30 Jahre später: Kaufhauserpresser "Dagobert" blickt zurück

    Arno Funke alias "Dagobert":Kaufhauserpresser: Rückblick nach 30 Jahren

    von Dagmar Henning
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    Vor 30 Jahren wurde Arno Funke, alias "Dagobert" festgenommen - nach jahrelangem Katz- und Mausspiel mit der Polizei. Wie steht er heute zu seinen Taten?

    Arno Funke, der sein Buch "Mein Leben als Dagobert" in der Hand hält.
    Arno Funke wurde als Kaufhauserpresser unter dem Namen "Dagobert" bekannt. 30 Jahre nach seiner Festnahme sprechen er und der Ex-Polizist Martin Textor in "hallo Deutschland".20.04.2024 | 9:52 min
    Als am 25. Mai 1988 im Berliner KaDeWe nachts eine Bombe hochgeht, ahnt niemand, dass damit eine spektakuläre Verbrecherkarriere beginnt. Arno Funke hatte versucht, das Kaufhaus um 500.000 D-Mark zu erpressen. Weil die Geldübergabe scheitert, zündet Funke die Bombe.
    Sein Motiv sieht er im Nachhinein in Depressionen, verursacht durch Lösungsmittel während seiner Arbeit als Autolackierer. Heute erinnert er sich an die Suizidgedanken, die er in der Zeit vor den Erpressungen hatte: "Dann war da die Situation, als ich in meinem Bett lag, ich hatte die Pistole an der Schläfe: durchgeladen, entsichert."

    Für mich lag der Gedanke nahe, dass eben Geld die Situation ändern könnte - womit ich natürlich auch recht hatte.

    Arno Funke, Kaufhauserpresser "Dagobert"

    Arno Funke
    Quelle: dpa

    …  wurde unter dem Namen "Dagobert" bekannt. Funke wurde im Jahr 1994 verhaftet, nachdem er zwischen 1988 und 1994 das Kaufhaus KaDeWe und den Karstadt-Konzern erpresst hatte.

    Arno Funkes kurzes Leben in Reichtum

    Nach der Explosion zahlt das KaDeWe die halbe Million. Funke setzt sich mit dem erpressten Geld auf die Philippinen ab.
    Doch glücklich ist Funke nicht, auch wenn er an einem traumhaften Ort wohnt: "Das war eine absurde Situation, man ist in so einem wirklich exotischen Land, Palmen, weiße Strände, türkisblaues Meer."

    Und da ging alles in mir durch. Da war eine innere Leere.

    Arno Funke, Kaufhauserpresser "Dagobert"

    Als das Geld weg ist, kehrt Funke, der sich "Dagobert" nennt, zurück. Er nimmt den Karstadt-Konzern ins Visier und zahlreiche Geldübergaben scheitern.

    "Dagobert" verbreitet Angst und Schrecken

    Die erfolglose Jagd auf Dagobert zermürbt den Karstadt-Konzern - Mitarbeiter melden sich aus Angst vor Bombenanschlägen krank. In der Bevölkerung wächst die Angst: Kunden meiden die Kaufhäuser.
    Martin Textor ist damals Abteilungsleiter im Landeskriminalamt Berlin (LKA). Der heute pensionierte Kommissar versucht mit 400 Polizisten, "Dagobert" zu schnappen.

    Der Einsatz hat den Berliner Steuerzahler ungefähr zehn Millionen D-Mark gekostet.

    Martin Textor, ehem. Kommissar der Berliner Polizei

    Martin Textor
    Quelle: dpa

    ... ist ein ehemaliger Kommissar der Berliner Polizei und ehemaliger Chef des SEK in Berlin. Textor war auch für die Festnahme des Kaufhauserpresser Arno Funke alias Dagobert vor 30 Jahren verantwortlich.

