Polizeiliche Kriminalstatistik: Anstieg der Jugendgewalt

    Analyse

    Polizeiliche Kriminalstatistik:Woher kommt der Anstieg bei der Jugendgewalt?

    von Jan Henrich und Fabian Medler
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    Insbesondere unter Kindern und Jugendlichen ist die Zahl der Gewaltdelikte laut aktueller Kriminalstatistik erneut gestiegen. Experten sehen mehrere Gründe für die Entwicklung.

    Junger Straftäter
    Neue Kriminalistatistik für das Jahr 2024: Experten sehen mehrere Gründe für den Anstieg von Jugendkriminalität.
    Quelle: ZDF

    Mit Aufholeffekten nach der Corona-Pandemie seien diese Zahlen nicht mehr zu erklären, so der Präsident des Bundeskriminalamts Holger Münch bei der Pressekonferenz am Morgen. Nachdem die Zahl der unter 18-jährigen Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten bereits in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen war, verzeichnet nun auch die heute veröffentlichte Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2024 erneut eine Zunahme. Die Gründe dafür scheinen laut Experten vielfältig: Von gestiegenen psychischen Belastungen bis hin zu neuen Männlichkeitsbildern.

    Weniger Kriminalität insgesamt - mehr Gewalttaten

    Auf den ersten Blick könnte die Entwicklung im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität fast erfreulich sein. Ähnlich wie bei den Erwachsenen ist die Zahl der Tatverdächtigen insgesamt rückläufig. Anders als bei den Erwachsenen ist dafür nicht fast ausschließlich die Teillegalisierung von Cannabis verantwortlich.
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    Doch ausgerechnet im Bereich der Gewaltkriminalität scheint dieser Trend nicht angekommen zu sein. 13.755 tatverdächtige Kinder unter 14 Jahren verzeichnet das Deliktsfeld für das Jahr 2024 - ein Anstieg um ganze 11,3 Prozent.

    Unter den Begriff Gewaltkriminalität werden in der Polizeiliche Kriminalstatistik schwerere Delikte wie beispielsweise Mord, Totschlag, Raub oder gefährliche Körperverletzung zusammengefasst. "Einfache" Körperverletzungen fallen jedoch nicht unter die Definition.

    Ähnlich auch die Entwicklung bei Jugendlichen. Auch hier ein Zuwachs um 3,8 Prozent auf 31.383 Tatverdächtige im Alter zwischen 14 und 18 Jahren.

    Auch wenn Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht strafmündig sind, können sie dennoch als Tatverdächtige im Zusammenhang mit Straftaten registriert werden und fließen damit auch in die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) mit ein. Konkret unterscheidet die PKS zwischen Kindern (unter 14-Jährige), Jugendlichen (14- bis unter 18-Jährige) und Heranwachsenden (18- bis unter 21-Jährige).

    Zahlen auf dem Stand von 2011

    Zuletzt gab es 2011 ähnlich viele tatverdächtige Jugendliche im Zusammenhang mit Gewalttaten. In den Jahren danach gingen die Zahlen allerdings deutlich zurück. Erst ab 2021 verzeichnet die Statistik wieder einen steilen Anstieg.
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    Und das, obwohl tendenziell der Anteil der 14 bis unter 18-Jährigen in der Gesamtbevölkerung in den letzten 10 Jahren sogar gesunken ist. Auf rein statistische Effekte lässt sich die Entwicklung also nicht zurückführen.
    Polizeiliche Kriminalstatistik – Woher kommt der Anstieg bei Jugendgewalt?

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    Wie lässt sich dieser Anstieg erklären?

    Als Grund für den Anstieg sehen Experten unter anderem gestiegene psychische Belastung durch die Corona-Maßnahmen. Aber auch neue Männlichkeitskonzepte würden eine Rolle spielen, so der Kriminologe Dirk Baier gegenüber dem ZDF. Baier beobachtet, dass sich im frühen Jugendalter zunehmend das "Recht des Stärkeren" durchsetze, was zu einer Zunahme von Gewalt und Körperlichkeit führe.

    Wir haben auch einen Trend der Vorverlagerung. Wir sehen auch schon bei 13-Jährigen mittlerweile eine höhere Gewaltbereitschaft.

    Dirk Baier, Professor für Kriminologie

    Vor allem junge Männer würden immer häufiger glauben, sich mit Gewalt durchsetzen zu müssen, so Baier.

    Diskussion um Strafmündigkeit

    In der Vergangenheit hatte die Entwicklung rund um Kinder- und Jugendkriminalität immer wieder Diskussionen über das Thema Strafmündigkeit ausgelöst. Aktuell gelten Jugendliche in Deutschland ab 14 Jahren als strafmündig. Die Union hatte in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl gefordert, die Altersgrenze zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
    In England beispielsweise beginnt die Strafmündigkeit ab dem Alter von zehn Jahren. Dirk Baier sieht das hingegen kritisch:

    Jetzt als Antwort eine Herabsenkung der Strafmündigkeit umzusetzen, ist aus meiner Sicht vollkommen falsch.

    Dirk Baier, Kriminologe

    Damit würden die Probleme der Jugendlichen nicht gelöst werden, vielmehr müsse man ihnen eine Perspektive geben, betont er. Baier hält sozialpädagogische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen für praktikabler: Vor allem mit präventiven Ansätzen und frühzeitigen Interventionen könne man der steigenden Gewaltbereitschaft unter Jüngeren langfristig entgegenwirken.

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    Quelle: dpa

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