RAF-Prozess gegen Klette startet: Raub statt Revolution
Prozess gegen Klette beginnt:Revolutionäre oder nur noch Kriminelle?
von Peter Kunz, Hannover
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Die Rote Armee Fraktion löste sich 1998 auf. Lange tauchte Mitglied Daniela Klette unter, heute beginnt ihr Prozess. Noch immer scheint die RAF radikale Linke zu begeistern.
Die mutmaßliche ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette steht in Celle vor Gericht. Der 66-Jährigen werden unter anderem versuchter Mord und 13 Raubüberfälle vorgeworfen.25.03.2025 | 0:19 min
Am Abend Tag des 1. Mai soll die Festnahme der mutmaßlichen Terroristin Daniela Klette von der Roten Armee Fraktion zum Thema der linksradikalen Mai-Demonstration in Berlin werden. Das Bündnis, das die meist in Ausschreitungen umschlagende Veranstaltung organisiert, will einen Brief der im Gefängnis sitzenden 66-Jährigen vorlesen.
Die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette steht wegen versuchten Mordes, unerlaubten Waffenbesitzes und schweren Raubs vor Gericht. Nun beginnt der Prozess.
von Sibylla Elsing
mit Video
Die brutalen Überfälle auf Geldtransporte und Supermärkte, die ihr zur Last gelegt werden, wertet das 1. Mai-Komitee offensichtlich als "Enteignungsaktionen". In wirren Zeiten wie diesen finden wirre Thesen wieder Gehör.
Markus Lanz: Die Reue einer Ex-RAF-Terroristin und wie der "Deutsche Herbst" die parlamentarische Demokratie in die Krise stürzte.20.03.2025 | 75:42 min
Garweg meldet sich in Zeitung zu Wort
Aus dem Untergrund meldete sich auch Ex-Terrorist Burkhard Garweg zu Wort, den Daniela Klette vor ihrer Festnahme noch vorwarnen konnte. Ihm hatte das die Möglichkeit zur Flucht gegeben. Garweg, der jahrelang unter falscher Identität in Berlin gelebt haben soll, bezeichnete sich in einem Schreiben an die "taz" nach wie vor als Teil der "revolutionären Linken".
Klette, Garweg und der ebenfalls weiter flüchtige Ernst-Volker Staub sind die letzten Vertreter der dritten Generation Roten Armee Fraktion. Man könnte sie auch die Rentnerband der RAF nennen, wenn sie ihren Lebensabend friedlicher gestaltet hätten. Aber für ihre Pensionsvorsorge nahmen sie auf das Leben Anderer wohl keine Rücksicht.
Nach der Festnahme von Daniela Klette in Berlin vermuten die Ermittler auch ihre Komplizen Garweg und Staub in der Hauptstadt.04.03.2024 | 2:33 min
RAF-Überfall: Wer schoss auf den Geldtransporter?
So jedenfalls sieht es die Staatsanwaltschaft, und der Prozess wird mit vielen technischen Details klären müssen, ob die von dem Trio auf die Fahrerkabine eines Geldtransporters abgegebenen Schüsse hätten töten können oder nicht. Daniela Klette habe es in Kauf genommen, argumentiert die Anklage, auch wenn sie vermutlich nicht selbst geschossen hat. Die Ermittler vermuten Burkhard Garweg am Abzug des Gewehrs.
Aus seinem Versteck heraus geht Garweg allerdings proaktiv in die Verteidigung und schreibt: "Jede Traumatisierung von Angestellten von Kassenbüros oder Geldtransportern ist zu bedauern." Es sei für ihn und seine Komplizen "ausgeschlossen" gewesen, Menschen zu töten oder zu verletzen, um an Geld zu kommen.
Silke Maier-Witt gehörte zum engsten Kreis der RAF. Wie blickt sie heute auf ihr Leben in der Roten Armee Fraktion?06.02.2025 | 3:06 min
Klette, Garweg und Staub: Weniger brutal als ihre Vorgänger
Tatsächlich hatte die RAF der sogenannten "dritten Generation", zu der Klette, Garweg und Staub gehörten, der massiven Gewalt abgeschworen, mit der sich die zweite Generation in das kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik gebombt und geschossen hatte. Mit Morden wie am Generalbundesanwalt Siegfried Buback oder Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer.
Die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette im Gerichtssaal.
Quelle: AFP
Die Vorgänger Klettes nahmen den Tod Unbeteiligter billigend in Kauf. Den Höhepunkt der RAF-Gewalt erlebte Deutschland im "Deutschen Herbst" 1977. Daniela Klette soll sich der "dritten Generation" 1989 angeschlossen haben.
Jurist und RAF-Experte Klaus Pflieger bezieht bei Lanz Stellung zum Garweg-Schreiben.21.03.2025 | 1:10 min
Raubüberfälle statt linker Revolution
Nach der Auflösung der Rote Armee Fraktion durch eine Erklärung der Kommandoebene im Jahr 1992 waren die Revolutionäre arbeitslos und ohne Mittel für ihren Lebensunterhalt. So begann die Serie bewaffneter Raubüberfälle auf Supermärkte und Geldboten.
Der Anspruch der Kämpfer gegen das kapitalistische System schrumpfte auf den Effekt simpler Beschaffungskriminalität. Das Leben im Untergrund ist teuer, und Daniela Klette hat auch gern Urlaub gemacht, in Portugal, Südafrika, Mosambik, Brasilien.
Die dritte Generation der RAF "ist ein sehr ungeklärtes Kapitel", sagt Experte Stefan Aust im ZDF.28.02.2024 | 4:48 min
Mammut-Verfahren wird Millionen verschlingen
Teuer wird auch der erste große deutsche Terrorprozess seit langem, der am Dienstag im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichtes Celle beginnt. Die Räumlichkeiten erfüllen kaum die Anforderungen an Kapazität und Sicherheit. Deswegen soll das Verfahren im Verlauf noch einmal umziehen - in eine ausgediente Reithalle, die derzeit aufwändig umgebaut wird.
2,7 Millionen Euro sollen die drei Ex-RAF-Täter für die Finanzierung ihres Privatlebens erbeutet haben. Neun Millionen kostet der neue Verhandlungssaal angeblich. Viel Aufwand für Banditen mit revolutionärem Vorleben.
Nach der Festnahme Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette in Berlin, fahndet die Polizei weiter nach ihren beiden Komplizen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub.04.03.2024 | 1:51 min
Klette-Prozess klammert politische Dimension aus
Natürlich ist es ein historischer Prozess mit größtem öffentlichen Interesse. Aber Daniela Klette steht hier nur als potenzielle Räuberin vor Gericht, in deren Wohnung die Polizei eine Kalashnikov und andere Waffen fand. Die politische Komponente bleibt in diesem Verfahren ausgeklammert.
Politisch ist die Rote Armee Fraktion Geschichte und soll es bleiben. Was immer am 1. Mai in Berlin als Klette-Brief verlesen wird, samt antikapitalistischer Solidaritätsadressen: Eine vierte Generation RAF braucht Deutschland sicher nicht. Extremisten gibt es weltweit derzeit schon genug.
Peter Kunz ist Leiter des ZDF-Landesstudios in Niedersachsen.
Quelle: dpa
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