Greenpeace-Untersuchung:Verbotene Pestizide auf importiertem Obst
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Auf importierten Limetten findet Greenpeace Dutzende - auch in der EU verbotene - Pestizide. Die Mittel werden legal in der EU produziert und kehren auf importiertem Obst zurück.
Greenpeace identifiziert mehrere in der EU verbotene Pestizide auf Südfrüchten. Diese werden hier weiterhin produziert und in Ländern wie Brasilien auf dem Feld eingesetzt.25.09.2023 | 7:45 min
Anfang des Jahres kaufte die Umweltorganisation Greenpeace brasilianische Limetten aus Supermärkten in acht EU-Ländern. Der Einkauf wurde anschließend ins Labor geschickt und getestet. Die Umweltorganisation hatte einen Verdacht, der sich bestätigte: Im Labor wurden ein Desinfektionsmittel, drei Herbizide, zehn Fungizide und 13 Insektizide nachgewiesen.
"Wir haben zum Beispiel Alpha-Cypermethrin gefunden. Das ist in der EU verboten, weil es für die Menschen zu viele negative Auswirkungen hat", erklärt Lis Cunha, Expertin für Handel bei Greenpeace Deutschland. "Laut der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hat Cypermethrin negative Auswirkungen auf das Hormonsystem, sowie auch auf die DNA."
Einsatz verboten, Export der Pestizide erlaubt
Die Umweltorganisation warnt schon lange vor Importen aus Lateinamerika und auch vor der Umsetzung des geplanten Freihandelsabkommens Mercosur mit fünf lateinamerikanischen Staaten. Das könnte den Import gefährlicher Chemikalien vervielfachen. Aber wie können Gifte, die hier verboten sind, so einfach in unseren Supermärkten landen?
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Lis Cunha liefert eine Erklärung: "In Europa dürfen sie nicht gekauft werden, sie können aber weiterhin hier produziert werden für den Export. Wir haben uns auch die brasilianische Datenbank angeschaut und haben herausgefunden, dass ein Drittel der Wirkstoffe, die wir auf den Limetten gefunden haben, in Brasilien von europäischen Unternehmen wie Bayer oder BASF verkauft werden."
So dürfen Stoffe, die als Gefahr für Umwelt und Gesundheit eingestuft wurden, weiter produziert und exportiert werden und kommen in Form von Nahrungsmitteln wie Limetten, Mais, Soja und Mangos wieder zu uns zurück.
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Deutliche Hinweise für die Gefährlichkeit der Stoffe
Sowohl die produzierenden Unternehmen als auch das Bundesinstitut für Risikobewertung geben dazu eine ähnliche Stellungnahme ab: Das Verbot eines Stoffes sage nichts über dessen Sicherheit aus.
Für die Gefährlichkeit der Stoffe gibt es jedoch bereits deutliche Hinweise. Nach der Auswertung von 150 internationalen Publikationen kam man beim Pestizid Aktions-Netzwerk e.V auf rund 840 Millionen Vergiftungsfälle weltweit pro Jahr - wie etwa aufgrund der Chemikalie Chlorpyrifos.
Mehrere Hundert Tonnen Pestizide werden jedes Jahr in deutschen Gärten verteilt. Keine gute Idee, sagen Umweltschützer. Das schade Natur und Gesundheit. Und es gehe auch anders.
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"Chlorpyrifos ist das krasseste Beispiel, weil es dazu auch nachweisliche Schäden bei der Gehirnentwicklung von Kindern gibt", sagt der Toxikologe Peter Clausing dazu. Als die Gefahren des Stoffes erkannt wurden, sei die EU schnell aktiv geworden und habe ihn 2018 bereits verboten. In den Ländern des globalen Südens sei dessen Einsatz als Insektizid jedoch weiter massiv und die Folgen verheerend.
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit verweist auf Grenzwerte
Die gefundenen Stoffe auf den Limetten der deutschen Supermärkte liegen jedoch alle noch unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. So heißt es auch vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, dass für deutsche Verbraucher keine Gefahr bestehe, solange Grenzwerte bei den Produkten eingehalten würden.
In Brasilen sieht das allerdings anders aus. Denn dort werden die hierzulande hergestellten Gifte aktiv auf die Felder gespritzt. Dadurch treten hier vermehrt Krankheiten auf, wie Greenpeace vor Ort dokumentierte.
Export verbotener Stoffe aus Deutschland wächst
Deutschland ist ein führendes Pestizidexportland. Insgesamt 28 in der EU verbotene Stoffe wurden vergangenes Jahr aus Deutschland zum Export angemeldet. Von 2021 zu 2022 hat sich der Export verdoppelt.
In Deutschland sind circa 1.000 Pflanzenschutzmittel zugelassen - wie Insektizide oder Fungizide. Ein Pflanzenschutzmittel besteht aus einem giftigen Wirkstoff und einem oft auch giftigen Beistoff, der das Mittel zum Beispiel wasserlöslich macht.12.07.2021 | 0:29 min
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung heißt es dazu: "Wir werden von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind."
Im Bundeslandwirtschaftsministerium erklärte man, dass ein Entwurf für eine Verordnung vorbereitet wird, um den Export zu verbieten. Auch ein EU-weites Exportverbot soll kommen.
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Einsatz in der EU durch Ausnahmefälle
Aber auch innerhalb der EU werden nicht zugelassene Pestizide eingesetzt. Hier handelt es sich dann um eine Notfallzulassung. Obwohl der Europäische Gerichtshof diese Notfallzulassungen als unzulässig einstuft, wurden seit Anfang des Jahres in 14 EU-Ländern insgesamt 29 solcher Ausnahmen gewährt.
Inwieweit nun ein Exportverbot durchgesetzt werden kann, ist fraglich. Denn im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommens sollen zunächst Zölle auf Pestizide wegfallen.