Tote nach Flut in Spanien: Wer ist schuld am Ausmaß?
FAQ
Mindestens 150 Tote bislang:Flut in Spanien: Wurde zu spät gewarnt?
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Über 150 Menschen sind in Spanien in Folge des Unwetters gestorben - viele werde noch vermisst. Nun rückt die Frage in den Fokus: Wurden die Menschen vielleicht zu spät gewarnt?
Nach den extremen Regenfällen in Spanien mit mindestens 158 Toten fehlt es an vielen Orten weiterhin an Lebensmitteln, Wasser und Strom. Die Behörden stehen in der Kritik, die Bevölkerung zu spät gewarnt zu haben.01.11.2024 | 2:17 min
Was ist die aktuelle Lage nach dem Unwetter?
Das ganze Ausmaß der Schäden durch das verheerende Unwetter im Süden und Osten Spaniens war auch am Donnerstagmittag noch unklar. Bei vielen Menschen wisse man gar nichts über deren Schicksal, sagte die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles.
In der besonders stark betroffenen Mittelmeerregion Valencia, in der 92 Tote gefunden wurden, soll nun das Militär gezielt in den Ortschaften Paiporta und Masanasa nach Menschen in Not suchen. Dutzende Menschen gelten noch als vermisst.
Schwer getroffen von den heftigen Regenfällen sind auch andere bei Touristen beliebte Regionen am Mittelmeer wie Andalusien und Murcia sowie Kastilien-La Mancha im Landesinnern.
In Spanien war die Region Valencia besonders von den schweren Unwettern betroffen. Über die aktuelle Lage vor Ort berichtet ZDF-Korrespondentin Susana Santina. 01.11.2024 | 1:33 min
Kamen die Warnungen des Zivilschutzes zu spät?
In Spanien rückt nun die Frage in den Fokus, ob die Behörden früh genug vor der Gefahr gewarnt haben.
Die nationale Wetterbehörde Aemet hatte am Dienstagmorgen um 07.31Uhr die Alarmstufe Rot für die Region Valencia ausgerufen und unmissverständlich gewarnt: "Große Vorsicht! Die Gefahr ist extrem."
Im Laufe des Tages verschlechterte sich die Wetterlage zunehmend. Doch erst am Nachmittag gegen 17 Uhr trat in Valencia das regionale Gremium zur Koordinierung der Rettungsorganisationen im Katastrophenfall (Cecopi) zusammen.
Die Warnung der Zivilschutzbehörde, in der die Bevölkerung von Valencia sehr eindringlich aufgerufen wurde, auf keinen Fall das Haus zu verlassen, wurde erst nach 20 Uhr veröffentlicht.
Und laut der Zeitung "El País" wurde die Warnung in einigen Ortschaften, die am schlimmsten von den Überflutungen betroffen waren, erst nach 21 Uhr verschickt. Da war es schon zu spät.
In den Überschwemmungsgebieten werden die Rettungs- und Räumungsarbeiten fortgesetzt. Besonders groß ist die Zerstörung in der Mittelmeer-Region Valencia. 31.10.2024 | 1:36 min
Die Verzögerungen um mehrere Stunden könnten entscheidend gewesen sein: Tausende Menschen blieben bei der Arbeit oder verließen nachmittags ihr Haus - und steckten schließlich auf den Straßen fest, den reißenden Wassermassen ausgeliefert. Manche Menschen starben in den Fluten, andere entkamen mit Glück nur knapp dem Tod.
"Sie haben Alarm geschlagen, als das Wasser schon da war. Dann muss mir niemand mehr sagen, dass das Wasser kommt", schimpfte der 66-jährige Rentner Julian Ormeno in Sedavi, einem Vorort von Valencia. Niemand habe die Verantwortung übernommen.
Auslöser für Flutkatastrophe in Spanien war das Wetterphänomen "Kalter Tropfen" (gota fría) - auch Dana genannt ("depresión aisladaen niveles altos", was "isoliertes Tief in hohen Schichten" bedeutet). "Wenn kalte Luft in großen Höhen aus polaren Gebieten südwärts strömt, passiert es manchmal, dass sich nördlich dieser kalten Luft ein Hoch bildet und die kalte Luft wie ein Fettauge auf der Suppe in großen Höhen der Atmosphäre Kreise zieht", erklärt ZDF-Wetterexpertin Katja Horneffer: "Es hat sich ein Höhentief gebildet." Da es in fünf bis zehn Kilometern Höhe liegt, habe es jedoch nicht immer Auswirkungen am Boden.
