Krypto-Chat entschlüsselt: Gab Staatsanwalt Infos weiter?
Ermittler knacken Krypto-Chats:Gab der Staatsanwalt geheime Infos weiter?
von Dajana Kollig
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Einem Staatsanwalt wird vorgeworfen, in 14 Fällen gegen Geld Informationen an Kriminelle weitergegeben zu haben. Ermittler haben die Erkenntnisse aus entschlüsselten Krypto-Chats.
Sichergestellte Kokain-Päckchen, präsentiert von der Hamburger Polizei. (Archivbild)
Quelle: dpa
Ein Staatsanwalt aus Hannover, der für die Verfolgung von Drogendealern zuständig war, soll diese mit Ermittlungsinterna versorgt und vor Razzien gewarnt haben. Dafür habe er von den Kriminellen im Tatzeitraum monatlich 5.000 Euro und zusätzlich sogenannte Bonuszahlungen kassiert.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat deswegen am 17. Januar Anklage erhoben. Es geht unter anderem um Bestechlichkeit, die Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt. Die Anklageschrift liegt ZDF frontal und dem "Spiegel" vor.
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Die Ermittler haben demnach 14 Fälle identifiziert, in denen der beschuldigte Staatsanwalt G. zwischen Juni 2020 und März 2021 Kriminelle mit Informationen versorgt haben soll. Die Erkenntnisse der Ermittler basieren dabei zum großen Teil auf geknackten Krypto-Chats.
Über Jahre Informationen an Kokaindealer weitergegeben
Über Mittelsmänner soll G. jahrelang kriminelle Banden über geplante polizeiliche Maßnahmen und Ermittlungsstände informiert haben. Mit massiven Folgen: Bei einer Razzia im Jahr 2021 konnten nur 19 von 30 Haftbefehle vollstreckt werden - die Täter hatten sich abgesetzt.
Dem Staatsanwalt werden Verbindungen zu verschiedenen Gruppierungen nachgesagt, unter anderem auch zu den Hells Angels. Er soll Mitglieder der Rockergruppe in Chats als "Bruderherz" oder "brudi" bezeichnet haben.
Staatsanwalt G. wird unter anderem Bestechlichkeit, die Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen.
Quelle: Martin Dziadek
Laut ZDF frontal vorliegenden Unterlagen hat G. gegenüber Ermittlern seine Unschuld beteuert. G. bestritt in Vernehmungen alle Vorwürfe, er sei Ermittler mit Leib und Seele. Aktuell sitzt er in Untersuchungshaft. Sein Anwalt wollte sich auf Anfrage von ZDF frontal nicht äußern.
Mit angeklagt ist der Inhaber eines Boxstudios in Hannover wegen "Beihilfe zur Bestechung in einem besonders schweren Fall". In dem Boxstudio fanden laut Anklage zahlreiche Absprachen statt. Staatsanwalt G. soll hier seit 2020 Mitglied gewesen sein.
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Der mitangeklagte Boxtrainer soll ebenfalls seit 2020 in die Weitergabe von Informationen involviert gewesen sein, außerdem soll er dem Staatsanwalt das Schmiergeld bar ausgehändigt haben. Vereinbart wurde angeblich ein monatlicher Betrag von 5.000 Euro, zusätzlich sollen Bonuszahlungen für besondere Informationen hinzugekommen sein.
Staatsanwalt soll Empfänger von 16 Tonnen Kokain gewarnt haben
Insbesondere ein Fall hatte Aufmerksamkeit erregt: 16 Tonnen Kokain aus Südamerika wurden 2021 im Hamburger Hafen gefunden. Die Köpfe der Gruppe konnten sich allerdings ins Ausland absetzen - sie waren offenbar gewarnt worden.
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Bereits während eines Verfahrens in dem 16-Tonnen-Fall äußerte ein Angeklagter den Vorwurf, die Informationen seien unter anderem ausgerechnet von dem Staatsanwalt gekommen, der für die Ermittlungen zuständig war. G. blieb trotz der Vorwürfe zunächst für den Fall zuständig - im Dezember 2024 entschied der Bundesgerichtshof, dass der Fall nun neu verhandelt werden muss.
Auch in der Kommunikation der Gruppe über die verschlüsselte Kommunikationsplattform Sky ECC tauchen Hinweise auf einen Staatsanwalt auf, der Informationen weitergegeben haben soll. So ist in den Chats die Rede von "Cop" und "Coach", die der kriminellen Gruppe Informationen geben, wie ZDF frontal in der dreiteiligen Dokuserie "Lösch alles, Bro!" berichtete.
Sky ECC war eine verschlüsselte Kommunikations-App der kanadischen Firma Sky Global, die ihren Kunden die "sicherste Messenger Plattform" versprach. Die Chatfunktion war hinter einer Taschenrechner-App versteckt, außerdem konnte mit einem Knopfdruck die gesamte Kommunikation gelöscht werden. 2021 erklärte Europol, Sky ECC gehackt zu haben. In einer geheimen Operation konnten Ermittler aus drei Ländern die Chat-Kommunikation von kriminellen Banden mitlesen, zeitweise sogar live. In der Folge konnten hunderte Tonnen Kokain beschlagnahmt und tausende Verfahren eingeleitet werden. Angeblich wurden sogar 114 Morde verhindert.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Osnabrück erhärtet den Verdacht nun. Das Landgericht Hannover muss jetzt über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung entscheiden. Laut des niedersächsischen Justizministeriums hatte der angeklagte Staatsanwalt insgesamt 58 Drogenverfahren abgeschlossen. Das Ministerium machte keine Angaben dazu, ob diese nun neu aufgerollt werden.
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