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Aktenchaos ermöglicht Anschlag:Messerattacke wegen Justizversagen
von Lothar Becker
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Fehlerhafte Ermittlungsakten, langwierige Postwege ermöglichen Mordanschlag auf zwei Kinder, obwohl der Täter bekannt ist. Seine Absichten hatte er im Internet angekündigt.
Im NRW-Landtag tagt der Rechtsausschuss zum Fall Ron S.
Quelle: ZDF/Lothar Becker
Im Düsseldorfer Landtag wurde heute in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses aufgearbeitet, was auf den ersten Blick nur als Justizversagen wahrgenommen werden kann:
Grundschüler überleben Attacke
Der 21-jährige Ron S. hat am 28. Februar 2024 versucht, zwei zufällig ausgewählte Menschen zu töten. Eine neunjährige Grundschülerin und einen zehnjährigen Grundschüler. Beide haben die Attacke mit Stich- und Schnittverletzungen am Kopf überlebt.
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Gut sieben Wochen zuvor hatten Ermittlungsbehörden in Deutschland Hinweise auf die Ankündigung von Ron S., genau so eine Tat begehen zu wollen - sie konnten den jungen Mann dennoch nicht davon abhalten.
Chronologie des Justizversagens
Schon vor einem Jahr geriet Ron S. ins Visier der Sicherheitsbehörden weil er einem Arzt gegenüber eine Gewalttat gegen seine Mutter angekündigt hatte. Daraufhin erfolgte die Aufnahme ins "PeRiskoP"-Register - als Person mit Risikopotenzial. Damit will NRW "potenzielle Amokläufer landesweit leichter aufspüren". Im letzten Herbst wurde Ron S. aber wieder ausgestuft. Wohl zu voreilig, wie sich im Januar dieses Jahres herausstellt, als zwei Fälle von Gewalt gegen die Mutter bekannt werden.
Ebenfalls im Januar meldet sich ein Zeuge im bayrischen Straubing, der über Dritte erfahren hatte, dass ein Mann in Chats und Postings angekündigt hat, einen Mord an zufälligen Opfern begehen zu wollen. Die Polizei und Staatsanwaltschaft in Bayern können Ron S. binnen weniger Tage als wahrscheinlichen Urheber ermitteln.
Armutszeugnis innerdeutscher Justizarbeit
Was sich nach einem ermittlungstechnischen Selbstläufer anhört wird zum diametralen Gegenteil - einem Armutszeugnis innerdeutscher Ermittlungs- und Justizarbeit.
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Denn Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter schaffen es in sieben Wochen nicht, die Akten mit den Ermittlungsergebnissen und der daraus resultierenden Dringlichkeit vom ersten Zeugen in Straubing zum Ermittlungsrichter nach Duisburg zu übermitteln.
Dringlichkeit nur schwer erkennbar
Die bayrische Polizei hatte versäumt, online Beweise zu sichern. Die bayrische Staatsanwaltschaft vermerkt die Dringlichkeit nur schwer erkennbar in der Akte, nicht aber auf dem Deckblatt. So geriet der Fall in Duisburg in die langsamen Mühlen der Justiz.
Doch selbst als nach Tagen in der Staatsanwaltschaft Duisburg klar wurde, dass eine Gefährdung von Ron S. ausgehen könnte, hat das zu keinem sofortigen oder zielgerichtet beschleunigten Handeln geführt.
Nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt
Die Staatsanwaltschaft Duisburg beantragte zwar eine Hausdurchsuchung beim zuständigen Amtsgericht, versäumte aber den Screenshot des Postings von Ron S. explizit zu erwähnen. Darin schrieb der 21-jährige:
Den Screenshot entdeckte der zuständige Ermittlungsrichter erst Tage nach Akteneingang und hat selbst dann nicht alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um die Hausdurchsuchung sofort durchzusetzen. Dabei hätten die späteren Tatwaffen womöglich sichergestellt werden können. Stattdessen ging die Akte mit dem Durchsuchungsbeschluss nur auf dem "üblichen Geschäftsgang" zur Polizei. Bevor sie dort überhaupt ankam, beging Ron S. die Tat.
NRW: E-Akte ab 2026
Mit einer elektronischen Akte würden solche Fehler nicht passieren, da ist Anwalt Marco Rogert sicher. Mit seiner Kanzlei kennt er seit Jahren Vor- und Nachteile von digitalen Justizakten.
"Sie springen dann mittels eines "Pop-Up" nebst Erinnerungsfunktion bei der Bearbeitung direkt ins Auge. Sie kann in der Regel binnen weniger Sekunden transportiert werden und wenn ein Cloudsystem genutzt wird, muss ein Transport überhaupt nicht stattfinden. Alle Beteiligten können jede Entwicklung sofort einsehen oder informiert werden - natürlich nur wenn die Informationen auch eingegeben werden", so Rogert. Die E-Akte für Strafsachen soll in NRW 2026 eingeführt werden.
"Deshalb", so Pfeil, "gilt es bis zur Einführung der elektronischen Akte Reibungsverluste zu minimieren und die Behörden zu sensibilisieren, damit sich Verzögerungen wie in diesem Fall nicht wiederholen."
Rechtsausschuss will Abläufe verbessern
Ron S. ist inzwischen in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht. Dass er seinen Mordanschlag am Ende nicht umsetzen konnte ist einem Unbeteiligten und seinem Vater zu verdanken. Beide haben ihn aufhalten können, als er zwei zufällig ausgewählte Grundschüler umbringen wollte.
"Wir müssen über Abläufe diskutieren und herausfinden was besser werden kann", betont Wolf.
Lothar Becker ist Reporter im ZDF-Landesstudio NRW.
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