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"Wir leben in Gefahr":So (un)sicher ist Berlin für Juden
von Markus Gross und Oliver Klein
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Mit der Aussage, dass Juden und Homosexuelle in Teilen Berlins nicht sicher seien, hat die Polizeichefin der Hauptstadt eine heftige Debatte entfacht. Betroffene stimmen ihr zu.
Antisemitische Schmierereien in Berlin Neukölln.
Quelle: dpa
Es gebe in der Hauptstadt zwar "grundsätzlich" keine "No-Go-Areas", erklärte die Berliner Polizeipräsidentin Anfang der Woche in der "Berliner Zeitung". Barbara Slowik schob dann aber einen Satz nach, der nun für heftige Diskussionen sorgt:
Weiter erklärte Slowik, es gebe "bestimmte Quartiere, in denen mehrheitlich arabischstämmige Menschen wohnen, die auch Sympathien für Terrorgruppen hegen". Dort artikuliere sich "offene Judenfeindlichkeit".
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel hat sich in Deutschland die Zahl antisemitischer Vorfälle deutlich erhöht.14.08.2024 | 10:11 min
Zentralrat der Juden nennt Aussage "alarmierend"
Die Reaktionen sind heftig: Von einem "Offenbarungseid" spricht der Publizist Michel Friedman in der "Bild"-Zeitung. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Josef Schuster schreibt im Sozialen Netzwerk X: "Wenn die Berliner Polizei nun einräumt, nicht für die Sicherheit von Jüdinnen und Juden - aber auch für andere Gruppen - Sorge tragen zu können, ist das alarmierend." Berlin sei ein "Zentrum dieses Hasses".
So reagiert der Zentralrat der Juden bei X
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Wie gefährlich ist es wirklich, wenn Juden mit Kippa oder homosexuelle Paare händchenhaltend durch bestimmten Stadtteile gehen? ZDFheute hat mit Betroffenen gesprochen.
Juden wollen auf der Straße nicht erkannt werden
Noam Petry (22) studiert Medizin an der Berliner Charité. Er engagiert sich in der Jüdischen Studierendenunion, kämpft seit Jahren gegen Antisemitismus, erlebte bereits antisemitische Vorfälle an Unis.
Durch Antisemitismus fühlen sich auch Juden und Jüdinnen hierzulande seit der Terrorattacke auf Israel nicht mehr sicher. Vor einer Uni in München treffen beide Seiten aufeinander.06.10.2024 | 3:04 min
Ähnlich sieht es eine jüdische Journalistin aus Berlin-Neukölln, die lieber anonym bleiben möchte. "Wenn die Polizeipräsidentin vor antisemitischen Gefahrenzonen warnt, dann hilft das auch nichts, denn wir leben genau in diesem Gebiet." Sie und ihr Mann würden es lieber vermeiden, auf der Straße als Juden erkannt zu werden. "Wir wissen, dass wir in Gefahr leben und gehen damit so um, dass wir trotzdem hier leben und uns schützen."
Zahl der antisemitischen Vorfälle steigt
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Antisemitische Vorfälle haben im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Berlin registrierte 2023 zwei Fälle extremer Gewalt und 34 Angriffe gegen Personen, im Vorjahr waren es ein Fall extremer Gewalt und 20 Angriffe.
Als Antisemitismus wird allgemein die Feindlichkeit gegenüber dem Judentum bezeichnet. Er existiert in unterschiedlichen Formen und kann strafrechtlich verfolgt werden.13.06.2024 | 1:15 min
Nicht weniger dramatisch ist die Lage für Schwule, Lesben und Transmenschen: Im Jahr 2023 hat "Maneo. Das schwule Anti-Gewalt-Projekt in Berlin" 685 Fälle mit LSBTIQ+-feindlichen Bezügen erfasst - 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Und die Dunkelziffer ist hoch.
Kulturkneipe mehrfach attackiert
Gebiete wie die Sonnenallee in Neukölln sind überwiegend arabisch-muslimisch geprägt. Seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober komme es dort immer wieder zu antiisraelischen Demonstrationen und in deren Folge auch zu antisemitischen Vorfällen. Nicht nur in Berlin, sondern bundesweit beschäftigt sich die Organisation Ofek mit dieser Thematik. Die Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung stellt fest, dass es im Rahmen von antiisraelischen Versammlungen immer wieder zu Angriffen, Bedrohungen und Verbalattacken kommt: "Jüdinnen und Juden, aber auch sich als antisemitismuskritisch positionierende Personen, werden dann über die Chiffre 'Zionisten' zu Feindbildern aufgebaut und als legitime Ziele adressiert."
Vor einem Jahr wurde Israel von der Hamas überfallen. Doch von der anfangs viel bekundeten Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft ist in Deutschland wenig übrig geblieben.08.10.2024 | 9:46 min
Beispiel: Die Kulturkneipe Bajszel, wo regelmäßig Veranstaltungen auch zum Thema Antisemitismus stattfinden. Seit dem 7. Oktober wurde das Lokal in der Emser Straße in Neukölln mehrmals mit dem roten Hamas-Dreieck beschmiert, mit Steinen beworfen, sogar angezündet, mutmaßlich von pro-palästinensischen Aktivisten.
Alex Carstiuc, der Betreiber, stimmt den Aussagen der Polizeipräsidentin zu. Homosexuelle, Juden und Israelis seien deshalb in seinem Kiez vorsichtig. Pro-israelische Läden wie das Bajszel müsse es aber geben, trotz großer Anfeindungen. "Wir lassen uns nicht einschüchtern."
Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen, FDP und AfD eine Resolution gegen Antisemitismus beschlossen.07.11.2024 | 1:19 min
Polizeipräsidentin rudert zurück
Die von der Berliner Polizeipräsidentin nun ausgelöste Debatte hatte ein ständig schwelendes Thema also neu entfacht. Doch Barbara Slowik rudert inzwischen zurück: "Wir leben in einer Großstadt mit mehreren Millionen Einwohnern, deren Miteinander auch durch das weltpolitische Geschehen bestimmt wird", erklärt sie. Und versichert: "Jüdinnen und Juden sind genau wie queere Menschen in unserer Stadt sicher."
No-Go-Areas kann die Polizei nicht zugeben - faktisch gibt es sie. Die jüdische Community ist verunsichert, viele Gemeindemitglieder spüren, dass der Antisemitismus wächst. Und nicht wenige sagen uns: Sie überlegen, Berlin und Deutschland zu verlassen.
Vor genau einem Jahr überfielen Hamas-Kämpfer mehrere israelische Ortschafen und ein Musikfestival. Über 1000 Menschen wurden getötet. 250 Menschen wurden verschleppt. 07.10.2024 | 1:48 min
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