BGH zu "klimaneutral": Grüne Werbeversprechen vor dem Aus?
BGH urteilt zu "klimaneutral":Grünes Werbeversprechen vor dem Aus?
von Birgit Franke
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Umweltbewusste Verbraucher kaufen gerne Produkte, die das Klima schützen. Wie weit müssen Unternehmen wie zum Beispiel Katjes informieren, was hinter "Klimaneutralität" steckt?
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs klagt gegen Katjes wegen irreführender Werbung.
Quelle: dpa
Der Lakritz- und Fruchtgummihersteller Katjes hat in einem Lebensmittel-Fachblatt damit geworben, dass alle seine Produkte klimaneutral hergestellt werden. Wie die Klimaneutralität erreicht wird, erfuhren die Leserinnen und Leser in der Werbung nicht.
Erst über einen QR-Code oder durch eine Internetseite, die in der Werbeanzeige angegeben wurde, konnten Kunden online erfahren, dass Katjes nicht emissionsfrei produziert, zum Ausgleich aber über ein Umweltberatungsunternehmen Klimaschutzprojekte unterstützt.
Wettbewerbszentrale: Werbung von Katjes irreführend
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sieht in dem Slogan "klimaneutral" eine irreführende Werbung und klagt gegen den Süßwarenhersteller. Schon in der Werbung selbst hätten genaue Angaben gemacht werden müssen, was Katjes an Emissionen einspare und was kompensiert werde. Die Transparenz sei für die Verbraucher, aber auch für den Wettbewerb entscheidend.
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Es gäbe große Unterschiede, was die Firmen fürs Klima tun würden, so die Wettbewerbszentrale. Manche Unternehmen investieren viel und entwickeln sich technisch weiter, um beim Herstellungsprozess schädliches Treibhausgas zu reduzieren. Andere hingegen würden bei der Produktion nichts verbessern, nur Zertifikate kaufen, um Klimaschutzprojekte zu finanzieren.
Die Vorinstanzen folgten der Wettbewerbszentrale nicht. Das OLG Düsseldorf argumentierte, dass die Leser der Fachzeitung unter dem Begriff "klimaneutral" eine ausgeglichene Bilanz der CO2-Emissionen verstünden, die durch Vermeidung, aber auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könnte. Zwar sei es für die Verbraucher wichtig zu erfahren, wie das Unternehmen klimaneutral wird. Den Lesern der Fachzeitung sei es aber zumutbar, sich online darüber zu informieren.
BGH: strenge Anforderungen bei umweltbezogener Werbung
Der Bundesgerichtshof scheint einen anderen Weg einzuschlagen. Das Gericht machte in der mündlichen Verhandlung im April 2024 laut Medienberichten deutlich, dass bei einer umweltbezogenen Werbung strenge Anforderungen zu stellen seien.
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Die Aussagen müssten richtig, klar und eindeutig sein. Denn möglicherweise sei es dem Verbraucher wichtig zu wissen, ob Emissionen von vornherein vermieden oder doch nur kompensiert würden. Das Urteil wird am Vormittag verkündet.
Kompensation durch Umweltprojekte umstritten
Einige Umweltexperten zweifeln grundsätzlich an, ob zum Beispiel Waldprojekte den CO2-Ausstoß kompensieren können. Vor allem hinterfragen die Umweltschützer die dauerhafte Speicherung von CO2 durch die Projekte.
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Auch die Zertifizierungen der Projekte ist umstritten. Denn bis heute werden diese von Unternehmen vorgenommen - sie seien daher nicht solide und nachvollziehbar geregelt.
Mark Hugo, Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion, erklärt das so: "Es gibt gut gemeinte Projekte - wenn man Monokulturen wie Fichtenwälder, die anfällig sind für Stürme und Schädlinge, in Mischwälder umwandelt zum Beispiel. Das ist eine tolle Sache, auch unterstützenswert. Nur dauert es 20 Jahre, bis die Bäume groß sind und nennenswert Kohlenstoff aufnehmen können." Das Problem dabei:
Neue EU-Regeln gegen Greenwashing
Grüne Werbeaussagen und Umweltlabels werden bis heute kaum reguliert. Mit einer neuen EU-Richtlinie vom März dieses Jahres will die EU vielfach verbreitetes "Greenwashing" - das heißt Unternehmen oder Produkte werden umweltfreundlicher dargestellt als sie es tatsächlich sind - in der Werbung bekämpfen und verlässliche Umweltinformationen fördern. Vage Aussagen zur Umweltverträglichkeit von Produkten sollen verboten werden, wenn es dafür keinen Nachweis gibt. Auch eine reine Kompensation reicht für das Label "klimaneutral" dann nicht mehr aus. Umgesetzt werden muss die Richtlinie bis März 2026.
In einem weiteren Schritt will die EU klare und transparente Standards für die Nutzung von umweltbezogenen Aussagen festlegen. Dafür müssen Unternehmen wohl künftig ihre Werbeversprechen für Produkte oder Dienstleistungen vorab überprüfen und genehmigen lassen.
Birgit Franke ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz
Der weltweite Ausstoß von CO2 steigt weiter an: Für 2024 erwarten die Forschenden des Global Carbon Projects erneut einen Rekordwert. Welche Länder am meisten ausstoßen.