Polizeischüsse: Wann ist der Waffengebrauch erlaubt?

    Analyse

    Mehr tödliche Polizeischüsse:Wann darf ein Polizist zur Waffe greifen?

    von Jan Henrich
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    2024 hat die Polizei in Deutschland weit mehr tödliche Schüsse abgegeben als in den Vorjahren. Wie kommt es zu dieser Entwicklung und wann darf ein Polizist seine Waffe gebrauchen?

    Polizist mit Waffe
    2024 gaben Polizisten mehr tödliche Schüsse ab als in vergangenen Jahren.
    Quelle: dpa

    Ende November im Kreis Wesel in Nordrhein-Westfalen: Wegen einer vermeintlichen Ruhestörung rücken Polizeibeamte zu einer Wohnung aus. Vor Ort eskaliert die Lage. In der Polizeimeldung heißt es später, ein 34-Jähriger soll die Polizisten im Treppenhaus unvermittelt mit einem Gegenstand angegriffen haben. Ein Beamter gibt daraufhin einen Schuss ab. Der mutmaßliche Angreifer verstirbt wenig später im Krankenhaus.
    Es ist einer der vorerst letzten Fälle dieser Art im Jahr 2024. Ein Jahr, in dem so viele Menschen durch Polizeischüsse starben wie seit 40 Jahren nicht mehr.
    Im Vordergrund steht ein Polizist mit Maschinenpistole in der Hand, dahinter links das grün leuchtende Spur-Logo, rechts sieht man ein Plakat, auf dem Mouhamed zu sehen ist.
    Der 16-jährige Flüchtling Mouhamed droht, sich das Leben zu nehmen. Die Polizei wird gerufen, kurz darauf ist der Junge tot. Getötet von Kugeln aus einer Polizeiwaffe.03.05.2023 | 29:00 min

    20 Tote durch Polizeischüsse bisher im Jahr 2024

    Insgesamt 20 tödliche Fälle von Schusswaffengebrauch durch Polizisten zählt die Fachzeitschrift Bürgerrechte und Polizei im laufenden Jahr auf Basis von Pressemeldungen. Eine höhere Zahl gab es zuletzt 1983 mit 21 Fällen. Eine offizielle Statistik liegt für dieses Jahr noch nicht vor.
    Schusswaffengebrauch der Polizei

    ZDFheute Infografik

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    Durchschnittlich geben Polizisten in Deutschland circa 130 Schüsse auf Personen pro Jahr ab. Dabei endet der weit überwiegende Teil der Fälle nicht tödlich. In die Statistik fließen auch Warnschüsse.
    Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen

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    Mehr Tote durch Polizeischüsse in den USA, weniger in Großbritannien

    Im internationalen Vergleich gibt es große Unterschiede. In den USA liegen die Fallzahlen beispielsweise weit höher. Die Zeitung "Washington Post" zählte dort im Jahr 2023 insgesamt 1.164 Todesfälle durch Polizeischüsse, mit steigender Tendenz in den vergangenen Jahren.
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    In einem Vorort von Lissabon wurde ein dunkelhäutiger Mann von der Polizei erschossen. Dagegen regt sich heftiger Protest, auch zwei Stadtbusse brannten aus. 23.10.2024 | 1:47 min
    In Großbritannien hingegen gibt es deutlich weniger Tote durch Schusswaffengebrauch der Polizei. 2023 verzeichnet die Statistik des Independent Office for Police Conduct für England und Wales lediglich drei, im Jahr davor nur zwei Fälle. Normalerweise tragen Polizisten in Großbritannien auch keine Schusswaffen. Die sogenannten Bobbys sind häufig nur mit Pfefferspray und Schlagstock ausgerüstet.
    Prozess gegen Polizeigewalt in Frankreich
    Drei Polizisten stehen vor Gericht. Sie sollen 2017 den damals 22-jährigen Théo Luhaka bei einer Kontrolle schwer misshandelt haben.19.01.2024 | 2:11 min

    Voraussetzungen für Schusswaffengebrauch gesetzlich festgeschrieben

    Wann Polizisten in Deutschland zur Waffe greifen dürfen, ist in mehreren Gesetzen auf Bundes- und Landesebene geregelt. Unter anderem bei schweren Straftaten, um eine Flucht zu verhindern. Hauptanwendungsfall ist allerdings die Verteidigung vor vermeintlich lebensgefährlichen Angriffen. Genaue Vorschriften, ab wie viel Metern Abstand eine Waffe eingesetzt werden darf, gibt es nicht.

    Der Zweck des Schußwaffengebrauchs darf nur sein, angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. (…)

    Paragraf 12 Absatz 2 UZwG

    Häufig handelt es sich um Fälle, bei denen sich die angetroffenen Menschen in einem psychischen Ausnahmezustand befinden. In den Fallberichten findet sich auch immer wieder die Schilderung, dass die Personen bereits zuvor in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht waren. Aus Sicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) besteht daher der Wunsch, dass Beamte bei Einsätzen schneller über mögliche psychische Erkrankungen informiert werden.
    Polizeigewalt
    Das Schlimme an Polizeigewalt sei, "wie die Behörden anschließend damit umgehen: ablehnen, leugnen, negieren", kritisiert der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr.17.05.2023 | 6:01 min

    GdP sieht gestiegene Gewaltkriminalität als Grund

    Es brauche hierfür eine funktionierende Vernetzung aller beteiligten Behörden, betonte GdP-Bundesvorsitzender Jochen Kopelke gegenüber der ZDFheute. Als Grund für die Zunahme der tödlichen Schusswaffeneinsätze sieht Kopelke allerdings in erster Linie einen allgemeinen Anstieg von Gewaltkriminalität in Deutschland.

    Für die Beamten ist das mit das Schlimmste, was ihnen widerfahren kann. Niemand möchte in diese Situation kommen, dass er die Waffe auf einen Menschen abfeuern muss.

    Jochen Kopelke, GdP-Bundesvorsitzender

    Neben einem Ausbau bestehender Schulungsmaßnahmen im Bereich Deeskalation fordert die Gewerkschaft daher auch einen flächendeckenden Einsatz von Tasern. Die Elektroschock-Pistolen werden bereits in einigen Bundesländern verwendet. Ob das am Ende dazu führen kann, dass es weniger Tote bei Polizeieinsätzen gibt, ist allerdings fraglich. Auch bei Tasern finden sich immer wieder Fälle, bei denen Personen nach dem Einsatz versterben.
    Jan Henrich, Redaktion Recht und Justiz

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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