Nach Verfassungsgerichtsurteil:Claudia Pechstein fordert hohen Schadenersatz
von Christoph Schneider
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Seit 15 Jahren kämpft Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein um Schadensersatz und ihren Ruf. Die Entscheidung in ihrem Prozess vor dem OLG München wurde auf 2025 vertagt.
Zum ihrem Prozess ist Claudia Pechstein in Polizeiuniform und mit ihrem Lebensgefährten Matthias Große erschienen.
Quelle: dpa
Es ist ihr wahrscheinlich härtester Kampf - das juristische Mammutverfahren der Rekord-Olympionikin Claudia Pechstein gegen die Internationale Eislaufunion (ISU) und die Deutsche Eisschnelllaufgemeinschaft (DESG).
Rekordverdächtige achtmal konnte Pechstein an Olympischen Winterspielen teilnehmen, fünfmal gewann sie Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze. Ein neuntes Mal blieb ihr 2010 in Vancouver verwehrt, da sie zu diesem Zeitpunkt gesperrt war. Der Hauptgrund für die vielen juristischen Verfahren.
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Doping-Verdacht gegen Pechstein im Jahr 2009
Der Fall Pechstein beginnt im Jahr 2009. Da nimmt sie im Februar an Mehrkampfweltmeisterschaften im norwegischen Hamar teil. Nach dem Wettkampf informiert der internationale Verband über einen erhöhten Retikulozytenanteil im Blut der Athletin. Der Verdacht: Doping.
Schnell reagiert der internationale Eisschnelllaufverband, sperrt die Athletin. Pechstein beteuert immer ihre Unschuld, doch ihre Einwände verhallen. Wegen Dopings wird sie für zwei Jahre gesperrt. Der Internationale Sportgerichtshof CAS mit Sitz im schweizerischen Lausanne bestätigt diese Sperre: Erhöhte Retikulozytenwerte seien ein hartes Indiz für Doping, selbst wenn andere Werte nicht auffällig seien.
Pechstein geht gegen den Spruch des CAS vor dem Schweizer Bundesgericht vor, doch das ändert die sportgerichtliche Entscheidung nicht - der CAS-Spruch bleibt bestehen.
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Rehabilitierte Athletin klagt auf Entschädigung
Doch Claudia Pechstein gibt nicht auf. Denn ihre auffälligen Blutwerte kann sie auch nach Vorlage verschiedener Gutachten mit einer vererbten Blutanomalie erklären. Sie wird schließlich rehabilitiert und klagt in Deutschland auf eine finanzielle Entschädigung.
Denn nach der Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Turin 2006, bei der Pechstein über 5.000 Meter Silber gewinnt und Gold in der Teamverfolgung holt, kann sie 2010 in Vancouver nicht teilnehmen - zwangsweise: wegen der verhängten Dopingsperre.
Das Landgericht (LG) München und das Oberlandesgericht (OLG) München urteilen 2014 und 2015 zugunsten von Claudia Pechstein. Besonders das OLG München stellt heraus, dass die von Pechstein unterzeichnete Schiedsvereinbarung gegenüber der ISU nicht wirksam ist. Doch diese musste Pechstein unterzeichnen, sonst hätte sie nicht an den internationalen Wettkämpfen teilnehmen können.
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BGH: Pechstein-Urteil der CAS ist wirksam
Diese Vereinbarung sieht vor, dass sie sich dem Regelwerk des Verbandes unterwerfen muss und bei möglichen Rechtsstreitigkeiten der CAS die höchste Instanz ist und nicht ein ordentliches, staatliches Gericht. Doch sind Schiedsvereinbarungen überhaupt wirksam und staatliche Gerichte zum Eingreifen berechtigt?
Diese Frage klärt in der Revision das höchste Zivilgericht Deutschlands, der Bundesgerichtshof (BGH), und gibt den Verbänden vollständig recht, weist die Klage Pechsteins in vollem Umfang ab, sieht in der unterzeichneten Vereinbarung kein Problem. Damit scheint der Fall endgültig erledigt.
Verfassungsgericht gibt Pechstein Recht
Doch Claudia Pechstein legt Verfassungsbeschwerde ein. 2022 urteilt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wieder in Pechsteins Sinn. Denn der CAS ermöglichte Pechstein kein öffentliches Verfahren; damit ist der grundgesetzlich garantierte Anspruch auf Justizgewährung verletzt, so Karlsruhe, und bezieht sich auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, den Pechstein ebenfalls eingeschaltet hatte.
Damit habe der BGH die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt, so das BVerfG. Konkret wird der Fall wieder zurück ans OLG nach München gegeben.
ISU und Pechstein konnten sich bisher nicht einigen
Knapp 8,4 Millionen Euro will Pechstein von den Sportverbänden an Schadensersatz. Bisher konnten sich die Parteien nicht auf einen Vergleich einigen. Die Eislaufunion ISU wehrt sich, sieht das Münchener OLG unter anderem nicht als zuständig an und bleibt bei der Darstellung, der Rückschluss auf Doping anhand der auffälligen Blutwerte sei zulässig gewesen.
Pechsteins Anwälte halten dagegen, bieten aber an, eine geringere Summe als Ausgleich für den Schaden zu akzeptieren, sollte die ISU zugeben, "dass das, was damals passiert ist, nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hatte".
Eine Entscheidung wurde vertagt. Nach Angaben der Richter des OLG München soll der Prozess am 13. Februar 2025 fortgesetzt werden.
Christoph Schneider ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: ZDF
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Quelle: mit Material von dpa und SID
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