Massentourismus: Warum Urlauber Fluch und Segen zugleich sind

    Urlauber als Fluch und Segen:Das Problem mit den Touristenmassen

    von Anne Sophie Feil
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    In vielen Touri-Hotspots wächst der Unmut unter den Einheimischen. Sie leiden unter überfüllten Straßen und steigenden Wohnkosten. Doch an der Reisebranche hängen auch viele Jobs.

     Menschen nehmen an einem Protest gegen den Tourismus unter dem Motto „Genug! Lasst uns dem Tourismus Grenzen setzen“, der von verschiedenen Gruppen der Zivilgesellschaft in Barcelona, Katalonien, Spanien, am 06. Juli 2024 organisiert wurde.
    Rom, Venedig, Südtirol - überall drängen sich die Touristen. Und an vielen Orten wird es den Einwohnern zu viel und zu eng. Wie umgehen mit der zunehmenden Touristenschwemme? 21.07.2024 | 2:43 min
    Der Reisemarkt boomt und das kommt nicht überall gut an. Von Januar bis April stieg die Zahl der Reisenden im Vergleich zum vergangenen Jahr um 20 Prozent, misst die Welttourismusorganisation UNWTO. Das Vor-Pandemie-Niveau ist fast wieder erreicht.

    Beliebte Reiseziele werden zu Ballungsgebieten

    Wo die Menschen Urlaub machen, verteilt sich jedoch sehr ungleich. Mit 72,7 Millionen Touristen im Jahr 2022 ist Spanien eines der beliebtesten Reiseziele der Welt. Die Zahl der Urlauber entspricht dem Eineinhalbfachen der spanischen Bevölkerung. Besonders beliebt ist die Region Katalonien mit ihrer Hauptstadt Barcelona. Auch die Kanaren und die Balearen werden stark bereist.
    Dort gibt es viele Pauschalreiseangebote. Aber auch Billigflieger, Kreuzfahrten und die Bewerbung über Social Media ziehen die Touristenmassen an. In der Hochsaison überfluten sie die Städte und Inseln geradezu. Das belastet die Bevölkerung. In vielen Teilen Spaniens demonstrieren Ortsansässige deshalb gegen den Massentourismus.

    Einwohner vom Wohnungsmarkt verdrängt

    Zwar bringen die Urlauber auch Geld ein, auf den Kanaren stammt gut ein Drittel der Wirtschaftsleistung aus dem Tourismus, auf den Balearen fast die Hälfte. Nach Angaben der UNWTO verdiente Spanien 2022 knapp 70 Milliarden US-Dollar mit dem Gastgewerbe, etwa jeder achte Job hängt von der Branche ab. Allerdings geht ein Großteil der Einnahmen an internationale Reiseveranstalter und Hotelketten, die Beschäftigten selbst verdienen in der Regel nicht viel.
    Neben dem hohen Verkehrsaufkommen, der Lärm- und Umweltbelastung ist vor allem die Wohnungsnot der Einheimischen ein echtes Problem. Freier Wohnraum wird an Touristen vermietet und so dem Wohnungsmarkt entzogen. Dadurch gibt es weniger Wohnungen und die Mieten steigen. Dieses Problem sieht auch der Deutsche Reiseverband DRV. Wenn es keinen oder nicht mehr ausreichend bezahlbaren Wohnraum gebe, werde es kritisch, sagt Präsident Norbert Fiebig.

    Hier sind insbesondere die Destinationen gefordert, entsprechend gegenzusteuern und zum Beispiel die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen und Kurzzeitvermietungen entsprechend zu regulieren.

    Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbands

    Hafen und Häuser
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    17.000 Kreuzfahrttouristen auf Santorin

    Um mehr Wohnraum zu schaffen, beschränken einige spanische Städte die Lizenzen für Ferienwohnungen. Amsterdam hat bereits vor Jahren die kurzfristige Vermietung von Privatwohnungen im Stadtzentrum eingeschränkt. Ähnliches ist in Griechenland geplant, wobei für kleine Touristeninseln strengere Regelungen gelten sollen.
    Das eigentliche Problem Griechenlands sind jedoch die Kreuzfahrtschiffe, deren Gäste die kleinen Häfen überfluten. Als die beliebte Insel Santorin am Donnerstag innerhalb weniger Stunden 17.000 Kreuzfahrttouristen erwartete, warnte der örtliche Stadtrat die Bevölkerung und empfahl, an diesem Tag zu Hause zu bleiben. Griechenland will nun den Kreuzfahrttourismus auf einigen Inseln einschränken.
    Auch Venedig hat die Luxusdampfer verbannt. In einer Pilotphase wurde dort zudem eine Eintrittsgebühr für Tagesausflüge getestet, die ab dem kommenden Jahr dauerhaft eingeführt werden soll. An stark frequentierten Tagen soll ein höherer Preis fällig werden.
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    Regierungen vor Ort sind gefragt

    Regulieren und entzerren, das sind Lösungen die mancherorts bereits eingeleitet und vielerorts gefordert sind. So sieht es auch die Welttourismusorganisation UNWTO. Sie empfiehlt, für einen wirtschaftsfördernden Tourismus "müssen die Regierungen ihr Tourismusmanagement auf nationaler und lokaler Ebene weiter anpassen und verbessern, um sicherzustellen, dass die Gemeinden und Einwohner im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen."
    So ist der Tourismus für die Ortsansässigen oft Fluch und Segen zugleich. Einerseits profitieren sie wirtschaftlich, andererseits bringen die großen Massen manchmal auch Probleme mit sich. Mit den Protesten richten sie sich nicht gegen die Urlauber im Allgemeinen. Vielmehr wünschen sie sich eine bessere Steuerung durch die Regierungen, um die Lebensqualität an ihrem Wohnort zu erhalten.
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