Schlimmer als Heroin oder Meth:Das Problem mit der Plastik-Droge "Flex"
von Malin Ihlau
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Die Droge "Flex" breitet sich aus. Vor allem Göttingen scheint eine "Flexer-Szene" zu sein. Für Suchtberater eine besorgniserregende Entwicklung. Denn die Droge hat fatale Folgen.
Bekannt als Flex oder Monkey Dust, ist die Droge MDPV gefährlicher als Heroin. Sie führt zu rascher Abhängigkeit, Aggressivität und körperlichem Abbau.19.12.2023 | 2:08 min
Gustav schaut hektisch aus dem Fenster. Seit fünf Jahren konsumiert der Göttinger die Droge "Flex". Er kommt nicht davon los, im Moment ist der Suchtdruck zu hoch. Doch er will im Interview mit dem ZDF warnen:
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Göttingen: Droge "Flex" breitet sich rasant aus
"Flex" ist eine zerstörerische und extrem abhängig machende Droge. Sie ist günstig im Erwerb, der Rausch ist besonders intensiv. Die Droge wird geraucht oder gespritzt. Vor allem in der niedersächsischen Stadt Göttingen verbreitet sich Flex.
Das Landeskriminalamt (LKA) registriert einen Anstieg der Fallzahlen und spricht von der Stadt als Hotspot. Mehr als 100 Süchtige schätzt die Polizeiinspektion Göttingen. Die Drogenberatungsstelle schätzt die Zahl mit 200 Süchtigen weitaus höher ein - für eine 120.000 Einwohner Stadt ist das schon recht hoch.
(MDPV) ist eine psychotrope Substanz und wird unter den Namen Flex, Cloud Nine, Monkey Dust, Super Coke und Peevee gehandelt. In den 1960er Jahren zur Behandlung von Erschöpfungssymptomen entwickelt und aufgrund der Nebenwirkungen nicht auf den Markt gebracht, tauchte es in den 2010er Jahren zunächst in Japan und den USA, später auch in Europa auf.
Göttingens Flex-Geschichte begann 2012, als Drogenfahndern ein entscheidender Schlag gegen den Heroinhandel in der Stadt gelang. Viele Abhängige wechselten zu dem noch nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegenden "Badesalz", so der damals geläufige Handelsname für MDPV im Internet. Nach einer Hochphase in den Jahren 2014 und 2015 verschwand Flex in der Folge aus dem Fokus der Göttinger Ermittler. Seit 2020 weisen die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle des Diakonieverbands wieder regelmäßig auf den steigenden Konsum hin.
MDPV wird sowohl geraucht als auch gespritzt und nasal konsumiert.
Sozialarbeiterin sieht psychotische Nebenwirkungen
Sozialarbeiterin Vivian Häusler arbeitet seit einem Jahr hier in der Diakonie Göttingen mit Menschen, die mit harten Drogen zu tun haben. Im Kontaktladen am Leinekanal sind Häusler und ihre Kollegen für die Abhängigen die tägliche Anlaufstelle. Hier bekommen sie einen Kaffee, etwas zu essen, Hilfe bei alltäglichen Problemen oder schlicht ein wenig Ruhe. Doch obwohl Häusler jedem mit einem freundlichen Lächeln begegnet und an das Gute im Menschen glaubt, sagt sie:
Die Sozialarbeiterin weiß: "Der Dauerkonsum von Flex bringt psychotische Menschen hervor. Der körperliche Abbau ist schon nach kurzer Zeit des Konsums sichtbar."
Von Aggressionen bis Panikattacken: Die gefährliche Wirkung von "Flex"
Die Wirkungsweise der Droge: Schon eine Konsumeinheit von 0,05 Gramm hält den Konsumenten für gut 24 Stunden wach. Hinzu kommen erhöhter Blutdruck, Unruhe, Aggressionen, Hyperaktivität und bei höherer Dosierung Wahnvorstellungen und Panikattacken.
Oft landen Konsumenten in der Notaufnahme der Universitätsmedizin Göttingen bei Prof Dr. Dirk Wedekind: "Die Leute werden eigen und fremd aggressiv. Sie bekommen psychotische Symptome. Es geschehen schreckliche Unfälle durch Intoxikationen, die wir vermehrt bei uns in den Notfallaufnahmestationen sehen", so der besorgte Arzt.
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Flex-Craving: Forscher warnt vor der Suchtspirale
Da das Craving, also der Bedarf nachzulegen, bei Flex sehr hoch ist, sind hohe Dosierungen die Regel. Zumal die Designerdroge leicht und billig verfügbar ist. Ein Gramm ist in Göttingen derzeit angeblich für unter zehn Euro zu bekommen. Der Weg in die seelische Abhängigkeit ist schon nach zweimaligen Gebrauch gebahnt, warnen Suchtforscher wie Markus Lingemann von Diakonie Göttingen aus der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention.
Lingemanns größte Sorge ist, dass die Droge zu jungen Probierern durchrutscht. Zum einen würden sich die Gruppierungen in Göttingen an denselben Plätzen aufhalten, zum anderen seien die Jugendlichen Flex gegenüber viel zu sorglos.
Im Netz locken Versprechen von Euphorie und hoher Leistungsfähigkeit, veränderter Sinneswahrnehmung und sogar gesteigertem Verlangen. Die Wahrheit über die Horrordroge sei noch zu wenig bekannt.
Malin Ihlau ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Niedersachsen.
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