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15 Jahre Erdrutsch Nachterstedt:Binnen weniger Minuten brach ihre Zukunft ein
von Annette Pöschel
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Am 18. Juli 2009 tut sich plötzlich die Erde auf. Anderthalb Häuser werden in die Tiefe gerissen. Ohne Vorwarnung. Drei Menschen sterben bei dem Unglück.
Vor 15 Jahren rutscht ein Landstreifen in den Concordiasee bei Nachterstedt. Drei Personen sterben, rund 40 werden obdachlos. Die Ursache ist bis heute ungeklärt.15.07.2024 | 10:28 min
Es ist früh am Morgen als Hans und Monika Fraust vom Schreien ihrer Nachbarin geweckt werden. "Die Häuser brechen weg, die Häuser brechen weg!" Schlaftrunken blicken sie aus ihrem Fenster und sehen, wie die großen Pappeln vor ihrem Haus absacken. Sie rennen hinaus und sind schockiert. Das Nachbarhaus - einfach verschwunden.
Der Erdrutsch schuf einen riesigen Abhang - die betroffenen Häuser hatten keine Chance gegen die Naturgewalten.
Quelle: AP
Seit 15 Jahren erzählt Hans Fraust seine Geschichte und ringt noch immer nach Worten, was damals in ihm vorging. Unglaube? Angst? Hektik? Schnell das Nötigste greifen. Und in Sicherheit bringen. Dann stehen auch schon Einsatzkräfte vor der Tür - sie evakuieren mehr als 40 Nachbarn.
Heftige Unwetter sorgen in der Schweiz für Erdrutsche und Überschwemmungen. Die Bewohner leiden schwer unter den entstandenen Folgen. Mehrere Menschen werden vermisst. 24.06.2024 | 2:19 min
Nachterstedt liegt am Rande eines stillgelegten Braunkohle-Tagebaus. Lange Jahre hatten sich Bagger ins Erdreich gefressen. 1990 war Schluss. Aus der Mondlandschaft sollte ein freundliches Naherholungsgebiet entstehen. Das riesige Restloch wurde langsam geflutet, 2002 der Concordiasee eröffnet.
Die umliegenden Gemeinden freuen sich auf Wassersport und Fahrradtourismus. Sieben Jahre später finden die voller Zuversicht geschmiedeten Pläne eine jähes Ende. Vor allem aber das persönliche Glück von mehreren Familien.
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Das Unglück reißt drei Menschen in den Tod
Als am 18. Juli 2009 ein hunderte Meter langer Uferstreifen abbricht, rutschen unvorstellbare viereinhalb Millionen Kubikmeter Erde in die Tiefe. Sie reißen zwei Häuser mit sich - und drei Menschen in den Tod. Einer von ihnen ist Thomas Holzapfel. Seine Frau Imke hat in der Nacht Schicht im Krankenhaus. Als sie am Unglücksort ankommt, ist er schon weiträumig abgesperrt.
Das Ausmaß der Katastrophe ist enorm. Die Suche nach einer Möglichkeit zur Bergung der Verschütteten gestaltet sich schwierig.
Quelle: AP
Die Rettungskräfte, bald unterstützt von der Bundeswehr, suchen drei Tage nach Wegen, die Verschütteten zu bergen. Ohne Erfolg.
In dieser Zeit rücken die Nachterstedter zusammen. Schnell spenden sie Kleidung, Haushaltsgeräte und Geld. Notunterkünfte werden zur Verfügung gestellt. Diese Solidarität - auch aus dem gesamten Bundesgebiet - wird noch lange andauern.
Was auch bleibt, ist die Angst vor weiteren Abbrüchen. So erhalten die Evakuierten bald die niederschmetternde Nachricht, dass das Areal zu unsicher ist, ihre Siedlung Sperrgebiet bleiben wird. Nur noch ein einziges Mal können sie kurz in ihre Häuser, um Fotos zu retten oder wichtige Dokumente. Im Januar 2013 wird alles abgerissen.
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Vier Jahre warten auf ein Gutachten
Im Juli 2013 stellen zwei Gutachter-Teams ihre Ergebnisse zur Unglücksursache vor, mit komplizierten Grafiken und vielen Fachbegriffen. Stark vereinfacht, kann man sagen: Unter der Kohleschicht verlief eine Grundwasserader mit deutlich höherem Druck als in den darüberliegenden Schichten.
Wie bei einem Kochtopf der Deckel hochgeht, brach diese Ader nach oben und brachte die Böschung zum Einsturz. Das Unglück hätte nicht verhindert werden können, betonte damals der zuständige Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt.
Der hohe Druck im Grundwasser war der Verursacher des Erdrutsches. Die Fläche ist seither gesperrt und kann nicht genutzt werden.
Quelle: dpa
Nachterstedt: Zurück zur Normalität?
Heute, 15 Jahre nach dem Erdrutsch, ist das Areal rund um die Unglücksböschung in Nachterstedt noch immer Sperrgebiet. Die Sanierungsarbeiten sind weitestgehend abgeschlossen - dauern aber noch an.
Seit 2019 ist der See immerhin auf der anderen Seite wieder freigegeben, ist in Schadeleben Baden, Surfen und Segeln wieder möglich. Eine Entwicklung auf die Nachterstedt auch heute, 2024, noch lange Jahre warten muss.
Hans Fraust und Imke Wiesenberg blicken dem mit gemischten Gefühlen entgegen, Baden werden sie hier wohl nie. "Weil der See für mich das Grab meines Mannes ist", sagt Imke Wiesenberg. "Der liegt hier irgendwo bis in 100 Meter Tiefe, das überschreitet sowieso meine Vorstellungskraft."
Aber auch ihr Mann hatte immer an die Zukunft des Concordiasees geglaubt - und so gönnt sie jedem anderen seinen Spaß. Sie selbst freut sich, irgendwann hier wieder spazieren und die Natur genießen zu können.
Annette Pöschel ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Sachsen-Anhalt.
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