Übergriffe am Filmset: Depardieus Missbrauchsprozess beginnt
Kinobranche in Frankreich:Depardieus Missbrauchsprozess beginnt
von Luis Jachmann
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Zwei Frauen werfen Gérard Depardieu sexuelle Übergriffe am Filmset vor. In Frankreich hat die MeToo-Debatte endgültig die Kinobranche erreicht.
Von sexuellen Übergriffen bei Dreharbeiten bis Vergewaltigung: Die Vorwürfe wiegen schwer. In zwei Fällen startet nun ein Prozess. Gerard Depardieu weist alle Vorwürfe zurück.24.03.2025 | 1:59 min
Vor fünf Monaten saßen die mutmaßlichen Opfer schon im Gerichtssaal. Doch derjenige, der sich wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe verantworten muss, erschien erst gar nicht: Gérard Depardieu.
Der Schauspieler hatte dem Gericht ein ärztliches Attest vorgelegt. Sein gesundheitlicher Zustand erlaube es dem 76-Jährigen nicht, auf der Anklagebank zu sitzen.
Das Gericht tagte Ende Oktober 2024 nur kurz und verschob den Prozessauftakt dann.
Depardieu bestritt die Anschuldigungen stets und hatte eine Verschiebung des Prozessbeginns beantragt.28.10.2024 | 0:37 min
Depardieus Anwalt begrüßte die Entscheidung. "Er ist entschlossen, sich zu verteidigen. Seit mehr als drei Jahren wird eine Vielzahl an Ungenauigkeiten, Falschinformationen und Lügen systematisch verbreitet", sagte Verteidiger Jérémie Assous vor versammelter Presse im Oktober.
Das Hilfe-Telefon ist unter 0800 22 55 530 montags, mittwochs und freitags von 9 bis 14 Uhr und dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr erreichbar. Es berät anonym, kostenfrei,mehrsprachig und in Gebärdensprache. Es kann auch eine Nachricht geschrieben werden.
Heftige Vorwürfe gegen Filmproduzenten
Ein halbes Jahr später soll dem Prozess nichts mehr im Wege stehen. Diesmal soll Depardieu kommen. Frankreichs einstiger Kinostar ist in zwei Fällen von sexuellen Übergriffen in Paris angeklagt.
Bei Dreharbeiten 2021 zum Film "Les volets verts" soll er zwei Frauen sexuell belästigt haben. Einer Bühnenbildnerin habe er in den Intimbereich gefasst. Der Presse gegenüber wollten sich die beiden mutmaßlichen Opfer nicht äußern.
Zeuginnen und Zeugen vom Set bestätigen die Anschuldigungen - etwa Anouk Grinberg. Die Vorwürfe der mehrfach ausgezeichneten Schauspielerin sind heftig:
Wenn Filmproduzenten Depardieu engagieren, wissen sie, dass sie einen Täter engagieren. Keinen potenziellen Täter, sondern einen Täter.
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Anouk Grinberg, Schauspielerin im Film "Les volets verts"
Depardieu soll im vergangenen Mai den Paparazzo Rino Barillari geschlagen haben, behauptet der Fotograf. Depardieus Anwältin sagte, der Filmstar habe seine Freundin schützen wollen.22.05.2024 | 0:38 min
Jean Becker, der Regisseur des Films, hätte über die sexuellen Übergriffe am Set Bescheid gewusst, gibt Grinberg an. Der Regisseur hingegen beteuert, dass die Vorwürfe gegen seinen Schauspieler haltlos seien und bezichtigt Grinberg der Lüge.
Frankreichs Filmbranche ist gespalten
Jean Becker ist nicht der einzige namhafte Kulturschaffende, der Depardieu öffentlich in Schutz nimmt. Die Filmbranche ist gespalten. Neben Aufrufen, dem einstigen Aushängeschild des französischen Kinos, die Ehrenlegion abzuerkennen, gibt es weiterhin Solidaritätsbekundungen.
Catherine Deneuve und Carla Bruni hatten zu Depardieus 75. Geburtstag von einem öffentlichen "Lynchmord" und einer Vorverurteilung gesprochen.
Gegen den französischen Schauspieler wird wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Ihm wird vorgeworfen, seinen Wohnsitz in Belgien lediglich aus Steuergründen zu halten.25.02.2025 | 0:39 min
Die Soziologin Clara Le Gallic-Ach sieht in der medienwirksamen Rückendeckung für Depardieu ein Muster. Viele junge Schauspielerinnen würden Filmangebote aufs Spiel setzen, wenn sie ihr Schweigen brechen.
Die Machtstrukturen in der Filmbranche würden große Filmstars oft decken:
Gerade in der Kinoindustrie haben wir es mit einem System zu tun, das von großen Namen geprägt ist, die über viel Macht verfügen.
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Clara Le Gallic-Ach, Soziologin Sciences Po Paris
"Und dann gibt es viele Menschen in prekären Situationen, die versuchen, in dieser Branche Fuß zu fassen."
Gesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Kinobranche geplant
So geschehe sexueller Missbrauch oft unbemerkt. Die Zeit des Wegschauens scheint aber zunehmend vorbei zu sein. Der medial viel beachtete Prozess könnte der MeToo-Debatte in Frankreich neuen Auftrieb geben.
Und auch die französische Politik hat sich der Aufarbeitung angenommen: eine Untersuchungskommission hört seit 2024 Fachleute, Führungskräfte von Filmschulen und französische Schauspielstars an und soll im Frühjahr einen Gesetzesentwurf zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Kinobranche vorlegen.
Für Depardieu ist der nun beginnende Missbrauchsprozess nur der Anfang. Die französische Justiz ermittelt noch in einem anderen Fall gegen den 76-Jährigen.
Eine andere Schauspielerin hat eine mutmaßliche Vergewaltigung 2018 zur Anzeige gebracht. Und auch in Spanien ist die Staatsanwaltschaft wegen desgleichen Tatbestands an einer Journalistin aktiv geworden.
Depardieu weist alle Vorwürfe zurück.
Die Doku ist zwischen 22 und 6 Uhr sichtbar sowie nach vorheriger Anmeldung und einer Altersprüfung.
In Frankreich galt Gérard Depardieu jahrzehntelang als "monstre sacré", als unantastbare Schauspiel-Ikone. Doch immer mehr Frauen werfen ihm sexuelle Belästigung und sogar Vergewaltigung vor.
44:33 min
Quelle: dpa
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