Fluss Oder:Warum sich das Fischsterben wiederholen kann
von André Beinke
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Im Sommer 2022 starben massenhaft Fische in der Oder. Der ökologische Schaden war gewaltig - die Kosten hoch. Und Experten warnen: Die Katastrophe kann sich wiederholen.
Umweltdesaster in Mitteleuropa: Hunderttausendfach sterben 2022 Fische in der Oder. Die Ursachen sind lange unklar. Im Sommer 2024 wiederholt sich das Drama. Ist die Oder zu retten?20.10.2024 | 28:44 min
Im Sommer 2022 kommt es in der Oder zu einer der schlimmsten Umweltkatastrophen seit Jahrzehnten: Über 1.000 Tonnen Fische ersticken in den Gewässern. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die toxische Wirkung der Goldalge mit dem wissenschaftlichen Namen "Prymnesium parvum" dafür verantwortlich war. Viele Faktoren haben damals offenbar zu massenhaftem Wachstum der Goldalge geführt: Zu viel Salz im Wasser - eingeleitet wohl meist beim Kohleabbau -, Abwasser, Hitze und Niedrigwasser.
Wohl unter Stress produziert die Alge, die üblicherweise nur in Brackwasser vorkommt, ein Gift, das für Fische und andere Wasserbewohner tödlich ist. Ein Szenario, das sich auch heute noch wiederholen kann.
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Neues Sterben im letzten Sommer
"Insgesamt ist aus meiner Sicht die Situation nach wie vor problematisch", sagt Dirk Treichel, Leiter des Nationalparks Unteres Odertal. Vor allem die Salzkonzentrationen müssten reduziert werden. Noch wird aber immer Salz eingeleitet. Die Zeitbombe sei weiter "am Ticken", so Treichel.
Im Sommer 2024 kam es erneut zu einem Fischsterben im Gleiwitzer Kanal und dem Stausee Dzierżno Duże. Diese stehenden Gewässer bieten ideale Bedingungen für die Goldalge. Seit Anfang August haben polnische Umweltbehörden mehr als 100 Tonnen tote Fische aus den Zuflüssen geborgen.
Immerhin: Um ein weiteres Fischsterben zu verhindern, investieren Deutschland und Polen inzwischen viel Geld in Schutzmaßnahmen. Brandenburg hat ein dreistufiges Warnsystem eingeführt, so das Landesamt für Umwelt. Unter der Regierung des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk habe sich auch die grenzübergreifende Kommunikation verbessert, so die Behörde. Und jährlich sollen 200.000 Euro in ein Hightech-Monitoringsystem fließen.
Das 3-Stufen-Warnsystem in Brandenburg
Tritt ein, wenn an den Messstationen erhöhte Chlorophyll- oder pH-Werte festgestellt werden. Ein höherer pH-Wert begünstigt das Algenwachstum und kann zu toxischen Stoffen führen.
Greift, wenn eine Algenblüte mit Verdacht auf Prymnesium parvum entsteht. Das Wasserwirtschaftsamt schlägt Alarm und empfiehlt erste Schutzmaßnahmen.
Bestätigt, dass Prymnesium parvum für die Algenblüte verantwortlich ist. Das Wasserwirtschaftsamt informiert die relevanten Behörden und empfiehlt weitere Maßnahmen.
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Moderne Messtechnik
In Frankfurt (Oder) ist zusätzlich ein sogenanntes Daphnientoximeter für 65.000 Euro installiert worden, das mithilfe von Wasserflöhen mögliche Schadstoffe aufspürt. Die kleinen Kaltblüter reagieren besonders empfindlich auf das Gift der Goldalge. Seit Sommer 2024 beauftragt Brandenburg auch eine Firma, die gezielt nach der giftigen Goldalge sucht. Ab März 2025 soll dann ein landeseigenes Monitoringprogramm starten. Das Landeslabor in Frankfurt (Oder) soll mithilfe eines neu entwickelten Tests die Algen-DNA in Echtzeit messen können.
Was genau 2022 die Produktion der giftigen Stoffe durch die Algenblüte und damit das Fischsterben ausgelöst hat, ist bis heute noch nicht vollständig erforscht. Untersuchungen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben ergeben, dass über die genannten Faktoren hinaus Chemikalien aus der Industrie und Pestizide aus der Landwirtschaft den Stress im Wasser erhöhen und die Giftbildung begünstigen.
Gen der Alge entschlüsselt
Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben inzwischen das Erbgut der Alge entschlüsselt und die Gene für die Giftbildung identifiziert. Ein wichtiger Schritt. Bis der allerdings zur Entwicklung von Tests oder sogar Gegenmitteln führt, wird es wohl noch Jahre dauern.
Helfen würde aber vor allem, so sagen Treichel und andere Experten, die Einleitung von Salz aus den Bergwerken in die Oder zu stoppen oder zu reduzieren. Filteranlagen gibt es zwar, die sind aber teuer. Die neue polnische Regierung plant solche Anlagen. Die Finanzierung soll bis Ende 2024 stehen.
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Eine tickende Zeitbombe
Teuer übrigens ist das Fischsterben aber auch über solche Präventionsmaßnahmen hinaus. Das Land Brandenburg zum Beispiel hat bis 2023 Schäden in Höhe von rund 230.000 Euro an zehn betroffene Fischereibetriebe ausgeglichen. Und: "Die durch das Gift der Goldalge verursachten Schäden belasten die Fischereibetriebe nach wie vor", teilt das Landesamt für Umwelt mit. Für 2024 sind weitere 200.000 Euro vorgesehen, für 2025 und 2026 jeweils 300.000 Euro.
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