Rassistische Sprache:Verlag streicht N-Wort aus Jim-Knopf-Büchern
von Sarah Danquah und Henriette de Maizière
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Seit Jahren wird über den Umgang mit rassistischer Sprache in Kinderbüchern diskutiert. Der Thienemann-Verlag hat nun in der Neuauflage von "Jim Knopf" das N-Wort gestrichen.
Links die neue Ausgabe von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, rechts die bisherige Ausgabe.
Quelle: Thienemann Verlage
Die Debatte über den Umgang mit rassistischer Sprache in Kinderbüchern wird seit Jahren geführt. Der Thienemann-Verlag hat nun Konsequenzen gezogen. In seiner Neuauflage des zeitlosen Klassikers "Jim Knopf" hat er das N-Wort gestrichen sowie Zeichnungen angepasst.
In Absprache mit den Erben des Autoren Michael Ende und ursprünglichen Illustratoren F.K. Tripp, wurden einige rassistische Formulierungen und Zeichnungen in den Bänden, "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" (1960) sowie "Jim Knopf und die Wilde 13" (1962) gestrichen.
So erscheint ab dem 24. Februar Jim Knopf nicht mehr als qualmender Schwarzer Junge mit besonders dicken pinken Lippen in den Kinderbüchern, sondern lächelt seinen Leserinnen und Lesern mit schmalem Grinsen, ohne Pfeife und mit angepasster Hautfarbe entgegen.
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Jim Knopf: Für Kinder aber gegen Rassismus
In einem Pressestatement des Verlages heißt es dazu, man habe sich nach reiflicher Überlegung entschieden, das N-Wort zu streichen und die stereotypischen Beschreibungen zu reduzieren. Es ginge darum, dass "Kinder, die die Bücher jetzt lesen, diese sprachlichen Elemente nicht in ihren Alltagswortschatz übernehmen." Weiter heißt es in der Erklärung: "Wir sind sicher, damit ganz im Sinne von Michael Ende, der bekanntermaßen weltoffen, respektvoll und immer für die Kinder war, zu handeln".
Verlag streicht N-Wort bei Jim Knopf
Quelle: ZDF
Der Verlag begründet die Änderungen in Wort und Bild wohl überlegt zu haben - so steht in der Pressemitteilung: Das N-Wort habe der Autor nur Herrn Ärmel in den Mund gelegt, um auf die fehlende Weltoffenheit dieses typischen Untertans hinzuweisen. Heute jedoch könne "auch ein solch distanzierter Gebrauch als diskriminierend gewertet werden."
Kritik von der AfD: Änderungen seien absurd
Der kulturpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, Rainer Balzer, schreibt in einer Pressemitteilung dazu, dies sei "ein seltener Akt von Kulturbarbarei gegen einen Autor, der sich nicht mehr wehren kann. 'Pippi Langstrumpf', 'Winnetou' und nun 'Jim Knopf' - die stetig zunehmenden Kotaus vor dem Zeitgeist zeigen, dass deutsche Verlage rasend schnell zu woken Vorfeldinstitutionen von Linken und Grünen mutieren, denn zur letzten Auflage 2015 war der Verlag noch standhaft geblieben."
Er kündigt an, diesen "Absurditäten" wolle sich die AfD immer entgegenstellen.
Anne Chebu ist Moderatorin und Autorin von "Anleitung zum Schwarzsein". Sie ist Mitglied in der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD e.V.) und bei den Neuen Deutschen Medienmacher*innen. Zu den angekündigten Änderungen in der Neuauflage von Jim Knopf sagt sie:
"Jahrzehnte lang wurden Schwarze Stimmen ignoriert. Es freut mich, dass mit den Anpassungen nun auch an Schwarze Kinder gedacht wird. Die klischeehafte Darstellung wurde durch eine zeitgemäße ersetzt. Nun kann Jim Knopf eine Identitätsfigur in afrodeutschen Kinderzimmern sein. Dass er jedoch heller geworden ist, ist mit Blick auf Colourism kritisch zu sehen."
Chebu erklärt weiter: "Zum Beispiel würde ich beim Vorlesen darauf aufmerksam machen, dass Schwarzsein nicht gleich Fremdsein bedeutet, sondern es natürlich auch Schwarze Deutsche gibt. Eigentlich sollten solche literarischen Überarbeitungen etwas ganz Alltägliches sein, ohne großes öffentliches Aufsehen."
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Zwischen politischer Korrektheit und populären Kinderbüchern
Die Debatte um politisch korrekte Kinderbücher wurde bereits 2009 angestoßen, als die deutsche Ausgabe von Pipi Langstrumpf (1945) vom Oetinger-Verlag überarbeitet und unter anderem das N-Wort daraus entfernt wurde.
Schon 1970 distanzierte sich die Autorin Astrid Lindgren von einigen Ausdrücken in ihrem Buch und hätte im Nachhinein "eine Menge idiotischer Dinge gestrichen". Sie wisse, dass weiße Menschen Schwarzen nicht überlegen seien und bestritt rassistische Tendenzen.
Auch der Ravensburger Verlag verabschiedete sich 2022 nach Rassismuskritik von mehreren Winnetou-Kinderbüchern. Grund dafür waren rassistische Vorurteile und kolonialistische Erzählweisen.
Die alte Illustration von Jim Knopf erinnert an die rassistischen Darstellungen Schwarzer Menschen durch das sogenannte Blackfacing in Minstrel Shows des 18. Und 19. Jahrhunderts. Dabei haben sich weiße Theaterschauspielende mit Schuhcreme das Gesicht schwarz geschminkt und ihre Lippen exzentrisch rot übermalt. Ziel war die Unterhaltung des Publikums durch Abwertung und Karikatur Schwarzer Menschen.
Minstrel Shows befürworteten unter anderem die stereotypische Darstellung des fröhlichen schwarzen Sklaven, der seinen Sklaventreiber verehrt oder die Charakterisierung des dümmlichen und faulen Schwarzen Freundes. In den USA wurden diese Aufführungen schon Anfang des 20. Jahrhunderts als rassistisch eingestuft. Auf deutschen Theaterbühnen gab es in den letzten Jahren noch vereinzelte Fälle des "Blackfacing", welches teilweise bis heute zur Kostümierung von Karnevalgängern angewendet wird.
Die Änderungen werden in den Neuausgaben der 2015 erschienenen, farbig illustrierten Ausgaben umgesetzt, heißt es abschließend in der Verlags-Pressemitteilung. Die Ausgaben mit den ursprünglichen schwarz-weißen Original-Illustrationen seien unverändert lieferbar. Sie werden zukünftig jedoch ein einordnendes Nachwort enthalten.
Sarah Danquah arbeitet im ZDF-Landesstudio Berlin.