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Abstimmung vor 30 Jahren:Reichstagsverhüllung: Bundestag für die Kunst
von Stephanie Gargosch
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Vor 30 Jahren entscheiden Abgeordnete über die Verhüllung des Reichstags von Christo und Jeanne-Claude. Viele sind damals dagegen - am Ende stimmt der Bundestag doch für die Kunst.
Der Reichstag, eingepackt von Christo und Jeanne-Claude: Vor 30 Jahren wurde zum ersten Mal im Bundestag über ein Kunstwerk abgestimmt, nach einer leidenschaftlichen Debatte.26.02.2024 | 8:09 min
Der Künstler Christo sitzt gespannt auf der Besuchertribüne, als die Debatte über sein Verhüllungsprojekt beginnt. Zusammen mit seiner Frau Jeanne-Claude will er den Reichstag einpacken.
Fast 23 Jahre hat der Bulgare für diese Idee geworben. Am 25. Februar 1994 ist es so weit. Die Parlamentarier werden darüber abstimmen, ob der Traum des Künstlerehepaares wahr wird. Der Historiker Michael Cullen, der damals mit Christo auf der Besuchertribüne wartet, erinnert sich:
"Den könnte man doch auch einmal verpacken"
Cullen kennt den Objektkünstler zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahrzehnten. Er ist es, der dem damals schon berühmten Künstlerpaar 1971 eine Ansichtskarte vom Reichstag schickt, mit dem Satz: "Den könnte man doch auch einmal verpacken."
Die Idee war geboren, aber erst Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth unterstützt ab 1991, ein Jahr nach der Wiedervereinigung, das Projekt. Andere in ihrer Fraktion, der CDU/CSU, sind strikte Gegner, etwa Bundeskanzler Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble, damals Fraktionsvorsitzender.
Schäuble: Sorge vor Vertrauensverlust der Menschen
Die Debatte zum "Tagesordnungspunkt 9 zur Verhüllung des Reichstagsgebäudes" vor dreißig Jahren beginnt pünktlich. Eine Stunde haben die Parlamentarier Zeit, ihre Argumente für und gegen das Projekt vorzutragen. Danach wird namentlich abgestimmt, ohne Fraktionszwang. Bundeskanzler Kohl redet nicht, dafür Wolfgang Schäuble. Er mahnt:
Freimut Duve von der SPD dagegen wirbt für die Kunst:
Die Verhüllung des Pariser Triumphbogens war für das Ehepaar Christo und Jeanne-Claude ihr Lebenstraum.12.09.2021 | 2:38 min
Mehrheit stimmt für Verhüllung
Am Ende der emotionalen und hitzigen Aussprache entscheidet sich eine knappe Mehrheit für die Kunst. 295 Abgeordnete stimmen dafür, 226 gegen das Vorhaben, zehn Abgeordnete enthalten sich. Nach der Verhüllung wird der Architekt Sir Norman Foster mit Umbauarbeiten beginnen. Vier Jahre später, am 19 April 1999, bezieht der Deutsche Bundestag den neuen Parlamentssitz.
Nur 16 Monate nach der Entscheidung, im Juli 1995, geht es los: In Berlin rücken die Lastwagen mit Gerüsten an. Webereien in ganz Deutschland weben den mit Aluminium beschichteten Polypropylenstoff, der sich um das Reichstagsgebäude legen soll. Ein silbern schimmerndes Gewand aus 110.000 Quadratmetern. Kosten der Aktion: 13 Millionen Dollar. Das Künstlerpaar Christo und Jeanne Claude finanzieren das allein, durch den Verkauf ihrer Kunst. "Dies", so sagt Jeanne Claude damals, "sichert uns die Freiheit, das Projekt so umzusetzen, wie wir es wollen".
200 Tonnen Stahl werden für die Unterkonstruktion verschweißt; sie legt sich schützend um die filigrane Struktur des Reichstages. 90 Kletterer verhüllen das Gebäude, alle kommen aus der ehemaligen DDR. Im Westen gibt es damals keine Industriekletterer. Einer von ihnen ist Holger Nawrocki: "Es war schon eine Ehre, dabei gewesen zu sein. Erstens waren es Christo und Jeanne-Claude und zweitens ja ein Kunstprojekt für ganz Berlin und das wiedervereinigte Deutschland."
Christo und seine Frau Jeanne-Claude verpacken Wahrzeichen auf der ganzen Welt, unter anderem den Reichstag in Berlin. Christo ist im Alter von 84 Jahren in New York gestorben.01.06.2020 | 2:39 min
Christo: Glücklich und aufgeregt
Schon bald verstummen die Skeptiker der Kunstaktion. Denn die Verhüllung des Reichtages schenkt der schweren Geschichte des Gebäudes Leichtigkeit. Millionen Menschen kommen im Sommer 1995 nach Berlin, feiern Christo und Jeanne-Claude. Bilder, welche die Botschaft eines offenen, fröhlichen Deutschlands in die Welt sendet. Auch international findet das Kunstprojekt Anerkennung. Am Ende bleibt der Reichstag nur 14 Tage verhüllt. Doch gerade auch die Vergänglichkeit des Kunstwerkes macht dieses unvergesslich.
Christo selbst schwärmt in einem seiner letzten Interviews im Jahr 2020 von den Tagen in Berlin: "Wir waren damals sehr glücklich und aufgeregt. Welches Parlament der Welt würde so etwas schon zustimmen, es war toll. Das Projekt selbst war dann viel größer als wir es uns vorgestellt hatten."
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