Nelkenrevolution: Portugal 50 Jahre nach der Diktatur

    50 Jahre nach Nelkenrevolution:Portugals Demokratie wieder in Gefahr

    von Teresa Corceiro
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    Portugal feiert 50 Jahre Nelkenrevolution, sie bedeutete das Ende der Diktatur in dem Land. Doch das Jubiläum ist vergiftet. Denn nie war die Demokratie so gefährdet wie jetzt.

    Zwei Menschen umarmen sich. Sie haben Nelken in der Hand.
    Vor 50 Jahren stürmten die Menschen auf die Straße und beendeten die Diktatur. Wie widerstandsfähig ist die portugiesische Demokratie heute noch?25.04.2024 | 8:55 min
    Der 25. Apri 1974 ist das wichtigste Datum in der jüngsten Geschichte Portugals. Vor 50 Jahren stürzen junge Offiziere der portugiesischen Armee den ungeliebten Diktator Marcelo Caetano, Nachfolger von António Oliveira de Salazar. Die Soldaten beenden eine 48 Jahre dauernde Diktatur. Das Regime, das mit seiner politischen Polizei PIDE Angst und Schrecken verbreitete, Zensur übte, Oppositionelle folterte, kollabierte.
    Die Portugiesen hatten genug von den Kolonialkriegen, die Unsummen verschlangen, während weite Teile der Bevölkerung in bitterer Armut lebten. Doch das Regime ignorierte in blinder Arroganz die Zeichen der Zeit.

    Nelkenrevolution beginnt mit einem Lied

    In der Nacht auf den 25. April erklingt ein Lied im Radio: "Grândola Vila Morena", komponiert und gesungen vom Dichter und Musiker José Afonso. In den Kasernen sitzen die aufständischen Soldaten vor den Radiogeräten und warten gebannt. Es ist das verabredete Zeichen mit Panzern und Militärfahrzeugen nach Lissabon zu ziehen.
    Eine schwarz-weiß Aufnahme von der Nelkenrevolution in Lissabon, Portugal. Ein Panzer ist umringt von begeisterten Menschen.
    Mit der Nelkenrevolution 1974 ebnete Portugal seinen Weg zur Demokratie. Heute, fünfzig Jahre später, ist die Demokratie von erstarkenden rechten Kräften bedroht.
    Quelle: AP

    Im Morgengrauen besetzen die Putschisten alle Ministerien. Der Diktator Caetano verschanzt sich in einer Kaserne in der Innenstadt. Im Radio werden die Lissabonner aufgerufen zuhause zu bleiben, aber die Menschen scheren sich nicht darum und stürmen zu Tausenden auf die Straße, jubeln der Putschisten zu.
    Sie klettern auf die Panzer der Aufständischen und ebnen der Revolution den Erfolg. Marcelo Caetano gibt auf und verlässt das Land- für immer. Das Lied "Grândola Vila Morena" wird zu einer Art zweiten Nationalhymne.
    Chega Parteivorsitzender André Ventura spricht vor einem großen Publikum, links neben ihm ist die Flagge der Partei zu sehen.
    Lange schien Portugal immun gegen Rechtspopulismus - doch die Zeiten haben sich geändert. Dem Land, bisher durch die Sozialisten regiert, könnte ein Wandel bevorstehen.08.03.2024 | 3:17 min

    Ursachen der Nelkenrevolution

    Portugal war eine Klassengesellschaft, auch Bildung ungleich verteilt. Nur die Söhne der Familien höherer Klassen konnten eine Offizierslaufbahn verfolgen. Der Mangel an Nachwuchs zwingt die Mächtigen, auch jungen Männern aus einfachen Verhältnissen den Zugang zum Offiziersrang zu ermöglichen.
    Die Rekruten, die dann die Militärakademien durchlaufen, kennen Elend und Armut im Land und blicken zunehmend kritisch auf den Kolonialkrieg. Diese jungen Hauptleute werden Jahre später zu Anführern der Revolution. Es sind Teile des Militärs selbst, die das Ende des Regimes einläuten.
    Die Projektion des Bildes eines Soldaten auf einen Bogen am Comercio Platz in Lissabon, Portugal zu den Feierlichkeiten 50 Jahre Nelkenrevolution.
    Die Feierlichkeiten des Jubiläum zu 50 Jahren Nelkenrevolution in Portugal: Mit der Revolution endete die längste europäische Diktatur.
    Quelle: AFP

    Wieso eigentlich Nelken?

    Ihren Namen verdankt die Nelkenrevolution einem puren Zufall - und einer Kellnerin. Celeste Caeiro arbeitete in einem Restaurant Im Stadtzentrum, das just an jenem 25. April sein einjähriges Bestehen feiern wollte. Der Besitzer hatte rote Nelken gekauft, um sie seinen Gästen zu schenken. Daraus wurde nun nichts, die Kellnerinnen bekamen die Nelken.
    Andre Ventura
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    Auf ihrem Heimweg bat ein Soldat Celeste Caiero um eine Zigarette. Die Nichtraucherin bot dem Mann stattdessen eine Blume an. Der Soldat steckte die Nelke in den Lauf seines Gewehrs. Seine Kameraden machten es ihm umgehend nach und nur wenig später verteilten Blumenhändlerinnen ihre Nelken an die Soldaten. Die Revolution hatte ihr Symbol.

    Vergiftetes Jubiläum der Nelkenrevolution

    Lange war man in Portugal stolz darauf, dass Rechtspopulisten hier nicht Fuß fassen konnten. Tempi passati. Bei der vorgezogenen Neuwahl am 10. März hat die rechtspopulistische Partei Chega 18,07 Prozent der Stimmen erreicht, Sozialisten und Konservative jeweils rund 18 Prozent.
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    In seiner Regierungserklärung ließ der neue Premier schon durchblicken, wem er sich am Ende andienen dürfte - der Chega. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass die Portugiesen ausgerechnet im Jubiläumsjahr ihre hart erkämpfte Demokratie so sehr auf die Probe stellen.
    Teresa Corceiro ist Redakteurin in der 3sat-"Kulturzeit"-Redaktion.

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