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Nationalgalerie in Berlin:Goldin kritisiert Deutschlands Nahost-Kurs
von Stephan Merseburger
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Buhrufe in der Nationalgalerie: Nan Goldin hat Deutschlands Haltung im Gaza-Krieg verurteilt. Die Künstlerin nutzte ihre Ausstellungseröffnung als politische Plattform.
Die US-amerikanische Künsterlin Nan Goldin hat Deutschlands Nahost-Kurs bei der Eröffnung ihrer Retrospektive "This Will Not End Well" kritisiert.
Quelle: dpa
Begleitet von Sprechchören und palästinensischen Flaggen in und vor der Nationalgalerie in Berlin hat Nan Goldin Israel bei der Eröffnungsrede ihrer Ausstellung "This Will Not End Well " scharf kritisiert. Die jüdisch-amerikanische Künstlerin und Aktivistin verurteilte den Krieg in Gaza und Libanon als "Völkermord" und kritisierte die deutsche Haltung in dem Konflikt.
Nationalgalerie-Direktor Biesenbach machte vor und nach Goldins Rede klar, dass er anderer Meinung ist, verurteilte den Terror der Hamas am 7. Oktober und betonte, dass Existenzrecht Israels stehe außer Frage. Es gab Buhrufe. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der die Neue Nationalgalerie gehört, geißelte die Aussagen Goldins als "unerträglich durch ihre Einseitigkeit gefährlich verharmlosend".
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Nationalgalerie startet Versuch zum Dialog
Es sind die Fronten, die der Nahost-Konflikt durch die Gesellschaft und den Kulturbetrieb verlaufen lässt. Parallel zur Ausstellung hat die Neue Nationalgalerie das Symposium "Kunst und Aktivismus in Zeiten der Polarisierung. Diskussionsraum zum Nahost-Konflikt", das am Sonntag stattfindet, organisiert.
Kuratiert vom israelisch-deutschen Publizisten Meron Mendel und seiner Frau, Saba-Nur Cheema, deutsche Politologin mit muslimisch-pakistanischen Wurzeln. Es ist der Versuch, beide Seiten ins Gespräch zu bringen, sie aus ihren "Echokammern zu holen ohne zu behaupten, Lösungen zu haben", wie Cheema und Mendel sagen.
Der Direktor der Neuen Nationalgalerie Biesenbach versuchte eine Gegenrede zu halten, wurde dabei aber von Aktivisten niedergeschrien.
Quelle: dpa
Goldin torpediert Austausch zu Nahost-Konflikt
Doch Nan Goldin, die eingeladen wurde, hat schon im Vorfeld der Ausstellung das Symposium torpediert. Statt Diskussion herrschte auch hier Streit, namhafte Künstlerinnen, die schon zugesagt hatten, sagten wieder ab. Das Symposium soll am Sonntag stattfinden und will Fragen nach der Verantwortung politischer Kunst im Kontext des Nahost-Konfliktes stellen. Doch einige Künstler verweigern den Dialog, Boykott statt Austausch. Man bleibt lieber in seiner Blase.
Mit der eindrucksvollen Retrospektive will die Neue Nationalgalerie Nan Goldin, eine der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen überhaupt, ehren und ihr Werk würdigen. Und sich trotzdem von ihren politischen Überzeugungen abgrenzen. Schon im Vorfeld, so Klaus Biesenbach, habe man der Künstlerin klargemacht, dass das Museum mit ihrer Position im Nahost-Konflikt nicht übereinstimme und zur historischen Verantwortung Deutschlands stehe. Und dass man mit dem Symposium ins Gespräch kommen wolle.
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Goldin: Anklage gegen Netanjahu "eine gute Nachricht"
Goldin sagte am Freitag während des Pressetermins zur Ausstellungseröffnung, dass sie sich seit den 80er Jahren als politische Künstlerin begreife. Die Themen ihrer Fotoarbeiten: Geschlechter-Identitäten, die Aids-Krise, Geisteskrankheit, Suizid und der Kampf gegen die Opioid-Krise in den USA - all das sei politisch. Und jetzt die Krise in Nahost.
Die Anklage des Internationalen Gerichtshofes gegen Israels Premier Netanjahu. "Das ist eine gute Nachricht", so Goldin. Goldin ist Künstlerin und Aktivistin zugleich und dabei kompromisslos. Auf deutsche Befindlichkeiten wollte sie keine Rücksicht nehmen.
Stephan Merseburger ist Leiter des ZDF-Landesstudios Berlin
Quelle: ZDF
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