Glück: Braucht es das Schulfach für mehr Lebensfreude?
Konzept für mehr Lebensfreude:Braucht es ein Schulfach Glück?
von Kai Remen
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Kinder sollen selbstbestimmt durch das Leben gehen können. Ein Unterrichtsfach Glück soll das möglich machen. Doch es gibt Hindernisse, die dem besonderen Konzept im Weg stehen.
Könnte ein Schulfach Glück einen Unterschied bei der Entwicklung von Kindern machen? (Symbolbild)
Quelle: dpa
Was ist eigentlich Glück? Keine einfache Frage - auch nicht am 20. März, dem Weltglückstag. Was für den einen die alltägliche Kleinigkeit wie ein guter Kaffee oder schönes Wetter ist, sind für andere lebensdefinierende Aspekte wie eine Partnerschaft oder anhaltende Gesundheit.
Doch wie bereitet man sich auf Glück ganz persönlich vor und woher weiß man überhaupt, was einen langfristig glücklich macht? Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch schon in frühen Lebensjahren immer häufiger der Schulunterricht. Nur ist neben Hausaufgaben, Mathetest und Diktat oft nur wenig Zeit für die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen. Ein eigenes Unterrichtsfach "Glück" könnte daran etwas ändern.
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Damit Kinder ihren Herzenswunsch finden
Davon sind immer mehr Menschen überzeugt. Ernst Fritz-Schubert ist einer von ihnen. Der Pädagoge und frühere Schulleiter startete 2007 an einer Schule in Heidelberg das Schulfach Glück. Sein Ziel: den Schülerinnen und Schülern einen Glücksbegriff vermitteln, damit diese ihren Herzenswunsch finden können.
Dabei steht die individuelle Persönlichkeitsentwicklung der Kinder im Fokus. Es gehe um Geborgenheit, Sicherheit, Sinnfindung, Freiheit und Selbstbestimmung, so Fritz-Schubert. Die Schüler müssten ihre Charakterstärken und -schwächen kennenlernen - diese als Ressourcen begreifen. Die Kinder müssten einen stabilen Selbstwert finden, auch mal ihre Komfortzone verlassen dürfen und eine intrinsische Motivation finden, warum ihnen welches Ziel im Leben wichtig ist.
Aus- und Weiterbildung von Lehrern
Um diese Form der Persönlichkeitsentwicklung an die Schulen zu bringen, hat der Pädagoge das gemeinnützige Fritz-Schubert Institut gegründet. Inzwischen werden dort jährlich rund 500 Lehrerinnen und Lehrer aus- und weitergebildet. Sie erfahren, wie das entwickelte Konzept auch Einzug in ihre Schulen und Fächer halten kann. Fritz-Schubert ist überzeugt, dass so das überholte Schulsystem verbessert werden kann. Dies würde aktuell die Kinder in ein funktionsorientiertes System eingliedern und kaum Raum für freie Entfaltung bieten.
Das sieht auch Christel Spoo-Dillmann so. Die Grundschullehrerin absolvierte die Ausbildung 2018. Seitdem lässt sie viel davon in ihren Unterricht einfließen - jedoch nicht als eigenständiges Fach. Dies sei in Rheinland-Pfalz noch nicht möglich.
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Persönlichkeitsentwicklung als Geschichte
Konkret bedeute die Umsetzung: sich Zeit nehmen. In zwei Stunden pro Woche kämen die Schüler untereinander und mit dem Lehrer ins Gespräch - in Sitzkreisen, Gruppen- oder auch Partnerarbeit. Dazu könnten Bilder und Geschichten helfen. Das gleiche einem gemeinsamen Abenteuer: Man stelle sich ein Boot vor, das Boot besteht aus meinen individuellen Stärken. Mit diesen Stärken passiert man dann die Burg der Sorgen, um schließlich den Schatz, das eigene Glück zu finden.
Sie wisse, dass das im ersten Moment vielleicht esoterisch klinge, doch man wolle sich ganz bewusst davon absetzen. Auch nennt Spoo-Dillmann das ganze nicht "Schulfach Glück" sondern "Lernziel Wohlbefinden".
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Skepsis und Gegenwind bei Eltern und Kollegen
Am Anfang sei sie jedoch auf große Skepsis gestoßen. Gerade Eltern und ältere Kolleginnen und Kollegen hätten diesen neuen Unterrichtsansatz erst einmal belächelt, erzählt Spoo-Dillmann. Die Kinder hätten das Konzept schneller angenommen.
Die Ergebnisse seien eindeutig. In zwei von vier Klassen mit Erstklässlern sei das Konzept angewendet worden. Nicht nur sie, sondern auch erst skeptische Kolleginnen und Kollegen würden inzwischen erkennen, dass die Kinder offener, zugewandter und motivierter im Unterricht seien, erzählt die Pädagogin. Das sei jede mehr aufgewendete Zeit wert.
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Föderalismus und Corona-Folgen
Inzwischen hätten über 400 Schulen das Konzept, teilweise oder als eigenes Fach in den Unterricht integriert. Trotzdem gebe es noch immer Hindernisse. Das liege vor allem an der föderalen Bildungspolitik und der Pflicht zur subjektiven Bewertung, meint Spoo-Dillmann. Aktuell würden die Lehrer ein Mangelsystem verwalten, die Politik würde kaum auf die Entwicklungen reagieren.
Auch Fritz-Schubert hofft darauf, dass Bildung eine höhere Priorität in der Gesellschaft und der Politik bekommt. Aktuell brauche es das Schulfach Glück, damit das Denken Einzug in andere Bereiche und Fächer halte, doch eigentlich gehe es um ein generelles Verständnis von Bildung. Gerade nach der Zäsur der Corona-Pandemie mit all ihren Folgen für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen ist er überzeugt:
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