    Öffentliche Jagd und die präparierte Streusandkiste

    Die Polizei war eigentlich rund um die Uhr damit beschäftigt, "Dagobert" zu jagen, so Textor.

    Eine der genialsten Sachen war die Geschichte mit der Streusandkiste.

    Martin Textor

    "Dagobert" präpariert die Kiste mit einem doppelten Boden. Er stellt sie über einem Gully auf und wartet in der Kanalisation. Die Polizei legt ein Paket mit dem erpressten Geld, bestehend aus Papierschnipseln, hinein und beobachtet stundenlang die Kiste.
    Als die Beamten die Streusandkiste schließlich öffnen, schauen sie in ein Loch.
    Der Tatort im Modegeschäft. Auf dem Boden sieht man den Bademantel, und einen Gürtel (Mordwaffe). Jegliche Spuren wurden mit Schildern markiert.
    Eines der häufigsten Motive für Verbrechen ist Geldgier. Finanzielle Nöte und das Verlangen nach Reichtum treiben einige Menschen zu Straftaten bis hin zum Mord.20.03.2024 | 43:29 min

    Ruhm für einen Schwerstverbrecher

    Bombenanschläge, Geldforderungen und Polizeieinsätze: Der Erpresser sorgt damit über Jahre hinweg für Schlagzeilen. So profitieren auch die Medien von der Geschichte "Dagobert", der öffentlichen Jagd nach einem Schwerstverbrecher.
    Und sie machen "Dagobert" bekannt. T-Shirts mit seinem Namen werden an Fans verkauft. Die Berliner Band "Die Panzerknacker" schreibt sogar einen Song über den Straftäter.




    "Dagobert" im April 1994 gefasst

    Irgendwann ist es "Dagobert" leid, gejagt zu werden und überlegt sich, wie er sich der Polizei stellen könnte, denn es ist eine hohe Belohnung auf ihn ausgesetzt: 100.000 D-Mark.

    Ich hatte mir schon überlegt, wer mich verpfeifen könnte, damit er die Belohnung kassieren kann.

    Arno Funke, Kaufhauserpresser "Dagobert"

    Doch diesmal ist die Polizei schneller. Bei einem Erpressungsversuch, in einer Telefonzelle, wird "Dagobert" geschnappt.
    Martin Textor erinnert sich genau an den 22. April 1994 und an die Freudenszenen bei der Polizei nach der Festnahme. Die Stimmung sei wie auf einem Volksfest gewesen. "Meine Einsatzkräfte kamen alle rein und ich saß in meinem Büro und einer sagte zu mir: "'Martin, du musst mal aus dem Fenster gucken.' Dann kamen die alle zurück, die 400 Leute mit ihren Autos."

    Und dann war da Volksfest auf dem Parkplatz mit Sektflaschen auf dem Auto und tanzenden Polizisten.

    Martin Textor, ehem. Kommissar der Berliner Polizei

    "200 Jahre Kriminalgeschichte: Die achtziger Jahre": Eid Mord in den 1980ern.
    In dieser Folge: die 1980er Jahre und ihre spezielle Kriminalgeschichte. "200 Jahre Kriminalgeschichte" zeigt vergangene und aktuelle Fälle. Polizisten, Historiker und Psychologen äußern sich.10.10.2020 | 43:19 min

    Polizist und Erpresser verstehen sich gut

    Arno Funke wird zu neun Jahren Haft verurteilt, kommt nach sechs Jahren und zwei Monaten wegen guter Führung frei. Mit dem Ermittler von damals, Martin Textor, versteht er sich heute gut.

    Jetzt, wo ich "Dagobert" kenne, ist er mir nicht unangenehm. Ein sympathischer, ehemaliger Verbrecher.

    Martin Textor, ehem. Kommissar der Berliner Polizei

    Der 74-jährige Funke arbeitet heute als Karikaturist und Autor für eine Satirezeitschrift. Als "Dagobert" ging er in die deutsche Kriminalgeschichte ein.

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