Nonne kämpft gegen Hexenverfolgung

    Nonne kämpft gegen Kult:Foltern im Feuer: Wo Hexenwahn noch lebt

    von Normen Odenthal
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    Sie quälen Frauen mit glühenden Eisen. Damit sie gestehen, Hexen zu sein. Szenen wie im Mittelalter. Doch es ist Gegenwart in Papua-Neuguinea. Eine Schweizer Nonne kämpft dagegen.

    Nonne Lorena, Hexenwahn
    Nonne Lorena kümmert sich um Margret, die - wie andere Frauen in Papua-Neuguinea - gefoltert wurde. (Archivbild)
    Quelle: ZDF

    Margret wälzt sich auf dem Boden, ihr Körper zuckt. Sie schreit: "Ich bin keine Hexe, lasst mich gehen". Margret durchlebt diese Hölle immer wieder. Das Trauma ihrer Folterung. Monate später ist nichts bewältigt. Die Angst, die Wut. Alles muss raus. Bis Schwester Lorena sie auffängt, in den Arm nimmt. Beide Frauen weinen, eng umschlungen. "Du bist etwas ganz Besonderes, Margret", flüstert die Nonne. "Ich lasse Dich nicht fallen. Niemals."
    Margret ist eine von 251. So viele Frauen hat Schwester Lorena in den vergangenen Jahren aufgefangen, in den Arm genommen. Man kann auch sagen: So viele Leben hat sie gerettet. Denn nicht selten endet die Hexenverfolgung mit Folter bis zum Tod.
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    Dr. Werner Tschacher, Historiker in Köln, sagt:

    Mir läuft ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn ich höre, was Schwester Lorena berichtet.

    Dr. Werner Tschacher, Historiker

    Das Thema Hexenverfolgung beschäftigt auch ihn - aber eben aus historischer Perspektive. "Ich habe nur meine Quellen, ich kann nicht mit den Menschen reden. Ich kann nur versuchen, mir vorzustellen, wie eine Gesellschaft aussieht, in der es diese Verfolgung gibt, wie viel Leid das bedeutet." Deshalb sei es für ihn wichtig, die Schilderungen der Nonne zu hören - auch wenn sie aus einem weit entfernten Land kommen. Für Tschacher ist klar: "Wir leben auf einer Erde. Es betrifft uns."
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    So lässt sie sich vom Historiker Tschacher Spuren der Hexenverfolgung in Köln zeigen. Er schildert das Schicksal der Katharina Henot - hingerichtet im Jahr 1627. "Sie hat nie gestanden", sagt Tschacher. Und Schwester Lorena sieht die Parallele: "Auch in Papua fordern sie die Frau auf zu gestehen. Tut sie das nicht, beginnen sie zu foltern."
    Christinas Fall ist ein Beispiel. In ihrem Dorf im Hochland starb ein Mann. Unerwartet. Schnell kam das Gerücht auf, eine Hexe habe ihn getötet. Diese Hexe sei Christina. So unglaublich es klingt, von einer Minute zur anderen kann das Urteil fallen, Beweise braucht es nicht. Wie sollten die auch aussehen?
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    "Sündenbock-Phänomen": Foltern mit Eisenstangen

    "Wenn jemand krank ist und stirbt, muss ein anderer verantwortlich sein. Wir suchen den Schuldigen, der mit seiner bösen Hexerei Besitz vom Körper des Verstorbenen genommen hat." Das sind die Worte von Roger, einem der Folterer Christinas. Er ist Lehrer im Dorf, unterrichtet die Kinder in Lesen und Schreiben. "Sündenbock-Phänomen" nennt das Schwester Lorena. Jemand muss für das Unglück verantwortlich sein.
    Die Wahl fiel auf Christina. Die Männer aus dem Dorf machten ein Feuer, fesselten die Frau, folterten sie mit glühenden Eisenstangen. Man kann das nicht beschreiben. Aber es gibt Fotos, die das belegen. Darauf sieht man wie das komplette Dorf mitmacht oder zusieht.
    Schwester Lorena spricht auch mit diesen Tätern. "Ich verurteile nicht. Ich will verstehen", sagt sie. Womöglich erklärt das, warum man ihr mit Respekt begegnet. Doch oft schon hatte auch sie ein Messer am Hals. Vielleicht hat sie nur die Nonnentracht gerettet. Keine Frage: Lorena riskiert ihr Leben. "So lange ich stehe, so lange ich meine Hände ausstrecken kann, mache ich weiter", sagt sie und lacht sogar dabei.

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