Deutsch-französischer Mittler: Alfred Grosser ist tot
Deutsch-französischer Mittler:Alfred Grosser ist tot
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Er erklärte Frankreich den Deutschen, den Franzosen Deutschland - Alfred Grosser hat die Verständigung zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Nun ist der Politologe gestorben.
Spezialist für deutsch-französische Fragen: Alfred Grosser
Quelle: dpa
Er zählte zu den prägenden Persönlichkeiten der deutsch-französischen Beziehungen: Der deutsch-französische Historiker und Politikwissenschaftler Alfred Grosser ist tot. Er starb im Alter von 99 Jahren.
Grosser hat versucht, den Franzosen Deutschland zu erklären und den Deutschen Frankreich - in zahlreichen Büchern, Vorträgen und bei Schulbesuchen. Das Deutsch-Französische Jugendwerk bezeichnete er als das "schönste Kind des Élysée-Vertrags", aus dem es hervorging. Der 1963 unterschriebene Freundschaftsvertrag gilt als Meilenstein in der Aussöhnung der einst verfeindeten Länder. Für seine Rolle als Vermittler wurde Grosser vielfach ausgezeichnet.
1963 besiegelten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer das Ende der "Erbfeindschaft" zwischen ihren Nationen - der Beginn einer "Erbfreundschaft"? Bis heute?13.02.2023 | 44:44 min
Grosser nahm kein Blatt vor den Mund
1925 in Frankfurt am Main geboren, emigrierte Grosser 1933 mit seiner Familie jüdischer Herkunft nach Frankreich. Dem Vater, Professor für Kinderheilkunde, hatte das Hitler-Regime ein Lehrverbot auferlegt. Er starb kurz nach der Übersiedlung in Paris. Die Mutter erhielt 1937 mit ihren Kindern die französische Staatsbürgerschaft. Später konvertierte Grosser zum Katholizismus.
Alfred Grosser studierte in Paris Politikwissenschaft und Germanistik, lehrte am renommierten Institut d’études politiques de Paris - kurz Sciences Po. Er schrieb für zahlreiche Zeitungen politische Kolumnen. Früh begann er, sich für die Aussöhnung der beiden Nachbarvölker zu engagieren. Noch 1948 gründete er ein Komitee, unter anderen mit dem Philosophen Jean-Paul Sartre, das mit Brieffreundschaften und Besuchen einen Dialog in Gang bringen sollte.
Der Intellektuelle nahm kein Blatt vor den Mund, gleich zu welchem Thema. Den Solidaritätsmarsch nach den Anschlägen auf die Pariser Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" 2015 nannte er eine Heuchlerparade. Er habe es als lächerlich empfunden, dass an der Anti-Terror-Großdemonstration für Pressefreiheit Politiker aus Ankara und Moskau teilgenommen hätten.
Grosser: Keine Aufklärung ohne Kritik
In der heißen Debatte um die Israel-Kritik von Günter Grass und dessen politisches Gedicht "Was gesagt werden muss" aus dem Jahr 2012 stellte er sich auf die Seite des verstorbenen deutschen Schriftstellers. In dem Gedicht hatte Grass Deutschland aufgefordert, keine U-Boote mehr an Israel zu liefern, weil sonst das iranische Volk ausgelöscht werden könnte. Die israelische Regierung provoziere, meinte Grosser damals und unterstützte den Literaturnobelpreisträger.
Als Antisemit wurde Grosser spätestens seit seinem 2009 erschienenen Buch "Von Auschwitz nach Jerusalem" beschimpft. In dem Werk erklärte er den Deutschen, warum sie kritischer mit Israel umgehen sollen. Für Grosser gab es keine Aufklärung ohne Kritik. Damals, als Frankreich in Algerien folterte und Dörfer zerstörte, habe er mit derselben Schärfe, mit der er heute Israel kritisiere, die Franzosen verurteilt, legte er seine Meinung dar. In einer Gedenkstunde zur Erinnerung an die NS-Pogromnacht bekräftigte er 2010 in der Frankfurter Paulskirche seine kritische Haltung zur Besatzungspolitik in den Palästinensergebieten.
Zum Tod Grossers schrieb Frankreichs Botschafter François Delattre: "Alle Akteure der deutsch-französischen Freundschaft fühlen sich heute verwaist". Grosser selbst sagte einmal über sein Verhältnis zu Deutschland und Frankreich:
In Frankreich gehöre ich dazu, Deutschland begleite ich von außen.
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