Integration: Afghanisches Cricket-Team in Hamburg gegründet
Afghanisches Team gegründet:Wie Cricket Geflüchteten in Hamburg hilft
von Homeira Rhein
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Sie sind vor den Taliban geflohen, jetzt finden sie in Hamburg ein Stück Heimat - mit Cricket. Afghanische Geflüchtete gründen die "Neuland Lions" und bekommen viel Unterstützung.
In Afghanistan gehört Cricket zu den beliebtesten Sportarten - Geflüchtete bringen sie auch mit nach Deutschland. In Hamburg haben einige von ihnen jetzt eine Mannschaft gegründet.08.11.2024 | 15:27 min
Handschuhe, Kopf- und Beinschutz: Noor Wahdey steht in voller Montur in einer Sporthalle im Süden Hamburgs und schwärmt von seinem Lieblingssport. Er und sein Team treffen sich einmal in der Woche, um gemeinsam Cricket zu spielen. Womit hierzulande nur wenige etwas anfangen können, ist in Afghanistan, dem Heimatland des 25-jährigen Informatikers, Volkssport.
Das aus England stammende Spiel ist nach Fußball die beliebteste Sportart der Welt. Alle Jungs aus dem Team der Neuland Lions sind mit Cricket aufgewachsen. Benannt haben sie sich nach dem Ort, an dem sie derzeit leben: der Notunterkunft für Geflüchtete in Hamburg-Neuland.
Hamburger Cricket-Verband bietet Hilfe an
In der ehemaligen Halle eines Großhandels sind mehr als 1.000 Menschen aus Afghanistan, Iran, Irak, Syrien und der Türkei untergebracht. Die Bewohnerinnen und Bewohner leben in Compartements. Das sind durch Stellwände abgetrennte und oben offene Abteile mit Platz für zwölf Personen. Noor und sein jüngerer Bruder Nazir leben hier seit gut einem Jahr.
2021 flüchtete Samira (18) vor den Taliban aus Kabul. Mit ihrer Schwester und Cousine schafft sie es an Bord eines Evakuierungsflugs nach Deutschland. In Hamburg beginnt für sie ein neues Leben. Mima-Reporterin Homeira Rhein hat sie getroffen.23.09.2024 | 3:27 min
Weil das Außengelände der Massenunterkunft sich nicht zum Spielen eignet, wenden die Brüder sich an das DRK, das die Unterkunft betreibt. Dort nimmt man umgehend Kontakt zum Hamburger Cricket-Verband auf. Der ist ganz angetan, spendiert den Spielern die Ausrüstung und organisiert mit Hilfe des Harburger Turnerbundes auch gleich noch Platz und Trainer. Die Neuland Lions sind jetzt eine richtige Mannschaft.
Hareth Almukdad floh aufgrund von Verfolgung aus seinem Heimatland Syrien. Heute organisiert er Sprachcafés in Berlin. Hier können sich Geflüchtete mit Deutschen ungezwungen mündlich austauschen und so die Sprache lernen.22.10.2024 | 1:53 min
Noor hofft auf Anerkennung des Studienabschlusses
Die jungen Cricketspieler sind in den letzten ein bis zwei Jahren vor den militant-islamistischen Taliban geflüchtet. Noor Ahmad Wahedy hatte es vor deren Machtübernahme im Sommer 2021 gerade noch geschafft, sein Informatikstudium zu beenden.
Seinen Abschluss versucht er gerade in Deutschland anerkennen zu lassen. Ob es klappen wird, weiß er nicht. Aber ausruhen kommt nicht infrage. Fünf Mal die Woche paukt er im Sprachkurs für Geflüchtete Deutsch.
Die Brüder Noor und Nazir sind vor den Taliban geflohen.
Quelle: ZDF
Noor und sein Bruder erfahren das erste Mal in ihrem Leben, wie es sich anfühlt, in Frieden und Freiheit zu leben. Dafür mussten sie Eltern und Geschwister zurücklassen. Sie fehlen. Die Momente auf dem Spielfeld geben Noor ein bisschen Heimatgefühl.
Sie erinnern ihn an Augenblicke des Glücks, die es in Afghanistan natürlich auch gab. Unbeschwerte Nachmittage auf dem Cricketplatz mit Freunden und Brüdern. Jetzt sind seine Teamkollegen sein Familienersatz.
Die weltweit zweitbeliebteste Sportart wird olympisch: Cricket ist 2028 in Los Angeles dabei - ebenso wie Squash, Lacrosse, Baseball/Softball und Flag Football.
Cricket-Verein: "Hier fängt Integration an"
Wer der Mannschaft beim Spielen zuschaut, erkennt, dass hier keine Anfänger auf dem Platz stehen. Der Umgang mit Ball und Schläger wirkt professionell. Nazir Ahmad Wahedy erklärt das mit jahrelanger Übung. "Das Training ist eine große Chance, denn im Team können wir uns weiter verbessern," sagt er.
Damit meint er nicht etwa die afghanische, die zu den besten Mannschaften der Welt gehört, sondern die deutsche. Abwegig ist das nicht. Beim Cricket darf auch für Deutschland spielen, wer keinen deutschen Pass hat.
Neben der Abwechslung zu Behördengängen, Sprachkursen und dem tristen Alltag in der Unterkunft, ermöglicht der Sport den jungen Männern aber vor allem gesellschaftliche Teilhabe. Das, sagt Siegfried Franz, könne man gar nicht hoch genug schätzen.
Homeira Rhein ist Reporterin im ZDF-Studio Hamburg.
Deutschland sucht Fachkräfte, und viele wären verfügbar. Doch nach einem Jahr sind erst sieben Prozent der Geflüchteten in Arbeit. Wie geht es schneller?26.09.2024 | 29:45 min
Quelle: ZDF
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