Vorwurf Vergewaltigung: Frankreich debattiert über Depardieu

    Schauspieler wird 75:Frankreich debattiert über Gérard Depardieu

    von Lennart Kinck, Paris
    |

    Die Ikone des französischen Kinos wird heute 75 Jahre alt - und ist wegen Vergewaltigungsvorwürfen hoch umstritten. Präsident Macron nimmt Gérard Depardieu in Schutz.

    Gérard Depardieu
    Depardieus Ruf ist nicht erst seit den jüngsten Anschuldigungen schwer beschädigt
    Quelle: dpa/Thierry Roge, Archivbild

    Einwanderungsgesetz, steigende Verbraucherpreise, Frankreichs Position im Nahen Osten - und Gérard Depardieu. Dazu äußerte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kurz vor Weihnachten im französischen Fernsehen. Der Anlass für die ungewöhnliche Themenkombination: Ein Dokumentarfilm mit dem Titel: "Der Fall des Ungeheuers", veröffentlicht Anfang Dezember vom Fernsehsender France 2.
    Gezeigt werden Ausschnitte von einer Reise des Schauspielers nach Nordkorea, in denen er Frauen sowie Mädchen sexualisiert und die Dolmetscherin wiederholt mit obszönen Bemerkungen in Verlegenheit bringt. Vor laufender Kamera sagte er:

    Ich als großer Jäger werde immer entdecken, was sich nicht zeigen will.

    Gérard Depardieu, Schauspieler

    Ermittlungen wegen Vergewaltigungsvorwürfen

    Bereits 2018 klagte ihn die Schauspielerin Charlotte Arnould wegen Vergewaltigung an. Seit 2020 läuft in dem Fall ein Ermittlungsverfahren. Im September und im Dezember 2023 reichten zwei weitere Frauen Klage ein.
    Auf die Frage der Fernsehmoderatorin, ob sich Frankreich vor diesem Hintergrund für Gérard Depardieu schämen müsse, reagierte Macron entrüstet. Im Gegenteil, er bewundere den "großartigen Schauspieler", ein "Genie seiner Kunst".

    Licht und Schatten eines Aufsteigers

    Depardieus Geschichte ist die eines Aufsteigers. Aufgewachsen ist er in der Provinz als Sohn eines alkoholabhängigen Schmieds und einer Hausfrau. Er verbringt mehr Zeit auf der Straße als in der Schule, verlässt diese im Alter von nur 13 Jahren. Anfang der 1960er Jahre bietet sich für den jungen Depardieu die Gelegenheit seines Lebens: Ein Freund nimmt ihn mit nach Paris, um dort Theater-Kurse zu besuchen. Seine mangelnde Culture gleicht er bei den Proben mit Leidenschaft, Ehrgeiz und Talent aus.
    1974 gelingt ihm der Durchbruch als einer der führenden Schauspieler des französischen Kinos: In der Rolle eines rüpelhaften Rowdys in der Erotik-Satire "Die Ausgebufften".

    Höchste Auszeichnung Frankreichs für Depardieu

    Seitdem wirkte Depardieu in mehr als 200 Filmen mit, gewann unzählige Preise. Ob als eloquenter Poet Cyrano de Bergerac oder als widerspenstiger Gallier Obelix - der Schauspieler verkörperte vor einem weltweiten Millionenpublikum die französische (Kino-)Kultur.
    Frankreich war so stolz auf Depardieu, dass Präsident Jacques Chirac ihm 1996 den Orden der Ehrenlegion verlieh, die höchste Auszeichnung der République.
    Zwei Frauen mit rotgeschminkten Lippen. Über ihre Gesichter ist mit weißer Farbe "#metoo" und "#respect" geschrieben.
    Ein alarmierender Blick auf Gewalt gegen Frauen und den neuen Feminismus im Kontext von Machtmissbrauch und Mord.31.10.2023 | 1:00 min

    Depardieu unantastbar?

    Depardieus Ruf ist nicht erst seit den jüngsten Anschuldigungen schwer beschädigt. Alkoholexzesse, Verkehrsunfälle nach Trunkenheit, Urinieren im Gang eines Flugzeugs - die Liste der Fehltritte ist lang. 2012 verlagerte er seinen Wohnsitz nach Belgien, um Steuern zu sparen. Ein Jahr später nahm er die russische Staatsbürgerschaft an.

    Bis vor kurzem hat Depardieu von einer gewissen Unantastbarkeit profitiert.

    Marine Turchi, Journalistin

    Im April 2023 berichtete Marine Turchi vom unabhängigen Online-Medium Mediapart über 13 Schauspielerinnen, die Depardieu sexuellen Missbrauch vorwerfen.
    Dass Depardieu seit Jahrzehnten trotz zahlreicher Anschuldigungen Karriere machen kann, liegt für die Journalistin auch an der französischen Gesellschaft. Man habe Depardieu machen lassen, über seine Äußerungen gelacht. Schließlich würden alle Franzosen und Französinnen besondere Erinnerungen und Emotionen mit Depardieus Filmen verbinden.

    Äußerungen nach heutigem Stand nicht strafrechtsrelevant

    Die nun veröffentlichten Ausschnitte von Depardieus Äußerungen lösen in Frankreich heftige Reaktionen aus. Dabei wurde er noch nie für Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauch schuldig gesprochen. Seine Äußerungen sind, Stand heute, nicht strafrechtsrelevant. Depardieu erklärte vergangen Oktober in einem Gastbeitrag in der Tageszeitung "Le Figaro":

    Ich habe absolut niemals eine Frau missbraucht.

    Gérard Depardieu, Schauspieler

    Einige sehen deshalb in der ganzen Debatte eine Verleumdung, die unter Missachtung der Unschuldsvermutung den Ruf der Ikone zerstöre.

    Macron verteidigt Depardieu

    Präsident Macron spricht von einer "Menschenjagd", an der er niemals teilnehmen werde, 56 Künstler*innen setzen in einem offenen Brief den Verzicht auf Depardieu im französischen Film mit dem "Tod der Kunst" gleich. Für die anderen ist Depardieus Verhalten, ganz unabhängig von der juristischen Sachlage, unhaltbar.

    Das Wort des Präsidenten hat in Frankreich großes Gewicht. Es ist daher schockierend, dass er einen Belästiger verteidigt.

    Anne-Cécile Mailfert, Präsidentin Frauenverein Fondation des femmes

    Frankreichs Kulturministerin Rima Abdul Malak bezeichnet Depardieus Kommentare als eine "Schande für Frankreich" und kündigte an, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um dem Schauspieler den Orden der Ehrenlegion zu entziehen.
    Gérard Depardieu sitzt an einem Tisch und hat ein Weinglas in der Hand
    Der angeklagte Schauspieler Gérard Depardieu hat seine Mitgliedschaft in der französischen Ehrenlegion aufgegeben. Auslöser sind neue sexistische und frauenfeindliche Kommentare.18.12.2023 | 2:10 min
    Für Macron, der qua Amt für die Vergabe dieses Ordens verantwortlich ist, kommt das nicht in Frage. Man entziehe niemanden auf Basis einer Reportage den Status als Mitglied der Ehrenlegion. Depardieu bleibe eine Persönlichkeit, die "Frankreich stolz macht".

    Mehr zum Thema sexuelle Gewalt