Wie Ashton Kutcher bei der EU für Überwachung von Chats warb
Umstrittene Chatkontrolle:Wie Ashton Kutcher für Überwachungspläne warb
von Lucas Eiler und Ciara Cesaro-Tadic
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Ob Whatsapp-Chat oder Signal-Nachricht: Ein Plan der EU-Kommission sieht vor, dass sämtliche Chats gescannt werden. Hollywoodstar Ashton Kutcher warb persönlich dafür.
Ob WhatsApp-Chat, Signal- oder Facebook-Nachricht: Ein Plan der EU-Kommission sieht vor, dass sämtliche Chats im Netz auf Darstellungen von Kindesmissbrauch gescannt werden.24.01.2024 | 29:10 min
Als Comedyschauspieler Ashton Kutcher im März vergangenen Jahres zu Gast in Brüssel ist, ist der Veranstaltungssaal der "TownHall Europe" voller Menschen. Auch zahlreiche EU-Abgeordnete sind gekommen, um zu hören, was der Hollywoodstar zu sagen hat. Und dieser wird nach kurzem Vorgeplänkel sehr emotional.
Es geht ihm um die Sicherheit von Kindern im Internet, den Schutz vor Anbahnungsversuchen von Erwachsenen gegenüber Kindern mit sexuellem Hintergedanken. Und darum, die Verbreitung von Abbildungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu verhindern.
Ashton Kutcher hat Hilfsorganisation "Thorn" gegründet
Dieses Anliegen hat den US-Schauspieler mit den wichtigsten Politikerinnen und Politikern der Europäischen Union zusammengebracht: Eine Videokonferenz mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ein Termin bei der zuständigen Innenkommissarin Ylva Johansson, ein Selfie mit Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola.
Quelle: ZDF/finally
Die ZDF-Doku "Ende der privaten Chats? Hollywoodstar wirbt für Überwachung“ sehen Sie in der ZDF-Mediathekund im TV um 22:45 Uhr.
Doch was macht den Hollywoodstar in Brüssel zu einem gefragten Gesprächspartner? Kutcher ist Mitbegründer der Hilfsorganisation "Thorn", die Kinder mit Hilfe von Technologie vor sexualisierter Gewalt schützen will. Thorn hat sich bei der EU-Kommission in zahlreichen Hintergrundtreffen für ein umstrittenes Vorhaben eingesetzt: Die sogenannte Chatkontrolle.
Mit Chatkontrolle gegen Missbrauchsabbildungen und Cybergrooming
Der Gesetzesvorschlag zur Chatkontrolle steht bei den EU-Institutionen vor den entscheidenden Verhandlungen: Anbieter sollen verpflichtet werden, sämtliche Chats, E-Mails und Messenger-Nachrichten automatisiert zu durchsuchen. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz werden Texte, Bilder und Videos analysiert.
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Gibt es verdächtige, bereits bekannte oder noch unbekannte Fotos und Videos von sexualisierter Gewalt gegen Kinder? Oder gibt es in den Nachrichten Anbahnungsversuche an Kinder, also Hinweise auf Cybergrooming? In dem Fall wird der Verdacht automatisch an ein neues EU-Zentrum weitergeleitet. Dabei geht es sowohl um verschlüsselte als auch unverschlüsselte Nachrichten.
Jede E-Mail und jede Nachricht würde bei den dazu verpflichteten Anbietern gescannt werden, ob auf Facebook, WhatsApp, Telegram oder Signal. Das digitale Briefgeheimnis würde quasi ausgehebelt werden, kritisiert auch der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner gegenüber dem ZDF:
"Thorn" verkauft Software für Erkennung von Missbrauchs-Material
Doch weshalb setzte sich Kutchers gemeinnützige Stiftung Thorn dafür ein? Klar ist: Die Organisation hat ein eigenes Analyse-Werkzeug entwickelt, um Missbrauchs-Darstellungen aufzuspüren: "Safer". Eine KI-gestützte Software zur Massenüberwachung von Chats und internetgestützter Kommunikation. Die Inhalte werden dabei mit einer geheimen Datenbank von Millionen bekannter Videos und Fotos abgeglichen. Plattformen wie Vimeo, Imgur und Flickr nutzen "Safer" bereits, um freiwillig Inhalte zu scannen.
