FAQ
Nicht genug legales Cannabis?:Brutale Mocro-Mafia drängt nach Deutschland
von Alexander Roettig
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Öffentliche Exekutionen, abgetrennte Köpfe, Sprengstoffanschläge – die sogenannte Mocro-Mafia kennt keine Grenzen, wenn es darum geht, Gegner und Konkurrenten einzuschüchtern.
Nach einem mutmaßlich von der Mocro-Mafia verübten Anschlag in Solingen sind Einsatzkräfte vor Ort. (25.06.2024)
Quelle: dpa
In der Nacht zu Montag reißt eine Explosion die Menschen in Köln-Zündorf aus dem Schlaf. Sechs Wohnungen sind beschädigt, Türen herausgerissen, ein Scherbenmeer glitzert auf dem Pflaster am Dahlienweg.
Die Staatsanwaltschaft prüft "Verbindungen in die Niederlande." Schon in den Wochen zuvor hatte es Explosionen in Köln gegeben - aber auch in Duisburg und Solingen, wo sich ein 17-Jähriger dabei selbst tötete.
Ermittler vermuten dahinter einen Streit im Drogenmilieu. Eine kriminelle Gruppe soll 300 Kilogramm Marihuana im Wert von 1,5 Millionen Euro unterschlagen haben - seither versucht die niederländische Mocro-Mafia offenbar mit massiver Gewalt, die Drogen - oder das Geld - zurückzuerobern.
Kaltblütiges Vorgehen ist ein Markenzeichen der Mocro-Mafia
Am 5. Juli stürmte die Polizei ein Haus im Kölner Süden. Dort hielten die niederländischen Gangster ein Pärchen fest, das zu der konkurrierenden Gruppe gehört haben soll. Der Mann wurde vor den Augen der Frau brutal gefoltert - und die Tat gefilmt. Am Ende ließ die Polizei drei Täter ziehen - eine Schießerei im Wohngebiet wurde als zu gefährlich eingeschätzt.
Das kaltblütige Vorgehen ist ein Markenzeichen der sogenannten Mocro-Mafia. Das niederländische Slangwort spielt darauf an, dass ein Großteil der Täter aus dem marokkanischen Einwanderermilieu niederländischer Großstädte entstammt. In den 70er Jahren bildeten sich dort erste kriminelle Strukturen im Marihuana-Schmuggel.
Als der niederländische Staat Cannabis in kleinen Mengen legalisierte, hatte er versäumt, legale Versorgungswege zu schaffen. Marokkanische Banden übernahmen das. Der Maastrichter Kriminologe Robin Hofmann nennt das den "Ursprung der Mocro-Mafia".
Ihre Connections nutzen die Banden ab den 90ern, um Schmuggelrouten für Kokain auszutesten - über die großen Seehäfen Rotterdam und Antwerpen transportieren sie jedes Jahr Kokain im Hundert-Kilo-Bereich aus Südamerika.
Mit dem Kokain kamen die märchenhaften Gewinne - und damit die Brutalisierung.
Robin Hofmann, Kriminologe
Woher kommt diese unfassbare Brutalität?
In den Niederlanden wuchsen sie so zu einer Gefahr für Staat und Demokratie heran. Dutzende Morde an Gegnern, Konkurrenten oder möglichen Zeugen. Prominentestes Opfer: Investigativ-Journalist Peter de Vries - erschossen 2021.
Die Öffentlichkeit schreckt auf als bekannt wird, dass die Marco-Mafia den damaligen Premierminister Rutte und Kronprinzessin Amalia entführen wollte. Beide konnten bis dahin ein weitgehend normales, bürgerliches Leben führen - ohne große Sicherheitsvorkehrungen. "Damit haben die Niederlande ihre Unschuld verloren", sagt der Amsterdamer Strafverteidiger Vito Shukrula.
Er hat einige Bandenmitglieder vor Gericht vertreten. Woher kommt diese unfassbare Brutalität? "Sie kommen oft aus schwierigsten Verhältnissen. Sie glauben, der einzige Weg zu Reichtum ist Gewalt und Verbrechen", sagt der Anwalt.
Sie merken, dass sie nur aufsteigen können und Geld machen, wenn sie Gegner und Konkurrenten aus dem Weg schaffen, sie bedrohen und töten.
Vito Shukrula, Strafverteidiger
Er warnt davor, dass Deutschland die gleichen Fehler machen könnte wie einst die Niederlande. Denn auch bei uns ist der Cannabis-Konsum wie auch der Besitz in kleinen Mengen seit dem 1. April straffrei. Doch es gibt noch keine ausreichend großen Mengen, um die Nachfrage mit legalen Angeboten zu bedienen.
Banden sind hierzulande längst aktiv
Die neuen Cannabis-Social-Clubs zur Selbstversorgung durften erst ab dem 1. Juli gegründet werden. Es wird noch Monate dauern, bis sie liefern - und auch dann ist die Frage, ob das reicht.
"Studien gehen davon aus, dass der jährliche Bedarf an Cannabis bei rund 400 Tonnen liegt", rechnet Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter vor. "Ein legaler Markt existiert noch nicht - das heißt, der illegale Markt kann sich ausbreiten", sagt Huth.
Deswegen habe ich die Befürchtung, dass die niederländische Mafia auch bei uns Fuß fasst.
Oliver Huth, Bund Deutscher Kriminalbeamter
Die Serie der Sprengstoffattentate, die Entführung des Paares in Köln - das zeigt, dass die Banden hierzulande längst aktiv sind. Die 300 Kilo Marihuana sollen aus einer Lagerhalle in Hürth bei Köln gestohlen worden sein - offenbar von "Geschäftspartnern" der Mocro-Mafia. Die wendet hier die gleichen brutalen Methoden an wie in den Niederlanden - das alles könnte nur der Anfang sein.
"Es ist zu befürchten, dass die Mocro-Mafia ihre Aktivitäten nun auf Deutschland ausweitet - und diese brutale Konfliktaustragung damit auch hierher bringt." Wie es aussieht, gilt das auch für die aus die Niederlanden bekannte Strategie zur Unterwanderung der Sicherheitsbehörden.
In Bonn steht ein junger Polizist im Verdacht, die Mafia mit Informationen versorgt zu haben - die Behörden ermitteln wegen Bestechlichkeit und Strafvereitelung im Amt.
Quelle: dpa
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