Ministerien warnen:Rechtsrock als Bedrohung für innere Sicherheit
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Der sogenannte Rechtsrock verbreitet menschenverachtendes Gedankengut durch Musik. Ministerien warnen vor seinem Gefährdungspotenzial, Experten fordern mehr Druck auf die Szene.
Bei Rechtsrock-Konzerten versammelt sich die rechtsextreme Szene (Symbolbild)
Quelle: imago images
Musik der extremen Rechten kommt nicht nur brachial, sondern auch ganz lieblich mit gezupfter Wandergitarre daher. "Wir werden immer mehr, und setzen uns zur Wehr", singt die Pfälzer Liedermacherin "Julia Juls" in ihrem Song "Kommt raus, kommt raus". Es geht gegen die Politiker, die angeblich das Land "verraten", gegen Migranten, gegen alle, die nicht "das Volk" sind. Und immer wieder im Refrain: "Wir kämpfen für unser Land. Hand in Hand für den Widerstand."
Rechtsextreme Musik - oft "Rechtsrock" genannt - habe Konjunktur in Deutschland, sagt der Mainzer Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs. Die Musik mit verschiedenen Stilformen von Heavy Metal über Rap bis zu Liedermachern diene der Selbstvergewisserung und Vernetzung der rechten Szene in Deutschland und in ganz Europa. Ihre Urheber wollten mit rassistischen und fremdenfeindlichen Texten die Menschen zum Hass aufstacheln, sagt der Rechtsrock-Experte.
Feiernde dichten einen alten Party-Hit rassistisch um und grölen “Ausländer raus”. ZDFheute live erklärt, wie sich Songs mit rechten Parolen verbreiten und welche Folgen drohen.24.05.2024 | 31:09 min
Rechtsrock-Branche wird kleiner - Trotzdem viele Bands aktiv
Dem Verfassungsschutz waren im vergangenen Jahr rund 130 aktive rechtsextreme Musikgruppen und etwa 60 rechtsextreme Liedermacher oder Solointerpreten bekannt, wie es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Linken heißt.
Obwohl es seit Jahren weniger Konzerte dieser Art in Deutschland gebe (2019: 64 Konzerte, 2023: 39), seien rechtsextreme Bands weiter in großer Zahl aktiv und veröffentlichten zwischen 80 und 100 Tonträger jährlich. Die Zahl einschlägiger Musiklabels und -vertriebe sei in den vergangenen Jahren allerdings kontinuierlich auf 40 gesunken.
Das geht aus einer Statistik des Bundeskriminalamtes für das Jahr 2023 hervor. Rechtsextreme Übergriffe machten knapp die Hälfte der 60.000 politisch motivierten Übergriffe aus. 21.05.2024 | 1:36 min
Rechte Sängerin trat bei AfD-Party auf
Musikwissenschaftler Hindrichs fordert, dass die Sicherheitskräfte mehr Druck auf die Szene ausüben und die Medien das "oft verharmloste oder nicht gesehene" Problem des Rechtsrocks stärker thematisieren müssten. Auch die AfD setze auf rechtsextreme Musik, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Die Aktivistin Julia Götz mit dem Künstlernamen "Julia Juls" sang 2024 beim Neujahrsempfang des AfD-Kreisverbands im südpfälzischen Offenbach an der Queich. Der Verfassungsschutz ordnet sie der Rechtsrock-Szene zu.
Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen AfD-Landesverbands in Mainz betont hingegen, dass nach "hiesigem Kenntnis- und Bewertungsstand" die Liedermacherin "nicht rechtsextrem" sei. Stil und Inhalt des damaligen Auftritts seien "gänzlich unproblematisch" gewesen.
2001 wurde die Blaskapelle Banda Comunale gegründet, um gegen die alljährlichen Neonazi-Aufmärsche in Dresden zu protestieren. Wir haben sie begleitet.12.06.2024 | 9:09 min
Ministerien warnen vor Gefahr für innere Sicherheit
Rechtsextreme Musik, die in ihren Texten Gewalt verherrliche, Menschen herabwürdige und auch das demokratische System abschaffen wolle, stelle eine Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands dar, warnen Sprecher der Innenministerien in Rheinland-Pfalz und Hessen. Rechtsrock fungiere als "Türöffner" für junge Menschen und unpolitische Personen hin zu einer rechtsextremistischen Ideologie. Die Sicherheitsbehörden gingen mit dem Verbot von Konzerten, der Konfiszierung von Tonträgern, aber auch präventiver Informationsarbeit bei Jugendlichen gegen die rechte Musikszene vor.
Bob Dylan hat es getan, auch Rapper Rin zieht es durch: Keine Handys bei Konzerten. Und auch einige Clubs sagen inzwischen: Filmen und Fotografieren verboten. Nische oder Trend?
von Sven Class und Anna Katharina Hemer
FAQ
Als eine "Katastrophe" bezeichnet es Nicholas Müller, Sänger und Songschreiber der Band "Jupiter Jones", dass rechtsextreme Musik in Deutschland bei vielen Menschen "salonfähig" geworden sei. Es gebe keinen gesellschaftlichen Konsens mehr, dass man Rechtsrock und dessen menschenverachtende Weltsicht ablehne. Bei Partys und Festen werde die braune Musik gespielt, sagt Müller. Er unterrichtet auch an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim das Fach Songwriting.
Rechtsrock spreche mit einfachen Melodien und Bildern Gefühle von Menschen an, die sich benachteiligt oder abgehängt fühlten, sagt er. Rechtsrock sei häufig "in Verkleidung unterwegs", die Musiker versicherten, mit Neonazis nichts zu tun zu haben. Das Publikum sitze den Lügen auf, "es dringt da nicht durch", sagt Müller. Kaum möglich sei es, in einen Dialog mit Rechtsrock-Musikern und deren Fans zu kommen.
Quelle: dpa
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