya, erklärte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": Es gebe genügend Vorschriften. Es gebe keine Gesetzeslücke, sondern eine Aufsichtslücke. "Was in der Türkei vor allem fehlt, ist eine Sicherheitskultur." Ohne sie reichten Gesetze und Strafen nicht aus, um Verhalten zu beeinflussen. Das jetzige Unglück von Konya könnte diese Worte womöglich bestätigen.
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