Projekt in Österreich:Digitale Jugendarbeit: Offenes Ohr für Gamer
von Christian Bock
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Nicht erst seit Corona ist die Online-Welt für viele Jugendliche ein Rückzugsort. In Österreich wird in einem Projekt getestet, wie digitale Sozialarbeit funktionieren kann.
Angriffe auf Einsatzkräfte, Innenstadt-Krawalle oder Schulhofschlägereien. Gewalt von Jugendlichen ist an der Tagesordnung. In Österreich wird digitale Sozialarbeit in einem Projekt getestet (Beitrag ab Min. 18)23.03.2024 | 29:47 min
Eine Prügelei, die eskaliert, oder randalierende Jugendliche auf den Straßen der Großstädte - nachdem die Jugendkriminalität während der Pandemie deutlich zurückging, ist die Anzahl an Straftaten durch Jugendliche in Deutschland nun wieder auf dem Niveau von vor Corona angelangt. Gleichzeitig hat sich der Alltag Jugendlicher nachhaltig verändert, ist noch virtueller geworden.
Aber wie erreicht man heute eigentlich am besten Jugendliche, die Probleme haben? Sozialarbeiter Robert Hartmann vom österreichischen Projekt "Artificial Eye" ist genau dort unterwegs, wo sich die jungen Menschen gerne aufhalten: in der virtuellen Welt.
Laut Lehrergewerkschaft GEW haben 95 Prozent der Lehrer an Förderschulen in den letzten Jahren Gewalt erlebt.08.02.2024 | 4:52 min
Sozialarbeit über die Gaming-Plattform Discord
Robert Hartmanns Arbeitsplatz ist ein kleines, aber ganz besonderes Büro: Auf seinen beiden Bildschirmen sind weder Outlook-Kalender noch Excel-Tabellen geöffnet - er spielt ein Online-Strategiespiel, und das höchst dienstlich. "Natürlich muss ich erst mal mithalten können, sprich: mich als Spielteilnehmer beweisen, bevor ich mit irgendjemandem in Kontakt treten kann", erzählt er.
Quelle: ZDF
Mehr zu dem Thema sehen Sie bei plan b am Samstag, 23. März um 17:35 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Denn das ist das eigentliche Ziel des Sozialarbeiters aus Linz: das Chatten nebenbei. Das Spielen ist nur Mittel zum Zweck, um reinzukommen. "Unglaublich, wie gut die Jugendlichen in diesen Spielen sind, da komme ich kaum mit." Auf der bei Gamern beliebten Kommunikationsplattform Discord gibt sich der 33-Jährige als Sozialarbeiter zu erkennen und bietet Hilfe bei Lebensfragen an, ob Beziehungsthemen oder Gewaltprobleme in der Schule.
Vor vier Jahren trat in Deutschland, zur Eindämmung der Corona-Pandemie, der erste Lockdown in Kraft. Für junge Menschen war das schwer zu verkraften und wirkt noch immer nach.23.03.2024 | 1:28 min
Anonymität im Chat: "Ich kann dann frei erzählen"
Beim Zocken kam er im Chat mit dem Studenten Jürgen ins Gespräch. Der hatte Trouble mit seinen Eltern. "Die Anonymität hilft schon sehr", sagt er, "dadurch, dass man einfach weiß: Die Person kennt mich nicht, sie kann mich nicht sehen. Ich kann dann frei erzählen."
Da setzt der Sozialarbeiter an - immer mit dem Ziel, die Jugendlichen aus ihrer digitalen Anonymität herauszuholen und ihnen ein offenes Ohr und Hilfe auch im persönlichen Gespräch anzubieten. Viele sind dazu erst nach langer Zeit bereit, auch Jürgen:
Seit der Neuköllner Silvesternacht wird diskutiert über fehlenden Respekt und gewaltbereite Jugendliche: "Am Puls mit Sarah Tacke".03.08.2023 | 43:05 min
Jugendliche an ihrem Rückzugsort erreichen - Im Netz
Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist die Online-Welt für viele Jugendliche ein Rückzugsort vor den Herausforderungen des Alltags und des Erwachsenwerdens. Instagram, TikTok und auch Plattformen wie Twitch, auf denen Videospiele gestreamt werden, sind aus ihrem Leben nicht wegzudenken.
Die FH Oberösterreich und der Linzer Verein isi, die "Initiativen für soziale Integration", haben zusammen untersucht, ob und wie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ihre Zielgruppe auch online betreuen können. Ihr Projekt namens "Artificial Eye" - künstliches Auge - ist zunächst auf zwei Jahre angelegt, eine Fortsetzung ist wahrscheinlich.
Im Winter die Silvesternacht, im Sommer Freibad-Prügeleien. Gewalt ist unter Jugendlichen wieder akzeptierter.03.08.2023 | 43:05 min
Zum Team gehören auch die beiden Forschenden, Franz Schiermayr und Charlotte Sweet, von der FH Oberösterreich. Sie haben aus den Praxis-Erfahrungen auf Gaming-Plattformen gelernt und Empfehlungen für künftige digitale Jugendarbeit abgeleitet: Wann, wie oft, wie intensiv und wie lange Jugendliche betreut werden sollten, bis sie online nur noch sporadisch Hilfe brauchen oder vom virtuellen Gespräch "abgekoppelt" und an konkrete Institutionen vermittelt werden.
Sozialarbeiter Robert Hartmann bietet Jugendlichen ein offenes Ohr - beim Gaming. Ein Zukunftsmodell?
Quelle: Roland Wagner / doc.station GmbH.
Doch die Jugendarbeit im Internet sei eine wertvolle Ergänzung. "Menschen aus den Zielgruppen aktiv ansprechen und nicht erst warten, bis diese sich melden, ist bereits gelebte Praxis", sagen Sweet und Schiermayr.
Und so wird zu den Skills der Sozialarbeiter der Zukunft wohl auch Gaming gehören? "Sicher", meint Robert Hartmann. "Genauso, wie ich wissen muss, wer welche Musik hört oder welcher Influencer gerade angesagt ist."
Sie sind jung, männlich und kriminell - die 280 Gefangenen der Jugendstrafanstalt Arnstadt in Thüringen, Deutschlands modernstem Jugendknast. ZDFinfo zeigt ihr Leben hinter Gittern.