Dass Höhentiefs vor Spanien oft viel Regen mitbringen, komme im Herbst häufiger vor. Dass die Regenmenge diesmal so extrem war, liege auch am warmen Mittelmeer. Das westliche Mittelmeer sei mit 22 Grad Wassertemperatur etwa zwei Grad wärmer als zu dieser Jahreszeit üblich, daher habe das Höhentief viel Feuchtigkeit aufgenommen, erklärt Horneffer. "Auch wegen des blockierenden Hochs über Mitteleuropa und wegen der Pyrenäen im Norden zogen die Regenwolken nur langsam und brachten daher die Jahressumme an Regen in nur wenigen Stunden."
Was sagen Expertinnen und Experten zu den Warnung?
Die verheerenden Folgen deuteten darauf hin, dass das Warnsystem von Valencia versagt habe, sagte Hannah Cloke, die an der Universität von Reading in Großbritannien Hydrologie lehrt. "Die Menschen wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie mit einer Flut konfrontiert sind oder wenn sie Warnungen hören."
"Bei Wetterereignissen, die vorhergesagt wurden, sollten Menschen in Ländern, die Ressourcen für ein besseres Vorgehen haben, nicht sterben", sagte auch Liz Stephens, Professorin für Klimarisiken und Resilienz an der Universität Reading.
Nach den schweren Unwettern vor drei Tagen hat sich die Zahl der Toten auf 158 erhöht. Besonders betroffen ist die Region Valencia. Dort fehlen Lebensmittel, Strom und Wasser.01.11.2024 | 1:32 min
Doch selbst das beste Warnsystem könne manchmal nichts ausrichten, betonten andere. Extremwetterereignisse dieser Art könnten "die Fähigkeiten bestehender Abwehrmechanismen und Notfallpläne überfordern, selbst in einem relativ wohlhabenden Land wie Spanien", sagte Leslie Mabon, Dozentin für Umweltsysteme an der britischen Open University.
Warnungen vor heftigen Gewittern seien "unglaublich schwer zu erstellen", betonte Linda Speight, Dozentin für Geografie und Umwelt an der Universität Oxford. Der genaue Ort der stärksten Regenfälle sei im Voraus für gewöhnlich unbekannt.'"Wir müssen unsere Städte dringend widerstandsfähiger für Überschwemmungen machen", fügte sie hinzu. Wasser müsse in Städten abfließen können, ohne Schäden zu verursachen.
Bei den schwersten Unwettern seit fast 30 Jahren sind in der Region Valencia mehr als 70 Menschen ums Leben gekommen - Dutzende gelten als vermißt. 31.10.2024 | 2:35 min
Wie ist Deutschland für einen solchen Fall gerüstet?
Angesichts dieser plötzlichen Wettergewalten fühlten sich nicht wenige gerade in Deutschland auch an die Flutkatastrophe im Ahrtal erinnert, bei der im Juli 2021 mindestens 135 Menschen ums Leben kamen. anach wurden verschiedene Anstrengungen unternommen, um die Bevölkerung im Katastrophenfall besser zu schützen. Im Mittelpunkt stand dabei die Behebung von Mängeln im Warnsystem.
Der Bund förderte mit fast 90 Millionen den Ausbau des Sirenennetzes. Zudem wurde ein bundesweites System für sogenanntes Cell Broadcasting aufgebaut. Darüber werden SMS-Kurznachrichten mit offiziellen Warnungen direkt an alle Handys verschickt, die mit dem Mobilfunknetz verbunden sind. Eine spezielle Warn-App ist dazu nicht nötig.
Städte und Gemeinden fordern aber weiterhin eine Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes. Dabei drängen sie insbesondere auf bessere Vorbereitungen für den Ernstfall. Unter anderem geht es um die Vorhaltung von Notstromaggregaten, die Schaffung einer nationalen Notstromreserve und die Lagerung lebenswichtiger Medikamente sowie ausreichender Wasser- und Lebensmittelvorräte in den Kommunen.
Jahrhundert- oder doch eher Jahrzehntfluten? Der Hochwasserschutz ist dennoch vielerorts mangelhaft. Sogar im leidgeplagten Ahrtal werden wieder Häuser in Überschwemmungsgebieten gebaut.25.09.2024 | 1:52 min
Quelle: ZDF
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