Für "Safer" gibt es verschiedene Abo-Modelle. Thorns Einnahmen durch Software-Abonnements sind so innerhalb weniger Jahre enorm gestiegen. 2022 waren es bereits 4,8 Millionen Dollar.
Würde Ashton Kutcher von der Chatkontrolle profitieren?
"Wenn die Chatkontrolle kommt, dann wird Thorn richtig viel Geld verdienen", kommentiert der Journalist Alexander Fanta von dem gemeinnützigen Medium "Follow the money". "Thorn ist einer der wenigen Anbieter, der tatsächlich solche Produkte verfügbar machen Thorn ist in einer sehr, sehr günstigen Marktposition." Angesichts von Millioneneinnahmen durch Softwareverkäufe und hoher Summen, die in Lobbying geflossen sind, zweifelt er an der Gemeinnützigkeit von Thorn.
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Würde Thorn von der Chatkontrolle profitieren? „"Thorn ist eine gemeinnützige Organisation, was bedeutet, dass wir in keiner Weise profitieren", sagt Thorns Chef-Lobbyistin Emily Slifer dem ZDF. "Alles Geld, das wir mit Safer verdienen, fließt jedoch zurück in unsere Mission." Die Softwareverkäufe seien nur ein sehr kleiner Teil dessen, was die Organisation jedes Jahr einnehme. Das Potenzial dafür, dass es mehr Softwareverkäufe gebe, sei vorhanden. Doch sie betont: "Es gibt auch die Möglichkeit, dass sich ein wachsendes Sicherheitstechnologie-Netzwerk aus Europa auf die gesamte Branche ausdehnt."
Die EU-Kommission erklärt angesichts zahlreicher Treffen mit Thorn, man habe auch mit Datenschutz-Organisationen und Wissenschaft Beratungen geführt: "Thorn ist eine von mehreren Interessengruppen, mit denen die Kommission bei der Ausarbeitung dieses Vorschlags zusammengearbeitet hat."
Europol: Auf "andere Kriminalitätsbereiche" ausweiten?
Der FDP-Europaabgeordnete Körner warnt vor einem Dammbruch mit der Chatkontrolle: "Wenn wir das einmal einführen, dann wird es eben schnell wieder Punkte geben: Dann ist der nächste Terroranschlag, da weiß ich doch schon, dass die politische Forderung da ist: 'Oh, da brauchen wir jetzt auch die Chatkontrolle für'."
Tatsächlich zeigen Recherchen von netzpolitik.org: Die Europäische Polizeibehörde Europol wünschte sich beim Treffen mit der EU-Kommission, dass "andere Kriminalitätsbereiche, die von der Aufdeckung profitieren würden" zusätzlich in das Gesetz geschrieben werden. Die Kommission erklärt dazu gegenüber dem ZDF:
In der EU wird die Kontrolle von Chats weiter diskutiert
Ob sich die EU-Kommission mit ihrem Chatkontrolle-Vorschlag durchsetzt, ist derzeit noch offen: In abschließenden Verhandlungen will sich das Europaparlament gegen die Pläne einsetzen, doch es gibt starke Befürworter im Rat der Mitgliedsstaaten, wodurch man sich bisher auf keine Verhandlungsposition einigen konnte.
Um Ashton Kutcher ist es in puncto Engagement für das Gesetzesvorhaben unterdessen ruhiger geworden: Im September 2023 musste er von seinem Vorstandsposten von "Thorn" zurücktreten, weil er sich mit seiner Frau Mila Kunis für einen Schauspielerkollegen eingesetzt hatte, der wegen zweifacher Vergewaltigung verurteilt wurde.
Die Autoren sind Redakteure des ZDF-Dokuformats "Die Spur".
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