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Abfrage ohne Richter möglich:Encrochat-Daten: EuGH stärkt Anklagebehörden
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Deutsche Ermittler dürfen Beweismittel aus dem Krypto-Messengerdienst Encrochat ohne richterliche Anordnung von ausländischen Behörden anfordern. Das entschied der der EuGH.
Encrochat war unter Drogenhändlern beliebt - bis Ermittler die Software knackten
Quelle: dpa
Der Krypto-Messengerdienst Encrochat war bei Kriminellen beliebt, vor allem für den Handel von Drogen. Er galt zunächst als nicht entschlüsselbar - bis 2020 die Polizei in Frankreich und den Niederlanden die Software knacken konnte. Das führte zu zahlreichen Festnahmen in ganz Europa.
Zum Umgang mit diesen Beweismitteln hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil gefällt: Auf der Jagd nach Verbrechern können deutsche Ermittler demnach theoretisch auch ohne richterliche Anordnung bei Partnerländern Beweismittel aus Encrochat abfragen.
35 Tonnen Kokain wurden bereits im Laufe dieses Jahres von Zoll und Polizei sichergestellt - das meiste davon im Hamburger Hafen.04.04.2024 | 1:42 min
EuGH: Staatsanwalt darf in bestimmten Fällen Daten abfragen
Das Verfahren dürfe unter bestimmten Voraussetzungen auch von einer Staatsanwaltschaft in die Wege geleitet werden, stellten die Richter jetzt in Luxemburg klar. Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, muss nun das Landgericht Berlin entscheiden, das die Frage vorgelegt hatte.
"Die Entscheidung ist als Stärkung der Anklagebehörden, also der Staatsanwaltschaften, zu verstehen", sagt Christoph Schneider aus der ZDF-Redaktion Recht und Justiz. Die Übermittlung von Beweismitteln zwischen EU-Ländern sei einfacher geworden. "Zudem schafft die Entscheidung für Staatsanwaltschaften mehr Rechtssicherheit im Umgang mit Enchrochat-Daten", so Schneider.
"Die Entscheidung schafft für die Ankläger Klarheit in einem schwierigen Umfeld, ohne aber die Rechte Beschuldigter außer Acht zu lassen. So muss die Wahrung von Grundrechten Betroffener durch ein Gericht möglich sein. Auch muss ein EU-Land ein anderes vorab über die Überwachung von Telekommunikation auf seinem Hoheitsgebiet informieren. Kann sich die betroffene Person aber nicht zu den Beweismitteln äußern, müssen sie unberücksichtigt bleiben."
"Die Entscheidung schafft für die Ankläger Klarheit in einem schwierigen Umfeld, ohne aber die Rechte Beschuldigter außer Acht zu lassen. So muss die Wahrung von Grundrechten Betroffener durch ein Gericht möglich sein. Auch muss ein EU-Land ein anderes vorab über die Überwachung von Telekommunikation auf seinem Hoheitsgebiet informieren. Kann sich die betroffene Person aber nicht zu den Beweismitteln äußern, müssen sie unberücksichtigt bleiben."
Die deutsche Staatsanwaltschaft erließ eine sogenannte Europäische Ermittlungsanordnung und daraufhin genehmigte ein französisches Gericht die Übermittlung der Daten an Deutschland, sodass sie in Strafverfahren verwendet werden konnten.
Das Landgericht Berlin hatte aber Zweifel, ob diese Ermittlungsanordnung rechtmäßig verlief, weil in Deutschland eine Staatsanwaltschaft und kein Richter diese in die Wege geleitet hatte.
EuGH setzt Ermittlern auch Grenzen
Darin sahen die europäischen Richter nun allerdings kein Problem: Ein Staatsanwalt darf sich demnach solche Beweisdaten von einem anderen EU-Mitgliedsstaat geben lassen, wenn er auch im Inland dafür zuständig wäre. Allerdings setzte der EuGH auch Grenzen. So müsse es einem Gericht möglich sein, die Wahrung der Grundrechte Betroffener zu überprüfen.
Außerdem müsse ein EU-Land einen anderen Mitgliedsstaat vorab über Überwachung von Telekommunikation auf seinem Hoheitsgebiet informieren. Dessen Behörden könnten die Überwachung untersagen, wenn sie in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht genehmigt würde.
Dürfen die Chats generell verwertet werden?
Der EuGH betonte, dass ein faires Verfahren gewährleistet werden müsse. Wenn ein Angeklagter zu wichtigen Informationen oder Beweismitteln nicht sachgerecht Stellung nehmen könne, müssten diese unberücksichtigt bleiben.
Inwiefern die Chats generell verwertet werden durften, entschied der EuGH nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das 2022 bejaht. Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sind zu dem Thema allerdings noch mehrere Verfassungsbeschwerden anhängig.
Quelle: dpa, AFP