Vorfall mit Mädchen aus Ghana: Verdächtige polizeibekannt

    Vorfall um Mädchen aus Ghana:Grevesmühlen: Mehrere Verdächtige

    von Anja Kapinos
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    Der Vorfall um eine Familie aus Ghana im mecklenburgischen Grevesmühlen hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Die Polizei ermittelt gegen mehrere Verdächtige.

    Mecklenburg-Vorpommern, Grevesmühlen: Wohnhäuser im Ploggenseering. In diesem Wohngebiet sollte nach ersten Angaben der Polizei eine Gruppe junger Leute zwei ghanaische Mädchen angegriffen haben.
    Nach dem bundesweit beachteten Vorfall um eine Familie aus Ghana in Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern ermittelt die Polizei gegen mehrere Tatverdächtige.
    Quelle: dpa

    Nach dem bundesweit Aufsehen erregenden Vorfall um eine ghanaische Familie in Grevesmühlen ermittelt die Polizei laut einer Sprecherin gegen eine einstellige Zahl Tatverdächtiger wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Auch der Verdacht der Volksverhetzung stehe im Raum, sagte die Sprecherin des Polizeipräsidiums Rostock.
    Es werde zu mutmaßlichen rassistischen Beleidigungen weiter ermittelt, so die Sprecherin gegenüber dem ZDF. Auf einem Video, das auf der Plattform X kursiert und mutmaßlich den Vorfall zeigt, ist eine fremdenfeindliche Beschimpfung zu hören. In der Folge ist zu sehen, wie eine Gruppe Jugendlicher und die Familie lautstark aneinander geraten.

    Verbaler und körperlicher Streit

    Zwei der inzwischen namentlich bekannten Tatverdächtigen seien im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität bereits polizeibekannt. Auslöser des Vorfalls vom Freitagabend war den Ermittlungen zufolge ein elfjähriger Junge. Er soll einem Kind aus der ghanaischen Familie, einem rollerfahrenden achtjährigen Mädchen, ein Bein gestellt haben.
    Als der Vater eine Gruppe Jugendlicher am Ort des Geschehens zur Rede habe stellen wollen, sei ein verbaler und teils auch körperlich ausgetragener Streit entbrannt, so die Polizeisprecherin. Der Vater sei dabei leicht verletzt worden. Auch er wurde demnach unter dem Vorwurf der Körperverletzung angezeigt.

    Polizei korrigiert eigene Darstellung

    In einer ersten Meldung hatte die Polizei davon gesprochen, dass dem achtjährigen Mädchen ins Gesicht getreten wurde und es verletzt worden sei. Das korrigierte die Polizei auf Basis neuer Erkenntnisse am Montag: Demnach erlitt das Mädchen keine körperlichen Verletzungen, die auf eine solche Tat schließen lassen. Dabei hatte dies zu großer überregionaler Aufmerksamkeit geführt, viele Medien hatten die Informationen nach Angaben der Polizei verbreitet. Die Polizei ist für Journalisten eine sogenannte "privilegierte Quelle", der hohe Glaubwürdigkeit attestiert wird.
    Auf Nachfrage, warum die Sachlage in dem Fall anfangs anders dargestellt wurde, erklärt eine Polizeisprecherin: Die Lage sei für die Ermittler vor Ort hoch emotional gewesen. Sie nahmen alles auf, was sie hörten und gaben das teilweise zeitnah an die Presse weiter. Durch ein Hinweisportal seien dann viele Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Hinweise, welche den Sachverhalt nun in anderer Form nahelegen. Das Innenministerium ergänzt: Man sei zu einer zügigen Information der Öffentlichkeit verpflichtet und könne solch einen Sachverhalt, wenn er im Raum stehe, nicht verschweigen. Gegebenenfalls müssten Dinge für die Öffentlichkeit im Nachhinein korrigiert werden.

    Krankenhaus: Mädchen ohne Verletzungen

    Nach dem aktuellen Ermittlungsstand war eines der Mädchen lediglich zur ärztlichen Begutachtung ins Krankenhaus gekommen, was ein bei Kindern übliches Vorgehen sei, wenn sie in solch eine Situation geraten, so die Polizeisprecherin. Im Anschluss wurde festgestellt, dass das Kind - anders als zunächst gemeldet - keine Verletzungen davon getragen habe. Nach Medienberichten wolle die Landespolizei die eigene Kommunikationsstrategie nun auswerten. Das Innenministerium äußert sich offiziell dazu so: "Die Polizei prüft bei Kritik selbstverständlich auch jeweils im Einzelfall, ob hieraus Schlüsse für die Zukunft gezogen werden können."
    Im Jahr 2023 gab es in Grevesmühlen Proteste gegen eine Flüchtlingsunterkunft:
    Proteste in Grevensmühle gegen eine Flüchtlingsunterkunft.
    In Grevesmühlen kam es zu Tumulten bei Protesten gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft. Rund 700 Demonstranten waren vor Ort, zündeten Pyrotechnik und versuchten in das Kreistagsgebäude einzudringen. 27.01.2023 | 2:00 min
    Einem Bericht des "Tagesspiegel" zufolge sollen Mitglieder der Gruppe deutscher Jugendlicher kurz vor dem Zwischenfall bereits auf dem Stadtfest von Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern durch ausländerfeindliche Parolen aufgefallen sein. Sicherheitsdienst und Polizei hätten Platzverweise ausgesprochen.

    Bürgermeister: Unerreichbare Jugendliche

    Die Polizeisprecherin sagte auf Nachfrage, es werde noch ermittelt, ob es sich um dieselben Personen handele. Grevesmühlens Bürgermeister Lars Prahler (parteilos) zeigte sich direkt nach der Tat fassungslos. Er drückte sein Mitgefühl gegenüber der betroffenen Familie aus.
    Weiter sagte Prahler, es gebe in Grevesmühlen "an den Rändern Jugendliche, die wir nicht erreichen können". Dabei seien in der 10.500-Einwohner-Stadt Ausbildungs- und Arbeitsplätze vorhanden, es gebe einen funktionierenden Jugendklub, Schulsozialarbeiter und Anti-Rassismus-Programme an den Schulen.
    Am Donnerstag plant die Stadt mit verschiedenen Initiativen in Grevesmühlen eine Menschenkette für Toleranz und Zusammenhalt. Es soll davon ein Zeichen ausgehen, dass es in Grevesmühlen keinen Raum für Rassismus gibt. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) warnte vor einer Verharmlosung des Vorfalls. "Es ist gut, dass das Mädchen körperlich unverletzt geblieben ist", erklärte sie. "Jede Mutter und jeder Vater weiß, dass der Schock tief sitzt." Für Angriffe auf Kinder und fremdenfeindliche Beleidigungen dürfe es keinen Platz geben.
    Anja Kapinos arbeitet im ZDF-Landesstudio Mecklenburg-Vorpommern
    Quelle: mit Material von dpa

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